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Cute Aggression

Zu viel des Süßen: Darum können uns niedliche Sachen aggressiv machen

Cute Agression
© Getty Images/ Stanislav Hubkin

Was passiert mit dir, wenn du ein extrem süßes Baby oder den niedlichsten Hund überhaupt siehst? Vermutlich überkommt dich eine Welle der Entzückung, mit vielen „awws“ und „owws“. Doch – ups – warum will ich diesen Hund am liebsten auffressen? Und das Baby so dolle drücken und quetschen wie es nur geht? Die Fäuste ballen, das Gesicht verzerren und kaum noch „aww“ sondern eher ein „argh!“ knurren? Nun, du wurdest von Cute Aggression übermannt. Und damit bist du keinesfalls allein oder gehörst in Behandlung. Wir erklären dir hier alles über das Phänomen, und Tricks unseres Gehirns, wenn etwas oder jemand einfach unerträglich süß ist.

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Was bedeutet Cute Aggression?

Der Begriff klingt erstmal völlig widersprüchlich. „Niedlichkeit-Aggressionen“? Wieso bekommen manche Menschen „Gewaltphantasien“, wenn sie doch etwas so Liebreizendes wie ein Baby sehen? Nun, Cute Aggression beschreibt genau das: das Phänomen zweier vollkommen widersprüchlichen Reaktionen: Übertriebene Entzückung und Aggressionen. Dabei müssen sich Menschen regelrecht zusammenreißen und zurücknehmen, den Hund/Katze/Baby nicht ZU fest zu kuscheln, die Pausbäckchen nicht zu zerquetschen, etc., denn genau das will das Gehirn in diesem Moment tun. Der Entzückung irgendwie mit geballten Fäusten und zusammengepressten Zähnen entgegenzuwirken.

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Wenn dir ein solches Verhalten vollkommen fremd ist und du ein wenig schockiert darüber bist: Das Allerwichtigste ist, dass man weder dem Baby noch dem Welpen etwas mit diesem Verhalten antun möchte, oder wirklich „gewalttätig“ wird. Es handelt sich um einen Gefühlsausbruch, vor dem man sich zwar nicht wehren kann, jedoch steckt hinter dem Phänomen, das auch Playful Aggression genannt wird, keine böse Absicht anderen Menschen oder Lebewesen gegenüber.

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Cute Aggression: Das sagt die Psychologie zum Phänomen

Falls du von dem Phänomen auch schon mal überrollt wurdest, ist die nächst logische Frage auf jeden Fall: Warum werde ich aggressiv, wenn ich etwas süß finde? Dazu gibt es spannende Erkenntnisse aus der Psychologie. Eine viel beachtete Studie stammt aus dem Jahr 2019. Die Psychologin Katherine Stavropoulus von der University of Kalifornia nahm sich dem Phänomen an und wollte erfahren, was im Gehirn der Proband*innen bei der Cute Aggression passierte.

Dafür wurden ihre Gehirnströme gemessen, während sie Fotos von süßen Tierbabys sahen, die sie auf einer Skala nach ihrer Niedlichkeit einordnen sollten. Je niedlicher das Tier auf dem Bild wahrgenommen wurde, desto aggressiver wurden die Testpersonen. Dabei zeigte sich ein weiterer überraschender Faktor: Die Cute Aggression hängt offenbar unmittelbar mit dem Belohnungszentrum im Gehirn zusammen. Zudem vermutet die Psychologin, dass die Cute Aggression evolutionär bedingt ist. So würde dieses Phänomen zeigen, dass Menschen bei süßen Babys besonders darum bemüht sind, das Nachkommen zu schützen und sich um sie zu kümmern. Erst recht, da Menschen sich im Vergleich zu Tieren seltener fortpflanzen.

