Merkst du auch manchmal, dass du in deiner eigenen kleinen Blase lebst und die Welt oft durch die rosarote Brille betrachtest? Damit bist du nicht allein! Manchmal braucht es eben einen Anstoß von außen, der uns aufrüttelt und zum Nachdenken bringt.
Diese 7 Bücher sind brutal ehrlich, berührend und verändern deinen Blick auf unsere Welt – ganz ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit authentischen Protagonist*innen und Geschichten, die wirklich unter die Haut gehen:
#1 „Über Menschen“ von Juli Zeh
Darum geht's: Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie musste dringend raus aus der Stadt, auch wenn sie nicht genau weiß, wovor sie auf der Flucht ist. Großstadt, Lockdown, stressiger Job, ein übereifriger Freund, dazu Donald Trump, Brexit und Rechtspopulismus – wann ist die Welt eigentlich dermaßen durcheinandergeraten? Dass Bracken, dieses kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht die ländliche Idylle ist, von der manche Städter träumen, war Dora klar. Alle haben sie vor der Provinz gewarnt. Jetzt sitzt sie trotzdem hier, in einem alten Haus auf einem verwilderten Grundstück, mit einem kahlrasierten Nachbarn hinter der Gartenmauer, der sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Doch dann passieren Dinge, die ihr Weltbild ins Wanken bringen. Sie trifft Menschen, die in kein Raster passen, und steht vor einer Herausforderung, die Antwort auf die große Frage verlangt, worauf es im Leben eigentlich ankommt.
Ein großartiger Roman, der aktueller nicht sein könnte. „Über Menschen“ erzählt von all den Unsicherheiten, Zweifeln und Schwächen, die gerade viele umtreiben – und davon, wie viel Stärke darin liegt, sich selbst und anderen offen und ehrlich zu begegnen.
Bücher bringen mich selten zum Weinen, aber ...
dieses hat's geschafft! In „Über Menschen“ wird man mit seinen eigenen Vorurteilen konfrontiert: Nicht nur Dora hatte anfangs ganz schöne Probleme mit ihrem kahlköpfigen Nachbarn Gote – auch ich fand ihn einfach nur problematisch. Doch je besser ich ihn durch Doras Augen kennenlernte, desto mehr rückte meine Abneigung gegen ihn in den Hintergrund. Ein merkwürdiges Gefühl, denn wie konnte es passieren, dass ich für SO einen Menschen Sympathien entwickelt habe? Ganz einfach: Indem ich erkannt habe, dass es mehr gibt als schwarz und weiß, dass es nichts bringt, Menschen einfach in Schubladen zu stecken, dass man miteinander reden muss, auch und besonders wenn man nicht der gleichen Meinung ist, um einander verstehen zu können und dass Gote genauso Mensch ist, wie ich es bin. Ganz klare Leseempfehlung!
#2 „The Hate U Give“ von Angie Thomas
Darum geht's: Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in dem verarmten Viertel, in dem sie wohnt, und in der Privatschule, an der sie fast die einzige Schwarze ist. Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Khalil war unbewaffnet. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet; viele stempeln Khalil als Gangmitglied ab, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Polizei und ein Drogenboss setzen Starr und ihre Familie unter Druck. Was geschah an jenem Abend wirklich? Die Einzige, die das beantworten kann, ist Starr. Doch ihre Antwort würde ihr Leben in Gefahr bringen ...
In „The Hate U Give“ erzählt Angie Thomas eine kraftvolle und bewegende Geschichte, die nicht nur von Rassismus und Ungerechtigkeit handelt, sondern auch von Mut, Hoffnung und dem Kampf einer jungen Frau, ihre Stimme in einer Welt zu finden, die sie oft zum Schweigen bringen will.
#3 „Dry“ von Neal & Jarrod Shusterman
Darum geht's: Kein Wasser. Nicht heute. Nicht morgen. Vielleicht nie mehr. Niemand glaubte, dass es so weit kommen würde. Doch als Alyssa an einem heißen Junitag den Wasserhahn aufdreht, passiert nichts. Es kommt nicht ein Tropfen. Auch nicht bei den Nachbarn. In den Nachrichten heißt es nur, die Bewohner Kaliforniens sollen sich gedulden. Aber als das Problem nicht nur mehrere Stunden, sondern Tage bestehen bleibt, geduldet sich niemand mehr. Die Supermärkte und Tankstellen sind auf der Jagd nach Wasser längst leer gekauft, selbst die letzten Eisvorräte sind aufgebraucht. Jetzt geht es ums Überleben ...
In „Dry“ entwerfen Neal & Jarrod Shusterman ein erschreckend realistisches Szenario und zeigen, wie schnell jegliche Form von Zivilisation und Menschlichkeit auf der Strecke bleibt, wenn Menschen plötzlich gezwungen sind, im wahrsten Sinne des Wortes um den nächsten Schluck Wasser zu kämpfen.
Erschreckend ...
Insbesondere, weil wir ganz viel von dem, was in „Dry“ passiert, während der Corona-Pandemie selbst erlebt haben: Der Kampf im Supermarkt um die letzte Packung Klopapier oder das letzte Päckchen Mehl, Ausgrenzung, Egoismus. Nur, dass es in dem Roman um etwas überlebenswichtiges geht: Wasser. Alle brauchen es und sind bereit, dafür über Leichen zu gehen ... Schockierend und fesselnd zugleich – ich würde es wieder lesen.
