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Kolumne „DU BIST VIELE"

Raus aus einer toxischen Beziehung: Ende gut, alles... besser!

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Wenn in einem Märchen alle Drachen besiegt sind, die böse Stiefmutter in die Verbannung geschleudert wurde und alle Feinde weit weg ihr Dasein fristen, dann stehen König und Königin eng umschlungen im Glanz der untergehenden Sonne und küssen sich zu unerträglich schmalziger Musik, während irgendein Banner oder Schriftzug verkündet: Ende gut, alles gut. Doch wie sieht die Realität aus?

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Das wirklich unrealistische in einem Märchen ist, dass am Ende einer Krise immer alles paletti ist. Dass es zwar anstrengend war durch eine harte Zeit zu gehen aber das nun das Paar Hand in Hand zusammen gen Zukunft schreitet. Ich kenne kein Märchen, bei dem die Königin am Ende allein in diesem Sonnenuntergang steht, sich stark lädiert das Schwert an ihrem Hosenbein abwischt, eine Sonnenbrille aufsetzt, tief durchatmet, zur nächsten anständigen Bar humpelt, angeschlagen durch den langen Kampf, und sich erst mal gepflegt einen Gin Tonic auf den Schreck bestellt, den die Vergangenheit ihr bereitete, ehe sie sich in das nächste Abenteuer stürzt. Dabei sollte es genauso aussehen. Es wäre zumindest ehrlich.

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Am Ende einer toxischen Beziehung ist man im Regelfall genau das – am Ende. Mit den Nerven, den Kräften und allzu häufig auch dem eigenen Wohlsein. Eine Trennung kostet immer Kraft. Wenn man sich dabei auch noch von einem narzisstischen Partner lösen und aus einer Gewaltbeziehung befreien muss, umso mehr. Was bleibt sind Fragen auf die es zunächst keine Antworten gibt. Narben auf der Seele die lange brauchen werden um zu heilen. Hilflosigkeit und die Angst vor einer Zukunft ohne den Menschen, den man einst für die große Liebe hielt.

„Wie soll ich nur leben ohne ihn?“

Eine der am häufigsten gestellten Fragen von Opfern häuslicher Gewalt ist immer wieder die nach einem Leben ohne den Partner. Wie soll man selbst nur leben ohne ihn? Das mag paradox klingen, ist er es schließlich auch, der das eigene Leben zur Hölle mutieren lässt. Allerding muss man verstehen lernen, was so eine Beziehung mit einem Opfer macht. Nach Jahren voller Manipulation, Desorientierung, psychischer Gewalt und Untergrabung des eigenen Selbstvertrauens und Selbstwertes sind Betroffene häufig nicht mehr in der Lage, sich selbst als eigenständige Person wahrzunehmen. „Gewalt macht Angst und Angst schafft Abhängigkeiten.“

Betroffene häuslicher Gewalt lernen sehr rasch, was sie tun und lassen müssen, um den nächsten Gewaltausbruch, die nächste Kränkung, Demütigung oder Attacke des Partners möglichst zu vermeiden. Um dies zu können, ist alles Handeln und Denken auf den Partner ausgelegt, um diesen bei Laune zu halten. Was so merkwürdig klingt, ist im Grunde nichts Anderes als ein Selbstschutzverhalten. Wären wir mit einem Löwen in einen Käfig gesperrt, so würden wir vermutlich auch alles dafür tun, dass dieser möglichst satt, müde und zufrieden ist und das nicht aus reiner Tierliebe, sondern vor allem, um unseren eigenen Po zu retten. Nicht anders ist es auch in solchen Beziehungen. Das Opfer ist so sehr damit beschäftigt, den Löwen zu bändigen, dass dies nahezu das ganze Leben bestimmt. Hört dies plötzlich auf, weil die längst ersehnte Trennung endlich erfolgte, fühlt sich ein Opfer oft erst einmal hilflos und so, als könne es ohne diesen Partner – und sei er auch noch so schlecht zu ihr – nicht bestehen, weil die Grundlage allen Handelns plötzlich entzogen ist.

Die Angst, allein zu sein, sollte niemals der Grund sein, in einer Beziehung zu leben.

Gründe, um eine Partnerschaft einzugehen, gibt es viele und wenn diese Liebe und Anziehungskraft bedeuten, dann ist es mehr als perfekt und absolut richtig so. Nicht selten jedoch spielt noch eine andere große Komponente eine tragende Rolle: Die Angst vor dem Alleinsein. Die Annahme, man müsse als Frau in einer Beziehung sein, man müsse einen Partner haben, man brauche, um komplett zu sein, einen anderen Menschen. Dieses Gefühl ist es auch, was uns nicht selten viel zu lang in Beziehungen hält, die uns nicht guttun. Weil wir nicht aufgeben wollen. Nicht diejenigen sein wollen, die sagen „es geht nicht mehr.“ Weil eine Trennung sich auch immer ein bisschen wie eine Niederlage anfühlt und weil wir von uns selbst nie behaupten wollen, nicht mindestens alles – wenn nicht noch viel mehr – gegeben zu haben. Oder weil wir tief in uns eine leise Stimme haben die sagt, dass wir erst dann zufrieden, glücklich und geliebt sind, wenn es jemanden gibt, dessen Bindung an uns unsere Wertigkeit bestätigt. Deinen Wert bestimmt niemals ein anderer Mensch.

