Dass (Online-)Dating manchmal eine ganz schön nervenaufreibende, überfordernde Angelegenheit ist, müssen wir sicherlich niemandem erklären. Für Menschen mit ADHS kann die Sache allerdings noch mal extra belastend sein. Wie genau sich das äußert, wo die größten Challenges liegen und wie man damit umgehen kann, erfährst du hier.
Datende mit ADHS fühlen sich schnell überfordert und missverstanden
Impulsiv, unaufmerksam, hyperaktiv – nur drei Merkmale, die man gerne mal mit Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, in Verbindung bringt. Laut ADHS Deutschland sind hierzulande ca. 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren betroffen, bei 60 Prozent treten auch im Erwachsenenalter noch wesentliche Symptome auf. Viele Menschen wissen oft auch lange gar nicht, dass sie ADHS haben, bis es im Erwachsenenalter dann irgendwann diagnostiziert wird.
Umso wichtiger, dass mehr Bewusstsein für diese Störung geschaffen wird. Gerade, weil sie bei Betroffenen im Alltag für einige Challenges sorgen kann – vor allem auch in Sachen Dating. Das geht nun ebenfalls aus einem brandneuen D.A.T.E. Report von Hinge, bei dem über 9.000 Nutzer*innen mit klinischer ADHS-Diagnose befragt wurden, hervor. Demnach bestehe sogar eine 22 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, dass bei Menschen mit ADHS beim Texten auf Dating-Apps eine Überforderung entsteht. Und ganze 75 Prozent der ADHS-Betroffenen auf Hinge gaben an, sich oft von ihren Matches missverstanden zu fühlen. Doch woran liegt das genau? Die Antwort (ganz kurz gefasst): an der „falschen“ Kommunikation. Denn die kann für ADHS-Betroffene tatsächlich schnell mal besonders herausfordernd sein.
Diese Tipps machen das Online-Dating einfacher:
Die größten Challenges für ADHS-Betroffene beim Daten – und Tipps für den Umgang damit
Das unabsichtliche Ghosting
Seien wir doch mal ehrlich: Online-Dating ist ja immer irgendwie ein Abenteuer für sich. Immerhin treffen da bei einem Match zwei völlig fremde Menschen aufeinander. Und gerade am Anfang kann man sein Gegenüber natürlich noch nicht wirklich deuten und einschätzen. Da kann es dann schnell mal sein, dass schon das kleinste Emoji zu viel oder zu wenig falsch interpretiert wird oder das nicht sofortige Reagieren auf Nachrichten zum Auflösen des Matches führt. Aber klar, unsere Digital Body Language – also unsere Art zu kommunizieren – ist beim Online-Dating nun mal das erste große Ding, das unser Gegenüber analysieren kann. Nur kann es das vor allem Menschen mit ADHS extra schwer machen.
Da diese sich nämlich leicht abgelenkt und überfordert fühlen, kann es schnell passieren, dass sie einfach vergessen, ihren Matches zu antworten – obwohl durchaus Interesse da ist. Das trifft sogar auf ganze 43 Prozent der Hinge-Nutzer*innen mit ADHS zu. Blöd nur, dass 71 Prozent der neurotypischen Datenden erwarten, dass sie innerhalb eines Tages eine Antwort bekommen. Und wenn die auf sich warten lässt, löst das natürlich Misstrauen aus. Auf Ghosting hat schließlich niemand Bock. Nur ist das oft der erste Gedanke, wenn plötzlich etwas länger Funkstille herrscht. Aus diesem Grund hat Logan Ury, Verhaltenswissenschaftlerin, Dating-Coachin und Director of Relationship Science bei Hinge, ein paar Tipps, wie sowohl Menschen mit ADHS als auch potenzielle Dating-Partner*innen damit umgehen können:
Tipps für Datende mit ADHS:
- Kommuniziere direkt und offen: Es ist durchaus sinnvoll, gleich zu Beginn das eigene Kommunikationsverhalten anzusprechen. Wenn du also z.B. nicht oft an Handy bist, sag das deinem Gegenüber auch genau so. Dann bleiben Missverständnisse eher aus.
- Setze dir Erinnerungen: Wenn dir Nachrichten schnell mal durchflutschen, plane feste Zeiten ein, um diese zu beantworten.
- Wechsel den Kommunikationskanal: Du reagierst bei WhatsApp schneller als auf Dating-Apps? Dann könnt ihr ja vielleicht einfach dort weiterschreiben.
