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Astro, Aperol & Trash-TV

Alles, was Frauen mögen, ist problematisch

Alles was Frauen mögen ist problematisch
© desired/Midjourney

Dass „Mädchen-Sachen“ lange Zeit eher als uncool und peinlich galten (und das heute zum Teil noch immer tun), ist ein bekanntes Phänomen. Stichwort: Pick Me Girl. In letzter Zeit fällt mir jedoch immer häufiger auf, dass die Abwertung von Dingen, für die sich vor allem Frauen interessieren, oft noch viel weiter geht. Sie sind nicht nur nicht cool, sie sind auch höchst problematisch, gar gefährlich und vermutlich der Untergang unserer zivilisierten Gesellschaft. Ob es nun um Astrologie und Esoterik („Nur ein Schritt vom rechten Schwurbeln entfernt“) oder Trash TV („Dadurch werden wir alle verblöden“) geht. Wird internalisierte Misogynie so wieder salonfähig?

Vor Kurzem geisterte eine Schlagzeile durch sämtliche (soziale) Medien: „Aperol ist krebserregend!“ Grund sollten die enthaltenen Farbstoffe E 110 und E 124 sein, die für die charakteristische orange Farbe sorgen. Beschäftigt man sich genauer damit, wird schnell klar: Hier besteht lediglich ein Verdacht. Um über die Grenzwerte zu kommen, die laut EU als unbedenklich gelten, müsste man ungefähr acht Gläser Aperol trinken. Sind weniger Gläser also ungefährlich? Natürlich nicht! Denn anders als für die beiden Farbstoffe gibt es für Alkohol keinen Wert, der als unbedenklich gilt. Er ist – so hart das klingt – ab dem ersten Schluck potenziell gesundheitsgefährdend.

Die Schlagzeile war also komplett überzogen. Wer sich als erwachsene Person entscheidet, Alkohol zu trinken, sollte sich den damit verbundenen Risiken bewusst sein. Und trotzdem würde ich behaupten, dass viele sie mit ein wenig Schadenfreude gelesen haben und ich mir in Zukunft ab und an ein belehrendes: „Du weißt aber schon, dass das krebserregend ist“, anhören darf, wenn ich mir einen Aperol bestelle. Denn Aperol ist nun mal ein gehyptes Getränk, das vermutlich vor allem bei Frauen beliebt ist – und denen reden wir ihre Vorlieben doch immer gerne schlecht.

Frauen mögen es? Das muss gefährlich sein!

Das Aperol-Beispiel ist vielleicht nicht das naheliegendste, wenn es um „typischen Weiberkram“ geht, aber es verdeutlicht so schön, was mich an der ganzen Sache stört. Natürlich ist Kritik an der Verharmlosung eines potenziell krebserregenden Getränks angebracht – aber das gilt eben nicht nur für Aperol, sondern für jegliche Formen von Alkohol. Hier irgendwelche fadenscheinigen Gründe zu suchen, warum Aperol besonders schlimm ist, ist Haarspalterei.

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Aber genau dieses Herumreiten auf den negativen Seiten von eher weiblich konnotierten Interessen beobachte ich überall. Da wären etwa die unwissenschaftliche Astrologie und Esoterik, die falsche Heilversprechen machen und dubiose Verbindungen zu rechten Verschwörungsmythen haben. Sind das Dinge, die man kritisieren kann? Definitiv! Muss man deshalb so tun, als würde jede Frau, die an Astrologie glaubt, demnächst versuchen, Krebs mit Chakra-Armbändern zu heilen? I doubt it.

Dass Frauen im Regelfall durchaus in der Lage sind, sich an ihrem Horoskop zu erfreuen und gleichzeitig weit genug zu denken, um nicht auf fragwürdige Versprechen und Theorien hereinzufallen, scheint für viele Männer unvorstellbar. Dass sie ihnen damit jedoch das Urteilsvermögen absprechen und sich selbst im Gegenzug aufwerten, weil sie den armen Naivchen mal wieder die Welt erklären, ist ihnen oftmals gar nicht bewusst. Vielleicht steckt hinter einem beiläufigen „Ach, du interessierst dich für Astrologie? Da habe ich ja letztens erst wieder gelesen, dass das alles Humbug ist und Unternehmen einen damit nur abzocken wollen“, aber auch wirklich ernsthafte Sorge.

Keine Sorge, wir können selber denken!