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Die Wahrheit ist. Wir sind längst genug. Jede von uns ist bereits ein Ganzes. Vollkommen in jeder Ausprägung unserer ganz eigenen Unvollkommenheit. Unseren Wert bestimmen wir selbst. Unsere Grenzen und Bedürfnisse auch. Nicht in einer Partnerschaft zu sein, wertet uns nicht ab, schlicht, weil ein Partner uns nicht aufwertet. Das sollte auch niemals die Aufgabe eines anderen Menschen sein und unsere auch nicht. Es ist nicht die Aufgabe einer Frau, das schöne Anhängsel eines Mannes zu sein und nicht die eines Mannes, eine Frau zu einem Ganzen zu machen. Viel mehr ist ein Partner eine Ergänzung. Unterstützung. Manchmal eine Hilfe und hoffentlich immer ein Gefährte auf allen Wegen.

Es sollte ein „Gemeinsam“ geben. Ein „Wir“ in dem das Ich nicht untergeht und mit ein wenig Glück, schauen beide in die gleiche Richtung aber niemals ist eine Frau unvollständig, nur weil der Partner sagt „ohne mich bist du weniger wert.“

Singlesein muss man lernen

Es ist eine Herausforderung, mit sich selbst im Reinen zu sein und es ist oftmals so schön einfach, sich um sein Gegenüber mehr zu kümmern als um sich selbst. Allerdings lohnt es sich, mal eine Zeit lang einfach nur mit sich selbst zu leben. Um sich selbst Raum und Zeit zu schenken. Herauszufinden, was man vom eigenen Leben wirklich möchte. Um festzustellen, ob man sich mag und wenn das nicht so ist, daran zu arbeiten. Für sich. Weil der wertvollste Mensch, um den man sich jemals kümmern muss, auch man selbst ist. Morgens aufzuwachen, wenn niemand neben einem liegt oder abends nach Hause zu kommen und zu wissen, dass dort niemand wartet, klingt viel zu schnell nach Einsamkeit. Aber wenn man sich einen kurzen Moment bewusstmacht, was das bedeutet und in sich hinein hört, was das Gefühl in einem sagt, dann merkt man schnell, dass dort noch ein anderer Klang ist: Der, der Freiheit.

Wenn wir ein Stück weit allein durchs Leben gehen haben wir die Chance, uns selbst zu begegnen, zu heilen und zu Kräften zu kommen. Sich selbst für eine gewisse Zeit zur Priorität zu machen ist nichts Schlimmes, sondern manchmal nötig. Heilung braucht Zeit. Zu finden, was man wirklich möchte und sich das dann auch zu trauen, auch. Wir dürfen uns die Zeit nehmen allein zu sein um wieder zu fühlen, dass wir kraftvoll, erwachsen und mutig genug sind, das Leben auch allein zu meistern. Weil wir es können und nicht nur, weil wir es vielleicht gerade müssen.

Keine Angst vor der Zeit danach

Das Ende einer Beziehung, gerade wenn sie toxisch, sehr intensiv und gewaltvoll war, kommt einem vor wie eine Verletzung von der man nicht weiß, ob die Wunde je wieder heilen wird. Aus Erfahrung kann ich sagen: Ja, sie wird heilen. Du selbst heilst. Das braucht ein wenig Zeit und manchmal Hilfe, aber am Ende wird es nicht nur gut, am Ende wird alles besser. Wird dann irgendwann der Punkt kommen, an dem man wieder der Mensch wird, der man zuvor war? Die Antwort auf diese Frage klingt radikaler als sie ist: Nein. Nein, du wirst nie wieder der Mensch sein, der du vor der Beziehung warst und das ist eine verdammt gute Nachricht! Du hast gelernt. Du hast viel durchgemacht. Du hast viel gesehen und zu viel ausgehalten. Du kannst nicht dahin zurück, wo du herkamst und das ist auch gut so. Denn am Ende einer solchen Reise, raus aus einer toxischen Beziehung und hin zu dir selbst, bist du größer als zuvor, stärker und mutiger. Du wirst nicht die Alte, du wirst die beste Version von dir, mit ein paar Narben vielleicht aber vor allem dem Wichtigsten, was du erreichen kannst: Genug Liebe für dich selbst um deinen Wert nicht an letzte Stelle zu stellen.

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Am Ende wird alles gut... und du wirst besser. Du schaffst das. Versprochen. Denn das Märchen, dass wir Leben nennen, schreiben wir am Ende jeden Tag aufs Neue selbst.
Und das ist eine enorm gute Nachricht. Ende gut, alles... besser.

Du möchtest mehr von Nicole Jäger lesen? Hier findest du den ersten, zweiten und dritten Teil ihrer Kolumne „Du bist viele". Nicoles aktuelles Buch „Unkaputtbar" findest du jetzt im Buchhandel.

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Bildquelle: Pexels/Polina Sirotina

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