Die „süße Aggression“ scheine das Gehirn wieder „abzukühlen“, stellte Stavropoulos fest, indem es die Gefühle der Überwältigung neu ordnet bzw. neutralisiert. Wir wären bei zu viel Verzückung ständig abgelenkt und würden mögliche Gefahren nicht rechtzeitig erkennen. Das Gehirn übersetzt darum einen Teil der positiven Gefühle in Aggressionen, um das emotionale Gleichgewicht wiederherzustellen.

Warum werden wir aggressiv, wenn wir etwas süß finden?

Auf diese Frage gibt eine weitere Studie interessante Antworten. Dazu ein Rückblick ins Jahr 2013, als die Cute Aggression erstmals von den beiden Psychologinnen Rebecca Dyer und Oriana Aragón auf einer Tagung der „Society for personalste and social Psychology“ vorgestellt worden sind. Laut einer Studie der Expertinnen und Team, die zwei Jahre nach der Tagung veröffentlicht wurde, hilft diese Reaktion Menschen dabei, ihre emotionalen Zustände auszugleichen und zu regulieren. Das Phänomen wird als Teil einer breiteren Palette emotionaler Ausdrucksformen verstanden, die dazu dienen, starke Gefühle zu bewältigen.

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Wenn wir also etwas als besonders süß empfinden, führt das oft zu solch starken Emotionen, dass der Körper Schwierigkeiten hat, diese zu verarbeiten. Das entgegengesetzte Verhalten rührt auch daher, dass positive Emotionen bei vielen Menschen zu einem Gefühl der Überforderung führen. „Dimorpher Ausdruck“ wird das auch in der Fachsprache genannt. Vom dimorphen Ausdruck spricht man, wenn jemand, der eine starke Emotion verspürt, die entgegengesetzte Emotion ausdrückt.

Ist Cute Aggression normal?

Mit dem Wissen über das menschliche Gehirn und Reizüberflutungen im Gepäck, kann man sagen, dass die Cute Aggression normal ist. Es handelt sich um eine völlig gesunde Reaktion des Körpers auf sehr starke, positive Emotionen. Mach dir also keine Sorgen, wenn dir das nächste Mal in den Kopf kommt „ich möchte dieses Baby aufessen!“. Allerdings fallen Cute Aggressions von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus. Wer tendenziell eher ein gefühls- und emotionsbetonter Mensch ist, könnte eher von der Cute Aggression heimgesucht werden, während anderen Menschen das Phänomen für immer ein Rätsel bleiben wird.

Love hurts: Cute Aggression beim Sex

Auch beim Sex verfallen viele Menschen ihren Cute Aggressions, hier häufig in Form von Beißen. Vielleicht hast du das schon mal selbst erlebt und wolltest jemanden einfach so fest wie möglich ins Fleisch beißen oder wurdest „Opfer“ des schmerzhaften Liebesbeweises‘. Warum hat man das Bedürfnis, jemanden zu beißen? Auch hier ist die einfache Antwort: Regulierung. „In unserer Studie fanden wir heraus, dass Menschen, wenn sie diese starke Bewunderung oder Zuneigung spürten und dann ihre Cute Aggressions auslebten, ihnen das dabei half, von dieser sehr starken emotionalen Erfahrung herunterzukommen. Es half ihnen dabei, ihre Gefühle zu regulieren“, sagt Sozialpsychologin Oriana Aragón, (genau, die Lady, die den Begriff Cute Aggression 2013 erstmals aufs Radar holte), gegenüber dem Onlinemagazin Vice.

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Hier bekommt das Sprichwort, „jemanden zum Fressen gern zu haben“, eine ganz neue Dimension. Doof nur, wenn du als aggressive Person mit kannibalischen Tendenzen wahrgenommen wirst, weil du nicht in Worte fassen kannst, WIE sehr du die Person bewunderst und stattdessen zubeißt. Hier kommt deine Antwort auf das Phänomen (starke Gefühle regulieren) und die Beruhigung: Die Cute Aggression ist ziemlich normal. „Der Anteil der Betroffenen bewegt sich im Bereich von 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung“, sagt die Psychologin gegenüber dem Magazin.

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