2017 haben Yvonne Fricke und Nicole von Wagner ihren Podcast „Ladylike“ gegründet, in dem sie schonungslos ehrlich über vermeintliche Tabu-Themen sprechen. Ganz egal, ob es um die Storys und Fragen ihrer Hörer*innen geht oder um ihre persönlichen Erfahrungen rund um Sex, Liebe und Erotik – die beiden nehmen kein Blatt vor den Mund. Und das Beste daran: Während Nicole heterosexuell ist und Anekdoten aus ihrem Leben als Ehefrau und Mutter beisteuert, ist Yvonne lesbisch und spricht über ihre Erfahrungen beim Dating zwischen Frau und Frau und die Langzeitbeziehung mit ihrer Freundin.
In unserer heteronormativ geprägten Welt nimmt sie damit eine wichtige Vorbildrolle ein. Denn so offen, wie sie über ihre Homosexualität spricht, sollte es unserer Meinung nach jeder und jede tun und vor allem tun dürfen – ohne Angst vor Diskriminierung. Da wir gerne noch mehr über Yvonnes sexuelle Orientierung wissen wollten, haben wir genauer nachgefragt: In welchem Moment hat sie gemerkt, dass sie auf Frauen steht? Wann hat sie ihre ersten homosexuellen Erfahrungen gemacht und wie lief ihr Outing ab? Ihre Antworten erfahrt ihr in unserem Interview.
Übrigens: Yvonne und Nicole haben dieses Jahr ihr erstes Buch herausgebracht, in dem du unglaublich viel über die Facetten der Lust und der Liebe lernen kannst. Definitiv eine große Empfehlung! Hier findest du es bei Amazon:
Liebe Yvonne, mittlerweile lebst du schon seit vielen Jahren in einer lesbischen Beziehung. Wann wusstest du, dass du auf Frauen stehst?
Ich habe mich mit 15 Jahren zum ersten Mal in ein Mädchen verliebt. Wir haben uns im Schulclub kennengelernt und gemeinsam an einer Schülerzeitung gearbeitet. Zuerst dachte ich, es ist nur Freundschaft, aber je häufiger wir uns trafen, desto intensiver waren meine Gefühle. Ich habe immer davon geträumt, sie zu küssen und zu berühren. Interessanterweise war es für mich schon damals völlig in Ordnung, mich in ein Mädchen zu verlieben. Ich habe daran überhaupt nichts infrage gestellt. Glücklicherweise hat sie genauso empfunden wie ich und wir haben uns ineinander verliebt. Sie war meine erste große Liebe und wir sind bis heute eng befreundet. Dennoch wusste ich damals noch nicht, dass ich lesbisch bin.
Gab es denn irgendwann einen bestimmten Moment, in dem es dir klar wurde oder war es eher ein Prozess?
In der Tat war es ein Prozess, ich war mir nach meiner ersten großen Liebe sicher, dass ich danach wieder Männer lieben würden und war auch absolut offen dafür. Es gab auch immer wieder Versuche, aber ich konnte mich nie so sehr in einen Mann verlieben, wie in eine Frau. Während meines Studiums gab es dann sehr viele wundervolle Affären und Beziehungen zu Frauen. Ich habe es sexuell ordentlich krachen lassen, mich ausprobiert und dann ganz eindeutig festgestellt, dass ich lesbisch bin.
War für dich sofort klar, dass du nur Frauen liebst oder hast du auch an Bisexualität oder andere sexuelle Orientierungen gedacht?
Ich habe Kategorisierungen und Labels schon immer als schwierig empfunden. Natürlich gibt es auf der einen Seite Orientierung und Halt, gerade wenn man seine persönliche Sexualität entdeckt. Auf der anderen Seite sorgen Schubladen auch immer für Schubladen-Denken. Menschen werden schnell verurteilt und stigmatisiert. Es entstehen Bilder von typischen Schwulen, typischen Lesben, typischen Bisexuellen usw. Ich feiere eher das Individuum; Menschen verlieben sich in Menschen und jede Liebe ist individuell.
Wie hast du dich gefühlt, als du deine Homosexualität „entdeckt“ hast?
Als ich mich in Frauen verliebt habe, empfand ich das immer als wunderschön und total erfüllend. Doch leider machte es einem die Außenwelt von Zeit zu Zeit schwer, diese Liebe auch voll auszuleben. Ich bin in den 90ern in einem Viertel in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen, in dem rechtes Gedankengut extrem stark verbreitet war. Es gab nicht nur Anschläge auf Asylantenheime, sondern auch immer wieder Angriffe, die sich gegen Homosexuelle richteten. Wenn du hautnah miterlebst, dass ein Mensch wegen seines „Andersseins“ brutal zusammengeschlagen wird, dann prägt einen das natürlich.
