Auch 2023 fällt es vielen queeren Menschen noch immer schwer, sich zu outen. Denn auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten viel getan hat, ist Homophobie in vielen Teilen der Gesellschaft noch immer verbreitet. Im Podcast erzählt Fotograf und Content Creator Arya Shirazi uns seine Geschichte: Als Kind wurde er oft gemobbt, seine Homosexualität wollte er sich selbst lang nicht eingestehen. Mit 26 outete er sich dann – und traf damit eine der besten Entscheidungen seines Lebens.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir in unserem Podcast anhören.
desired: Du hattest dein Coming-Out mit 26, was verhältnismäßig spät ist. Wie kam es dazu, dass du in dem Moment den Mut dazu gefasst hast?
Arya: Natürlich outen sich viele Leute früher, aber es gibt auch viele, die sich gar nicht outen oder noch später. Ich glaube, es ist ein Prozess zur Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Und einige haben die früher, einige haben die noch gar nicht und outen sich trotzdem. Bei mir war das aber auf jeden Fall damit verbunden. Ich habe lange Zeit dagegen angekämpft. Ich habe es selbst nicht akzeptiert. Die Menschen haben mich früher damit gemobbt, mich dieses Wort genannt, das ich hier nicht aussprechen möchte. Ich wollte ihnen nicht recht geben. Hinzukommt, dass meine Mama aus Afghanistan ist, mein Papa ist Kurd-Iraner und in unserer Kultur „gibt es sowas nicht“. Ich wollte meinen Eltern immer gefallen und sie stolz machen. Ich war immer der perfekte, liebe Sohn, der seine Schule gemacht hat, studiert hat und seinen Weg gegangen ist, ohne sich viel auszuprobieren oder zu viel Party zu machen. Ich glaube, das war ein großer Grund, warum ich mich lange nicht geoutet habe. Ich wollte die Menschen nicht enttäuschen. Und ich musste mich auch erst mal vor mir selbst outen. Ich glaube, das ist so der wichtigste Schritt für mich gewesen, um mich dann auch anderen gegenüber zu öffnen.
Jedes Jahr im Juni wird der Pride Month zelebriert. Wichtige Fakten über diesen Monaten haben wir in diesem Video für dich zusammengefasst:
War der Gedanke, dass deine Familie dich nicht akzeptieren könnte, eine deiner größten Sorgen?
Bei mir spielt da leider noch ein anderes Thema eine große Rolle. Mein Papa ist sehr früh krank geworden. Er ist seit ich drei oder vier Jahre alt bin, ein Pflegefall und dementsprechend hat meine Mama sehr viel erlebt. Ich wollte ihr nicht noch zusätzlich zur Last fallen. Ich wollte, dass sie stolz auf mich ist und sich nicht vor anderen für ihren Sohn rechtfertigen muss. Dass meine Familie selbst mich nicht akzeptieren würde, war sicherlich auch eine Angst, aber nicht meine größte. Ich finde es auch immer schwierig, wenn Leute zu mir sagen: „Ich finde es so schön, dass deine Familie dich so akzeptiert. Du musst so dankbar sein.“ Aber dafür bin ich nicht dankbar. Ich bin dankbar dafür, dass ich so eine wundervolle Familie habe, aber nicht dafür, dass man mich akzeptiert, denn das sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Also hattest du weniger Angst, dass dein engster Familienkreis dich nicht akzeptiert, sondern eher, dass deine Familie sich dann vor anderen Menschen rechtfertigen muss?
Ja, genau. Damals ging es mir auch um das Image unserer Familie. Das Thema beschäftigt mich auch heute teilweise noch. Meine Mutter sieht man zum Beispiel öfter auf meinen Social Media Kanälen. Die meisten Reaktionen sind total positiv, aber es gibt auch immer wieder Kommentare auf TikTok, in denen Leute sagen, dass sie nicht verstehen, dass meine Mutter noch zu mir steht. Teilweise kriege ich auch richtige Drohungen und wenn die unter einem Video mit meiner Mutter stehen, habe ich natürlich auch Angst um sie. Diese Ängste sind nicht alltäglich, aber natürlich belastet einen sowas.
Bekommst du solche Kommentare häufiger?
Das kommt immer drauf an, was ich poste und wie viel ich poste. Ich habe das Gefühl, auf TikTok ist das zum Beispiel häufiger, deshalb habe ich da auch gerade eine kleine Pause gemacht. Es macht mich auch traurig, dass solche Kommentare dann auch Menschen sehen, die vielleicht noch ungeoutet sind und mit sich selbst struggeln. Ich erinnere mich dann immer an meine Jugend zurück. Wenn sich im Fernsehen mal wieder über Schwule lustig gemacht wurde und sie total überspitzt dargestellt wurden, dann habe ich mich geschämt. Ich versuche mir, diese Kommentare gar nicht weiter durchzulesen. Die Leute, die sowas schreiben, kann ich auch nicht wirklich ernst nehmen, die tun mir eher leid. Aber es tut mir eben auch leid, dass andere Menschen dann diese Kommentare lesen und sehen, wie viel Hass es noch in unserer Gesellschaft gibt.
Auf der anderen Seite bekomme ich auch ganz viele wunderbare Kommentare und Nachrichten von Menschen, die mir zum Beispiel schreiben, dass sie sich durch meine Videos getraut haben, sich vor ihren Eltern zu outen. Deshalb mache ich auch mit Social Media weiter.
Dies ist eine gekürzte Version der Folge. Die vollständige Folge kannst du dir hier anhören: