Die meisten Liebesbeziehungen halten nicht für die Ewigkeit. Irgendwann kommt es bei den meisten Paaren zu einer schmerzlichen Trennung oder einem Auseinanderleben im gegenseitigen Einverständnis. Was eine Trennung aber genau bedeutet ist von Paar zu Paar verschieden. Die einen entledigen sich aller Erinnerungen und brechen den Kontakt vollends ab, die anderen führen zwar keine romantische Beziehung mehr, bleiben aber mit dem Ex befreundet. Doch handelt es sich dabei wirklich um eine aufrichtige Freundschaft oder können Menschen, die mit ihren Ex-Partnern befreundet bleiben wollen, einfach nur nicht loslassen?
Eine neue psychologische Studie will herausgefunden haben, dass hinter diesen Freundschaften Kalkül steckt, und spricht sogar von psychopathischen und egomanischen Tendenzen. Ich habe mir die Studie einmal ganz genau angesehen und werde Dir zeigen, dass eine freundschaftliche Beziehung zum ehemaligen Partner durchaus möglich ist und sehr wertvoll sein kann.
Befreundet mit dem Ex aufgrund dunkler Persönlichkeitszüge?
Bisher gibt es wenige psychologische Studien, die sich mit Freundschaften zwischen Ex-Partnern und der Motivation beider Personen auseinandersetzen. Eine Forschungsgruppe aus den USA wollte daher herausfinden, warum manche Menschen mit ihren Verflossenen befreundet bleiben wollen und ob bestimmte psychische Veranlagungen hierfür verantwortlich sind. Dafür wurden 871 heterosexuelle Männer und Frauen befragt, die bereits mindestens eine Trennung hinter sich hatten. Diese wurden aufgefordert, ihre Gründe für die Freundschaft mit ihrem Ex in einer Rangliste anzuordnen. Am wichtigsten wurden Freundschaften zu früheren Beziehungen bewertet, die „zuverlässig, vertrauenswürdig und von sentimentalem Wert" waren – ein nicht gerade überraschendes Ergebnis. Doch die Wissenschaftler stellten auch eine Verknüpfung zwischen sogenannten dunklen Persönlichkeitsanteilen wie Egomanie und Psychopathie und dem Willen, mit dem Ex befreundet bleiben zu wollen. Bei dieser Personengruppe standen allerdings tatsächlich praktische und strategische Motive im Vordergrund, wie zum Beispiel weiterhin eine sexuelle Beziehung führen zu wollen. Die Studie beweist also nicht, dass es sich bei all denjenigen, die in einer freundschaftlichen Beziehung zu ihren Ex-Liebhabern stehen, um Psychopathen handelt, sondern vielmehr, dass es unterschiedliche Beweggründe gibt, nach einer Trennung weiterhin in Kontakt zu bleiben.
Befreundet bleiben = Nicht loslassen können?
Mit dem Ex befreundet ist in vielen Fällen kein einfaches Unterfangen. Sind zum Beispiel auf einer Seite noch romantische Liebesgefühle oder ein Beziehungswunsch vorhanden, ist eine lockere Freundschaft fast unmöglich. Nicht immer werden diese Gefühle von den jeweiligen Personen als solche erkannt und nicht selten geben sie dann vor, überhaupt kein Problem mit einer platonischen Freundschaft zu haben – allerdings nur um den so geliebten Partner nicht völlig aus dem Leben zu verlieren. Andere erleben das Schlussmachen als eine narzisstische Verletzung und halten an einer Freundschaft an, weil sie die Zurückweisung des Partners nicht akzeptieren wollen. In diesem Fall geht es bei der Freundschaftsbeziehung zum Ex darum, das eigene Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten und womöglich auch darum zu verhindern, dass der Expartner sich auf eine neue Beziehung einlässt. Wenn trotz vordergründiger Freundschaft sich einer von beiden insgeheim wünscht, dass es wieder zu einer Beziehung kommt und sich der Ex-Partner mit der Zeit verändert, ist ein Verhältnis auf Kumpelebene zum Scheitern verurteilt. Bei sehr schmerzhaften Trennungen, verletztem Stolz und ungleichen Gefühlslagen ist es also durchaus ratsamer, nicht auf eine Freundschaft mit dem Ex zu pochen.
Echte Freundschaft zum Ex: Es geht auch anders!
Wenn Du gerne eine Freundschaft zu Deinem Ex-Partner beibehalten würdest, solltest Du auf jeden Fall ganz ehrlich mit Dir selbst sein und Dich fragen, warum Du ihn nicht völlig aus Deinem Leben streichen willst. Auf keinen Fall sollte es aus einem Beziehungswunsch oder gar aus Mitleid heraus geschehen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich nicht jede ehemalige Beziehung für eine aufrichtige Freundschaft eignet. In manchen Fällen ist man besser beraten, wirklich einen Schlussstrich zu ziehen, wenn man erkennt, dass man über die Verletzungen der Trennung nicht hinweggekommen ist und durch den Kontakt nur alte Wunden aufgerissen werden.
Auf jeden Fall stehen die Chancen besser, wenn Du vor der Beziehung bereits mit Deinem Ex befreundet warst. So ist Euer neues Verhältnis keine völlig neue Erfahrung, an die Ihr Euch erst gewöhnen müsst und es ist klar, dass Euch mehr verbindet als Sexualität und romantische Gefühle. Wenn es zum Beispiel kein Problem darstellt, gemeinsam mit Deinem Exfreund und Deinem neuen Partner abzuhängen oder seine neue Freundin kennenzulernen, ist dies ein gutes Zeichen dafür, dass hinter Eurem Wunsch befreundet zu bleiben, keine versteckten taktischen Absichten stehen. Mit einem Ex befreundet bleiben zu wollen kann völlig berechtigt sein, wenn Ihr den anderen immer noch als Vertrauensperson anseht und Euch niemals vorstellen könntet, nie wieder was mit ihm zu tun zu haben. Mit einer offenen und ehrlichen Kommunikation ist es also durchaus möglich, dass eine Liebesbeziehung zwar nicht ewig hält, Ihr aber Freunde fürs Leben werdet.
Wie Du siehst, lässt sich keine allgemeingültige Aussage darüber machen, ob es ratsam ist, mit dem Ex befreundet zu bleiben oder nicht. Anstatt Dich nach Studienergebnissen zu richten, solltest Du am besten auf Eure individuellen Bedürfnisse schauen, um herauszufinden, ob eine Freundschaft möglich ist. Du solltest Dir also weder unterdrückte Gefühle um einer Freundschaft willen schön reden, noch Dir von anderen sagen lassen, dass eine Freundschaft zum Ex grundsätzlich unmöglich ist.
Bildquelle: iStock/stacey_newman, iStock/gpointstudio, iStock/Ivanko_Brnjakovic, iStock/KatarzynaBialasiewicz, iStock/jacoblund