„Typisch Mann, der braucht seinen Freiraum“, „Da musst du einfach nur mal Dampf ablassen“ oder „Bei Menschen wie ihm, musst du direkt zeigen, dass du dich durchsetzen kannst“ – wir alle kennen Alltagsweisheiten wie diese, mit denen wir versuchen, uns das Verhalten unserer Mitmenschen zu erklären. Oft spricht man hier auch von Küchenpsychologie. Doch ist an manchen dieser Pauschalaussagen sogar etwas dran? Wir sind ein paar der typischsten küchenpsychologischen Weisheiten auf den Grund gegangen.
Was ist Küchenpsychologie?
Psychologie ist eine Wissenschaft. Bevor Aussagen über bestimmte psychologische Erkrankungen, Eigenschaften oder Verhaltensweisen getätigt werden, werden diese daher grundlegend erforscht. Studien hinterfragen die gängigen psychologischen Hypothesen immer wieder und liefern so neue Erkenntnisse. Bei der Küchenpsychologie, auch Laien- oder Alltagspsychologie genannt, ist das nicht der Fall. Hier werden aus individuellen Beobachtungen Rückschlüsse auf die Allgemeinheit gezogen und andersrum. Der Name Küchenpsychologie leitet sich vermutlich vom Begriff Küchenlatein ab, der im Mittelalter von Gelehrten abfällig gegenüber dem simplen Latein der Mönche genutzt wurde. Küchenpsychologie ist also eine vereinfachte, nicht wissenschaftliche Version der Psychologie. Dass wir im Alltag oft zur Küchenpsychologie greifen, um uns bestimmte Verhaltensmuster zu erklären, ist erst mal verständlich. Sie hilft uns, die Welt um uns herum zu erklären und Muster zu erkennen. Problematisch wird es laut Psycholog*innen dann, wenn wir trotz widersprüchlicher Fakten auf unsere küchenpsychologischen Annahmen vertrauen, „weil das eben immer so ist“ oder wenn wir zu voreilig Schlüsse ziehen, weil wir glauben, die Antwort schon zu kennen. Viele Annahmen der Küchenpsychologie sind zudem längst widerlegt und werden trotzdem von vielen Menschen geglaubt. Etwa, dass man anhand der Handschrift Rückschlüsse auf den Charakter ziehen könnte. Es gibt allerdings auch einige Mythen der Küchenpsychologie, die tatsächlich einen wahren Kern haben. Ein paar davon zeigen wir dir heute.
#1 Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
Natürlich können wir unser Leben lang dazulernen – wenn wir es denn wollen. Doch Fakt ist, dass uns viele Lernprozesse im Kindesalter leichter fallen. Das hängt mit der Entwicklung unseres Gehirns zusammen. Stichwort: Neuroplastizität. Im Kindes- und Jugendalter, ist unser Gehirn noch deutlich plastischer und passt sich leichter an neu Gelerntes an. Im Erwachsenenalter sind die Verbindungen und Strukturen gefestigter, Anpassungen brauchen dann länger, sind aber nicht unmöglich. Um etwas Neues zu lernen, müssen wir dann aber oft mehr Zeit und Motivation aufbringen, es funktioniert nicht mehr so intuitiv.
#2 Lachen ist die beste Medizin
Lachen ist die beste Medizin? Sicher nicht für alles und gerade in Bezug auf Depressionen und andere psychische Krankheiten sollte man mit dieser Aussage vorsichtig sein. Trotzdem lässt sich nicht abstreiten, dass Lachen positive Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit haben kann. Laut Studien kann es unter anderem Stress reduzieren, das Immunsystem stärken und sogar Schmerzen lindern. Außerdem werden durch Lachen Glückshormone freigesetzt.
#3 Der erste Eindruck zählt
Den Primär-Effekt gibt es in der Psychologie tatsächlich. Er beschreibt die Tendenz, dass die ersten Informationen, die wir über eine Person erhalten, einen großen Einfluss auf unser Gesamtbild haben. Das ist evolutionär sinnvoll, da schnelle Urteile in unbekannten Situationen überlebenswichtig sein können. Psychologisch gesehen sind erste Eindrücke oft dauerhaft, weil sie als Referenzrahmen für spätere Informationen dienen. Allerdings können wir einen missglückten ersten Eindruck auch wieder retten. Vor allem dann, wenn wir viel Zeit mit der anderen Person verbringen. Dann wird vermutlich irgendwann der sogenannte Mere Exposure Effect greifen, demzufolge wir einen Menschen oder eine Sache mehr mögen, je öfter wir damit in Kontakt kommen.