#4 „Schloss aus Glas“ von Jeannette Walls
Darum geht's: Jeanette Walls ist ein glückliches Kind. Sie hat einen Vater, der mit ihr auf Dämonenjagd geht, ihr die Physik erklärt und die Sterne vom Himmel holt. Da nimmt sie gerne in Kauf, immer mal wieder mit leerem Bauch ins Bett zu gehen, ihre egomanische Künstlermutter zu ertragen oder in Nacht-und-Nebel-Aktionen den Wohnort zu wechseln. Mit den Jahren allerdings werden die sozialen Verhältnisse schlimmer, die Sprüche des Vaters schaler und das Lügengebäude der Eltern so zerbrechlich wie das Schloss aus Glas, das der Vater jahrelang zu bauen versprochen hatte.
Der Vater ein Säufer, die egomanische Mutter völlig vertieft in ihre Kunst und die Kinder komplett auf sich allein gestellt: In „Schloss aus Glas“ erzählt Jeanette Walls ihre eigene Geschichte – davon, wie es ist, in Armut aufzuwachsen und irgendwann zu erkennen, dass die Eltern, die man bislang vergöttert hat, mehr mit sich selbst beschäftigt sind als mit allem anderen. Ein berührender Roman, der auch zum Nachdenken über die eigenen Privilegien anregt ...
#5 „Nullerjahre“ von Hendrik Bolz
Darum geht's: Langsam zerfallen die Frontlinien der Baseballschlägerjahre, die Springerstiefel werden von Turnschuhen abgelöst, Rechtsrock von Gangsterrap, die Optionen bleiben dieselben: Fressen oder gefressen werden. Im Kindergarten, in der Schule und im Fußballverein haben sie gelernt, dass der Klügere nur so lange nachgibt, bis er der Dümmere ist. Und so ist das Ziel klar: härter werden. Stumpfer werden. Die Mittel finden sich – Kraftsport, Drogen, Rap.
In „Nullerjahre“ lenkt Hendrik Bolz den Fokus auf ein Tabuthema, über das viel zu selten gesprochen wird: Darauf, wie das Leben in Ostdeutschland nach der Wende in den Nullerjahren für viele Menschen wirklich aussah – geprägt von Stillstand, Unsicherheit und der Suche nach Zugehörigkeit.
Ein Thema, über das viel zu selten gesprochen wird
Ich selbst bin zwar auch in den Nullerjahren aufgewachsen, allerdings im Westen. Und ehrlich gesagt habe ich mir, bis ich dieses Buch gelesen habe, nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie es für die Menschen im Osten nach der Wende gewesen sein muss. Ich habe das Gefühl, im Westen hat man immer nur ein ausschließlich positives Bild von der Wiedervereinigung bekommen. Wie viele Versäumnisse es gab und wie diese sich auch Jahrzehnte später noch auf die Menschen ausgewirkt haben, war mir nicht klar. Hendrik Bolz beschreibt genau das eindrucksvoll und wechselt dabei immer wieder zwischen persönlichen Anekdoten und gesellschaftlichen Beobachtungen.
#6 „Zwischen Welten“ von Juli Zeh & Simon Urban
Darum geht's: Zwanzig Jahre nach dem letzten Kontakt treffen sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg – und ihr Wiedersehen endet im Streit. Früher unzertrennlich, haben sie sich in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt: Er ist Journalist bei der großen Wochenzeitung DER BOTE, sie bewirtschaftet einen Biohof in Brandenburg. Er beschäftigt sich in der Theorie ganz viel mit dem Klimawandel, sie spürt die Auswirkungen dessen am eigenen Leib und droht daran zu zerbrechen. Ihre Lebensrealitäten könnten kaum gegensätzlicher sein. Doch über E-Mails und Nachrichten nähern sie sich wieder an – und geraten dabei immer wieder in hitzige Diskussionen über Klimapolitik, Gendersprache und gesellschaftliche Spaltung. Gibt es zwischen all den Gegensätzen überhaupt noch eine gemeinsame Basis?
In „Zwischen Welten“ von Juli Zeh & Simon Urban treffen zwei völlig unterschiedliche Lebensrealitäten aufeinander und alles dreht sich um die Frage: Ist es heutzutage überhaupt noch möglich auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, wenn die Meinungen so weit auseinandergehen?
Hier sind starke Nerven gefragt ...
Aber es lohnt sich! Zwischendurch wollte ich Stefan wirklich an die Gurgel gehen: Ständig versuchte er Theresa die Welt zu erklären – vom Gendern bis zur Klimakatastrophe, während die im wahrsten Sinne des Wortes mit beiden Beinen in der Scheiße stand und sich von Existenzängsten geplagt mit den realen Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen musste. Ich befand mich mitten im Schlagabtausch zwischen Theresa und Stefan, versuchte beide zu verstehen – und scheiterte? Ob Theresa, Stefan und auch ich es geschafft haben trotz verschiedenster Ansichten am Ende zusammenzufinden, musst du wohl selbst herausfinden!
#7 „Ein Mann seiner Klasse“ von Christian Baron
Darum geht's: Kaiserslautern in den neunziger Jahren – Christian Baron erzählt die Geschichte seiner Kindheit, seines prügelnden Vaters und seiner depressiven Mutter. Er beschreibt, was es bedeutet, in diesem reichen Land in Armut aufzuwachsen. Wie es sich anfühlt, als kleiner Junge männliche Gewalt zu erfahren. Was es heißt, als Jugendlicher zum Klassenflüchtling zu werden. Was von all den Erinnerungen bleibt. Und wie es ihm gelang, seinen eigenen Weg zu finden.
In „Ein Mann seiner Klasse“ erzählt Christian Baron nicht nur seine eigene Lebensgeschichte: Er verschafft auch all denen Gehör, die genauso aufgewachsen sind oder es heute noch tun – Menschen, die in Armut leben und deren Lebensrealität in Politik, Medien und Literatur kaum Beachtung findet.