Bist du trotzdem schon immer so offen mit deiner Sexualität umgegangen wie heute?
Ja, in der Tat bin ich schon immer sehr offen mit meiner Sexualität umgegangen. Meine erste Freundin und ich sind trotz unseres explosiven Umfeldes immer sehr stolz Hand in Hand durch unser Viertel gegangen. Zum Glück hatten wir auch einen sehr starken Freundeskreis, der unsere Liebe sofort akzeptiert und immer unterstützt hat. Das war zur damaligen Zeit nicht selbstverständlich und dafür bin ich immer noch sehr dankbar.
Hattest du damals Bezugspersonen, die ebenfalls homosexuell waren?
Nein, ich habe erst viel später andere Homosexuelle kennengelernt. Ich bin damals auch fest davon ausgegangen, dass Stars wie Freddy Mercury und George Michael heterosexuell sind. Für mich gab es ja kein anderes sexuelles Konzept als die Heterosexualität. Darum muss ich immer noch über mich selbst staunen, dass ich meine Liebe zu einer Frau nie infrage gestellt habe. Es hat sich einfach so natürlich und normal angefühlt, es konnte einfach nicht falsch sein.
Wie lief dein Outing vor Freund*innen und der Familie ab?
Innerhalb meines Freundeskreises war es, wie gesagt, überhaupt kein Problem. Sie alle waren der Meinung: Lieb' doch wen du möchtest, Hauptsache du bist glücklich. Bei meinen Eltern lief es etwas anders ab. Meine Mutter hat zufällig einen Brief meiner damaligen Freundin gelesen, den ich auf dem Wohnzimmertisch liegen ließ. Darin hatte meine Freundin in wirklich jedem Detail beschrieben, wie wir eine lustvolle Nacht miteinander verbrachten und wir sehr sie das alles erregt hat. Das war natürlich im ersten Moment ein Schock für meine Mutter. Sie hat dann lange mit meinem Vater darüber gesprochen und beide waren dann ganz toll zu mir als ich später nach Hause kam. Sie sagten: „Es ist uns egal, wen du liebst, wir werden auf jeden Fall immer hinter dir stehen und dich lieben.“
Gibt es rückblickend etwas, das du heute anders machen würdest?
Nein, es ist alles gut so wie es gelaufen ist. Naja wobei, es wird mir wohl nie wieder passieren, einen Sexbrief meiner Freundin rumliegen zu lassen :-)
Was würdest du Menschen mit auf den Weg geben, die sich im Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung unsicher sind?
Alles, was sich in der Liebe richtig anfühlt ist auch richtig. Natürlich immer vorausgesetzt, dass alle beteiligten Personen das Gleiche fühlen und die Liebe freiwillig ist. Hört also auf euren Bauch und euer Herz, vertraut auf euer Gefühl und lasst euch nicht durch äußere Einflüsse vom Liebesweg abbringen. Versucht nicht, irgendwelchen künstlich kreierten Normen zu entsprechen, nur um in ein bestimmtes Bild zu passen. Jeder von euch ist perfekt so wie er ist. Also liebt euch so wie ihr seid.
Welche Tipps würdest du queeren Personen für ihr Outing geben?
Es ist echt traurig, dass wir immer noch in einer Welt leben, in der man über das Outing sprechen muss. Ich hoffe sehr, dass die nächsten Generationen mit dem Begriff Outing gar nichts mehr anfangen können, weil es einfach vollkommen selbstverständlich geworden ist, dass sich Menschen in Menschen verlieben und das Geschlecht dabei vollkommen egal ist. Eine Freundin erzählte mir kürzlich, was ihr Vater sagte, als sie sich bei ihm outete. Er sagte: „Meine liebe Tochter, es tut mir sehr leid, dass du denkst, du musst mit mir über deine Sexualität reden. Wenn du heterosexuell wärst, würden wir dieses Gespräch niemals führen. Kein Mensch sollte mit seinen Eltern über seine Sexualität reden müssen, wenn er es nicht möchte. Du brauchst meinen Segen nicht, du kannst schlafen mit wem du möchtest, es ist dein Leben und ich bin glücklich, wenn du glücklich bist.“ Das hat mich sehr beeindruckt! Davon sollten wir uns alle eine Scheibe abschneiden, liebt also wen auch immer ihr möchtet – ganz selbstverständlich und offen!
Da hast du absolut recht, liebe Yvonne. Danke für deine inspirierenden Worte!
Den „Ladylike“-Podcast findest du zum Beispiel bei Spotify, iTunes oder YouTube. Wie das Coming-Out anderer bekannter Promi-Damen ablief, erfährst du in unserer Bildergalerie:
Bildquelle: Privat