Dann kann ich an dieser Stelle jedoch Entwarnung geben: Ich persönlich bin mir zumindest bewusst, dass es keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür gibt, dass mein Geburtsstein mir Glück bringt und trotzdem trage ich ihn gerne. Und auch, wenn ich weiß, dass das gleiche für Horoskope gilt, halte ich an Tagen, an denen mir ein unverhofftes Ereignis vorhergesagt wird, besonders die Augen auf. Einfach, weil ich es nett finde, weil es mir Spaß macht und weil ich so ein bisschen achtsamer durchs Leben gehe. Und ich glaube, wenn ich das kann, werden die meisten anderen Frauen das wohl auch hinkriegen. Aber wer weiß, vielleicht bin ich auch was ganz Besonderes, viel klüger und einfach anders als die anderen Frauen. #Pickmegirl

Die Sorge um das Wohlergehen der naiven Frauen hält sich aber glücklicherweise auch nur solange, bis diese Geld mit gefährlichem „Frauengedöns“ verdienen. Sei es mit Astrologie oder als Influencerin, die ihren Followern fragwürdige Produkte andreht. Und again: Ja, wenn Influencerin XY irgendwelche Wundermittel zum Abnehmen anpreist oder den 10. Shein-Haul zeigt, ist das durchaus kritikwürdig. Doch auch hier ist wieder auffällig, dass sowas vor allem bei Frauen kritisiert wird. Erst letztens habe ich die Story einer Unternehmerin gesehen, die auch auf Instagram aktiv ist. Sie beschwerte sich darüber, dass sie in Talkshows oder in Artikeln immer nur als Influencerin vorgestellt wird – und das, obwohl sie schon seit Jahren ihr eigenes Mode-Unternehmen führt und mehrere Bücher geschrieben hat. Männliche Kollegen hingegen werden als Autor, Content Creator, Entrepreneur oder Unternehmer betitelt, auch wenn sie nur ihre eigene Limited Edition mit einem Süßwarenhersteller hatten.

Über dieses Video dürfen sich an Stelle alle „Astrologie ist Humbug“ und „Aperol ist krebserregend“-Verfechter aufregen:

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Hallo, alte Rollenklischees!

Seitdem habe ich vermehrt darauf geachtet und die gleiche Beobachtung gemacht. Frauen sind viel öfter die oberflächlichen Influencerinnen, Männer die smarten Geschäftsleute. Selbst wenn ein Mann sich ein eher dubioses Unternehmen aufgebaut hat, wird viel öfter darüber berichtet, wie schlau es doch von ihm war, sich diese Nische zu eigen zu machen. Das verdeutlicht nur zu gut, dass wir an Frauen noch immer viel höhere moralische Standards stellen. Sie sollen schließlich die Fürsorglichen und Warmherzigen sein, Männer dürfen auch mal kühl und rational handeln. Aber wir erinnern uns: Abgesehen von den skrupellosen Girl Bosses fehlt uns Frauen diese Rationalität ja ohnehin.

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Genau dieses Denken finde ich so problematisch, weil es für Frauen immer nur zwei Extreme gibt und sich damit mal wieder zeigt: Egal, was du als Frau machst, du machst es falsch. Es sei denn natürlich, du stimmst fleißig mit ein, wenn es darum geht, über Trash TV, Liebesromane, True Crime (ja, auch hier ist die Zielgruppe hauptsächlich weiblich), Taylor Swift (ist mit ihrem Privatjet quasi allein für die Klimakrise verantwortlich), Astrologie und krebserregenden Aperol zu lästern.

Kleiner Disclaimer zum Schluss, weil man es glaube ich gar nicht oft genug sagen kann: Es geht mir NICHT darum, dass die problematischen Seiten dieser Dinge nicht mehr kritisiert werden dürfen, nur weil man Frauen damit auf den Schlips treten könnte. Wenn man etwa das Gefühl hat, eine Freundin driftet gerade in ein gefährliches Rabbit Hole ab, ist es durchaus sinnvoll, das anzusprechen. Es geht mir nur darum, dass diese Kritik nicht sofort vorgebracht werden muss, sobald bestimmte Buzzwords fallen – insbesondere, wenn es sich hier um Themen handelt, bei denen Mann selbst nur gefährliches Halbwissen mitbringt. Wenn eine Frau dir sagt, dass sie gerne Aperol trinkt und das Erste, was dir dazu einfällt, ist sie zu belehren, dass der aber krebserregend ist, solltest du dich vielleicht fragen, warum es dir so wichtig ist, das an dieser Stelle anzubringen.

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