Seit vielen Jahren wird über das Thema ADHS diskutiert. Sollte man den betroffenen Kindern Ritalin geben oder stellt man sie damit einfach nur ruhig? Sollte man sich stattdessen nicht lieber mit den Kindern auseinandersetzen? In einer älteren Ausgabe des „heute-journal“ hat sich Professor Hüther, einer der bekanntesten Hirnforscher Deutschlands, darüber geäußert, was wirklich hinter dieser vermeintlichen Krankheit steckt und warum die Zahl der Diagnosen so stark angestiegen ist, wie die „Brigitte“ berichtete.
ADHS ist keine Hirnstörung!
Professor Gerald Hüther auf die Frage, ob es richtig ist, dass er ADHS nicht als Krankheit einstufen würde: „Es wurde in der Vergangenheit so betrachtet, aber wir wissen ja inzwischen, dass sich das Gehirn der Kinder selbst entwickelt. Da braucht man Erfahrungen und bestimmte Erfahrungen machen Kinder heute wahrscheinlich zu selten. Dafür machen sie ungünstige Erfahrungen zu häufig.“Bildquelle: GettyImagesPlus/iStock710
Darum scheinen immer mehr Kinder ADHS zu haben
Der Professor sagt: „Es ist bequem – für alle Beteiligten. Die Eltern sind froh, dass es ein angeblich genetisches Defizit ist, was die Kinder haben. Die Ärzte sind froh, dass sie mit einer Pille alles heilen können, die Lehrer sind froh, dass sie nicht dafür verantwortlich sind und die Pharma-Industrie ist froh, dass sie damit so viel Geld verdient. Es ist eine schwierige Situation.“
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Ist Ritalin sinnvoll?
Professor Hüther: „Es gibt Entwicklungen, die sind so schwer, dass man nicht mehr weiß, was man machen soll (Anmerkung der Redaktion: und das Medikament nehmen muss), aber man muss daran denken, dass wenn das Medikament die Regulation im Gehirn übernimmt, dann kann das Kind es gar nicht mehr lernen, es von sich aus zu regulieren. Es geht ja um Impulskontrolle und um die Fähigkeit, auch mal etwas Frust auszuhalten. Es muss sich alles im Gehirn entwickeln und es kann sich nur entwickeln, wenn Kinder die Gelegenheit dazu haben.“
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Waren Kinder früher anders?
Professor Gerald Hüther: „Die waren nicht anders, das war immer schon so, aber es gab vielleicht noch nie eine Zeit, in der Kinder so wenig Gelegenheiten hatten zu zeigen, was sie draufhaben. (…) Heute werden sie stark verschult.“Bildquelle: GettyImagesPlus/iStock/red_pepper82
Kinder wollen wichtig sein!
Professor Gerald Hüther: „Kinder wollen wichtig sein, die Jungs ganz besonders. Ich glaube, die trifft es deswegen am Stärksten. Weil sie in dieser gegenwärtigen Gesellschaft einfach kaum noch Möglichkeiten finden, einfach mal zu zeigen, was sie drauf haben und dass sie wichtig sind.“Bildquelle: GettyImagesPlus/iStock/quintanilla
Was Eltern hilft ...
Professor Gerald Hüther: „Ein ganz guter Tipp ist, dass Eltern nochmal darüber nachdenken können, was sie gemeinsam mit den Kindern unternehmen können und ich meine weniger Freizeitbeschäftigungen, sondern dass sie sich gemeinsam mit den Kindern um etwas kümmern. Dass sie gemeinsam mit den Kindern auf Entdeckungsreisen gehen, dass sie gemeinsam mit den Kindern etwas gestalten. Es ist auffällig, dass Kinder die zum Beispiel bei den Pfadfindern sind oder auf dem Land leben viel seltener ADHS haben.“