#4 Gleich und gleich gesellt sich gern
Bleiben wir beim Mere Exposure Effect. Der ist nämlich auch eine mögliche Erklärung dafür, dass wir Partner*innen wählen, die uns ähnlich sind. Denn tatsächlich zeigen oft Studien, dass wir uns zu ähnlich attraktiven Menschen hingezogen fühlen und dass vor allem ähnliche Interessen und Charaktereigenschaften zu langen und stabilen Beziehungen führen. Woran das liegen könnte, haben wir hier ausführlich erklärt. Übrigens heißt das nicht automatisch, dass an „Gegensätze ziehen sich an“ so gar nichts dran ist. Allerdings tun Unterschiede der Beziehung nur in bestimmten Bereichen gut, etwa bei Unterwürfigkeit und Dominanz oder Introversion und Extraversion.
#5 Liebe geht durch den Magen
Gemeinsam zu kochen oder essen zu gehen, gehört nicht umsonst zu den wohl beliebtesten Ideen für Dates. Am Sprichwort „Liebe geht durch den Magen“ ist nämlich tatsächlich etwas dran. Gemeinsames Essen stärkt die sozialen Bindungen und auch die emotionale Verbindung, wie etwa eine repräsentative Umfrage des Sozialpsychologen Dunbar zeigt. Menschen, die häufiger in Gesellschaft aßen, hatten demnach unter anderem mehr Menschen, auf die sie sich verlassen konnten.
#6 Linkshänder*innen sind kreativer
Egal ob an der Handschrift oder an bestimmten Gesichtsmerkmalen: Die Küchenpsychologie möchte anhand dieser Beweisstücke gerne einmal Rückschlüsse auf den Charakter ziehen. Meist steckt da nicht viel hinter. An einer Theorie ist jedoch wirklich etwas dran. So fällt es Linkshänder*innen wirklich oft leichter, kreativ zu denken. Grund hierfür sind wieder einmal Verknüpfungen im Gehirn, die bei Linkshänder*innen teils anders programmiert sind als bei Rechtshänder*innen. Gehirnscans zeigen, dass Linkshänder*innen für einige Aufgaben eher ihre rechte Gehirnhälfte aktivieren, die mit Kreativität assoziiert wird.
#7 Weibliche Intuition
Hattest du auch schon mal bei einem Menschen von Anfang an ein schlechtes Gefühl und am Ende hat sich rausgestellt, dass da wirklich etwas nicht stimmt? Viele würden hier wohl von weiblicher Intuition sprechen. Tatsächlich legen einige Studien nahe, dass Frauen im Durchschnitt über eine höhere emotionale Intelligenz verfügen und soziokulturell stärker dazu erzogen werden, auf nonverbale und zwischenmenschliche Signale zu achten. Es ist daher kein Wunder, dass Frauen vor allem in sozialen Situationen stärker auf ihr Bauchgefühl vertrauen als Männer. Allerdings können es auch Geschlechterstereotype sein, die dafür sorgen, dass wir Frauen als intuitiver und Männer als rationaler wahrnehmen.
#8 Umgekehrte Psychologie
Wer andere dazu bringen will, etwas zu tun, greift gerne mal auf das Konzept der umgekehrten Psychologie zurück. Dabei verbietet man beispielsweise etwas, in der Hoffnung, dass die andere Person es dann umso mehr tun möchte. Zugrunde liegt dem die Reaktanztheorie, der zu folge Menschen es hassen, wenn ihre Freiheit eingeschränkt wird. Indem sie das tun, was ihnen eigentlich untersagt wird, glauben sie, diese wiederherzustellen. Das funktioniert zum Beispiel in der Kindererziehung („Du bist wahrscheinlich noch nicht alt genug, um dein Zimmer alleine aufzuräumen“) oder im Marketing (Stichwort: limitierte Verfügbarkeit). Allerdings stößt die umgekehrte Psychologie auch ganz schnell an ihre Grenzen, etwa, wenn Menschen es merken, dass man gerade versucht, sie zu manipulieren oder wenn Erfahrungswerte einfach dagegen sprechen. Das kann letztendlich zu einem Vertrauensverlust führen.
#9 Zu viel Stress macht krank
Ein Burnout als Folge von zu viel Stress ist uns allen bekannt, doch langfristiger Stress kann tatsächlich noch mehr gesundheitliche Probleme auslösen – nicht nur psychisch, sondern auch physisch. Er löst hormonelle Reaktionen hervor und kann sogar entzündungsfördernd wirken. Dadurch können unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und Verdauungsprobleme entstehen. Entscheidend für den Einfluss von Stress auf unsere Gesundheit ist dabei nicht unbedingt, wie viel wir zu tun haben, sondern wie wir uns dabei fühlen. Methoden zum Stressmanagement wie etwa Resilienztrainings oder das Führen von Dankbarkeitstagebüchern können den subjektiv wahrgenommen Stress reduzieren.