- Gehe früh zum persönlichen Gespräch über: So vermeidest du, dass es vielleicht überhaupt dazu kommt, dass du Nachrichten vergisst zu beantworten. Und hey, vielleicht hat dein Gegenüber ja auch mehr Bock auf Telefonieren oder ein Face-to-Face-Date.
Tipps für potenzielle Matches:
- Versuche, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und bleibe aufgeschlossen: Leichter gesagt, als getan, doch viele Menschen mit ADHS teilen ihre Diagnose nicht offen im Profil mit. Heißt: Nur weil die Kommunikation vielleicht etwas schleppend läuft, muss das kein Desinteresse bedeuten. Und auch sehr direkte Kommentare, wozu ADHS-Betroffene oft neigen, sind keinesfalls böse gemeint. Versuche dich also einfach, etwas auf dein Gegenüber einzulassen.
- Frage offen nach: Wir sind generell Freundinnen von ehrlicher Kommunikation. Wenn du also merkst, dass Antworten oft ausbleiben, dann sprich dein Date einfach darauf an. So gibst du der Person die Chance, sich zu erklären, und verpasst eventuell nicht eine tolle Persönlichkeit, weil du das Match direkt auflöst.
Wenn Small Talk zum Trigger wird
Small Talk – für viele ein echter Abturner. Nur ist es gerade auf Dating-Apps natürlich ziemlich normal, dass man erstmal mit den typischen „Wie geht’s?“-, „Was machst du so in deiner Freizeit?“-Fragen um die Ecke kommt. Nur kann das bei Menschen mit ADHS schnell dazu führen, dass sie das Interesse verlieren. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie an dieser Stelle Schwierigkeiten bekommen, das Gespräch aufrechtzuerhalten, ist sogar um 38 Prozent höher als bei neurotypischen Datenden. Das liegt ganz einfach daran, weil ADHS-Betroffene tiefgründige Gespräche bevorzugen, weil sie sich bei deepen Topics ganz einfach besser konzentrieren und fokussieren können.
Auch für diese Herausforderung hat die Expertin Logan Ury ein paar Tipps parat.
Tipps für Datende mit ADHS:
- Hebe deine Interessen direkt im Profil hervor: So erleichterst du es deinem Gegenüber, direkt etwas deeper ins Gespräch einzusteigen und ziehst vielleicht auch genau die richtigen Leute dafür an.
- Überlege dir vorab interessante Fragen: Das zeigt deine Neugierde und trägt direkt zu einem guten Schreib-Flow bei.
- Verabredet euch schnell: Laut Hinge haben Untersuchungen wohl gezeigt, dass das erste Date nach drei Tagen Chatten ideal sei. In Stein gemeißelt ist hier natürlich nichts, aber ein persönliches Treffen macht es sicherlich einfacher, eine etwas authentischere, tiefere Ebene einzuschlagen, was gerade für Menschen mit ADHS in diesem Stadium wichtig ist.
Tipps für potenzielle Matches:
- Findet gemeinsame Interessen: Es ist immer gut nach Themen zu suchen, die beide Seiten begeistern, um oberflächlichen Small Talk zu vermeiden.
- Sei offen für Tiefgang: Da ADHS-Betroffene deepere Themen bevorzugen, lasse dich einfach mal darauf ein, wenn das Gespräch schneller in die Tiefe geht, als du es vielleicht gewohnt bist.
- Akzeptiere Unterschiede: Auch wenn Small Talk für dich vielleicht kein Problem ist und es am Anfang sogar irgendwie dazugehört, kann das bei anderen Menschen natürlich nicht so sein. Versuche dir also bewusst zu machen, dass dein Gegenüber eventuell neurodivergent (also zum Beispiel eine Person mit ADHS-Diagnose) sein könnte und behalte das im Hinterkopf.
Und genau dieser letzte Punkt sagt zusammenfassend schon sehr viel aus. Es ist einfach wichtig, anderen Menschen mit offenen Augen – und natürlich auch einem offenen Herzen – zu begegnen. Klar, in dieser riesigen Dating-Bubble da draußen können einem natürlich auch die allergrößten Red Flags ins Netz gehen (und dann steckt hinter unbeantworteten Nachrichten auch wirklich nur ein Ars**), doch manchmal liegen die Gründe für einen holprigen Start eben auch tiefer, wie der Hinge-Report nun sehr detailliert gezeigt hat. Und sich das bewusst zu machen, ist schon ein großer Schritt zu einem liebevolleren Umgang miteinander.
Na, findest du hier ein paar persönliche No-Gos wieder?
