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Warum es nervt, dass plötzlich alle die Pille absetzen

Pille

Seitdem ich 15 bin, ist die Pille mein ständiger Begleiter. Und doch ist sie mir seitdem nie wieder so ins Bewusstsein gerückt, wie im vergangenen Jahr. Denn ganz plötzlich scheinen alle Frauen um mich herum die Pille nur noch zu verteufeln. Immer mehr setzen sie ab, weil sie „selbstbestimmt leben“ und nicht mehr „chemisch gesteuert werden“ wollen. Gleichzeitig wollen sie mich als Pillen-Befürworterin missionieren. Wo bleibt da das Recht auf Selbstbestimmung?!

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Das Absetzen der Pille wird zum Massentrend

Erst dachte ich, es sei nur eine selektive Wahrnehmung, als immer mehr Artikel zum Thema „Vorteile durch das Absetzen der Pille“ in den sozialen Medien aufgetaucht sind. Doch dann kam die Diskussion auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis auf. Nachdem wirklich alle meine Freundinnen die Pille über Jahre genommen hatten, lehnten sie viele von jetzt auf gleich komplett ab. Auch sie hatten die plötzlich überall auftauchenden Artikel über die möglichen Nebenwirkungen der Pille und die vielen Vorteile des Absetzens gelesen. Grundsätzlich auch völlig okay, schließlich sollte jede Frau selbst abwägen und entscheiden, ob sie die Pille nehmen will oder nicht. Allerdings handelte es sich bei diesen Artikeln vor allem um Skandalberichte, in denen aus subjektiver Sicht erklärt wird, wieso das hormonelle Verhütungsmittel grundsätzlich schlecht sei. Dabei sollte die Entscheidung, die Pille zu nehmen oder eben nicht, doch ganz individuell getroffen werden. 

Pille nach 11 Jahren abgesetzt: Meine Erfahrungen

Pille nach 11 Jahren abgesetzt: Meine Erfahrungen
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Statt Frauen also durch die Beleuchtung beider Seiten ein besseres Gefühl bei der Wahl ihrer Verhütungsmittel zu geben, wird durch die Medien in meinen Augen schlichtweg Panik geschürt. Das Ergebnis: Das Absetzen der Pille wird zu einer Art Massentrend. Während es weiter Frauen gibt, die die Pille wirklich aus eigener Überzeugung absetzen, habe ich das Gefühl, dass in meinem Dunstkreis auch viele dabei sind, die dies „nur“ aus der Panik heraus tun. Gleichzeitig scheint es besonders diesen Frauen wichtig zu sein, andere von ihrer Meinung zu überzeugen. Und genau das nervt mich.

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Panikmache statt individuelle Aufklärung

So kommt es nämlich dazu, dass mich Freundinnen, als sie erfahren, dass ich die Pille immer noch nehme, völlig entsetzt fragen: „Du weißt aber schon, welche Nebenwirkungen die Pille mit sich bringt, oder?“ Tatsächlich haben sie in manchen Punkten auch absolut recht. Die Mikropille, die ich seit 10 Jahren regelmäßig zu mir nehme, stellt einen Eingriff in meinen Hormonhaushalt dar. Schließlich wird durch die Einnahme verhindert, dass eine Eizelle im Eierstock heranreift und es zu einem Eisprung kommt. Und ja, es ist mir durchaus bewusst, dass das Medikament auch potenzielle Risiken wie die erhöhte Gefahr einer Thrombose mit sich bringt. Die Betonung liegt für mich aber ganz klar auf dem Wort potenziell.

Denn, wenn wir mal beim Thema Thrombose bleiben, so darf man nicht alle Pillen über einen Kamm scheren. Schließlich kommt es nicht nur auf die Zusammensetzung der Wirkstoffe an, sondern auch auf Vorerkrankungen oder, ob ich zu einer Risikogruppe zähle. All das sollte also erst mal individuell mit einem Gynäkologen abgeklärt werden, bevor vorschnell geurteilt wird. Genau das habe ich vor mehr als zehn Jahren gemacht und fahre seither gut mit der Entscheidung. Ich kann bisher weder über den Verlust meiner Libido klagen, noch habe ich irgendwelche körperlichen Beschwerden. Dazu kommt, dass mir die Pille nicht nur einen sicheren Empfängnisschutz bietet, sondern praktischerweise auch für einen regelmäßigen Zyklus sorgt. 

Pille absetzen für einen Was-wäre-wenn-Zustand?

Doch es scheinen nicht nur die Nebenwirkungen im Beipackzettel zu sein, die manche Frauen dazu ermutigen, Pillen-Befürworterinnen wie mich, belehren zu wollen. Immer wieder betonen sie, wie toll es sei, sich ohne Hormone „endlich wieder selbst zu spüren“, den Eisprung aktiv mitzubekommen und nicht mehr unter eine Art Glocke zu leben – auch, wenn sie dafür einen unregelmäßigen Zyklus, Akne und starke Regelschmerzen in Kauf nehmen (für mich eher unattraktive Argumente). Gleichzeitig ziehen sie meine Entscheidung, die Pille weiter zu nehmen, mit Aussagen wie „Willst du nicht wissen, wie dein Körper ohne chemische Steuerung funktioniert?“ und „Woher willst du wissen, dass es dir mit Pille gutgeht? Vielleicht hast du dich auch einfach zu sehr an sie gewöhnt“, ins Lächerliche. Das finde ich als 26-jährige Frau nicht nur ziemlich unverschämt, ich frage mich auch, ob es neben der eigenen Panik auch andere Gründe für diese Stimmungsmache gibt.

Es scheint, als würden mir diese Pillenabsetzerinnen einfach nicht gönnen, dass es nun mal Frauen wie mich gibt, die mit dieser sehr unkomplizierten Verhütungsmethode gut zurechtkommen. Denn ich fühle mich nicht wie unter einer Glocke. Ich fühle mich wohl in meinem Körper. Wieso sollte ich meinen gegenwärtigen Zustand, mein persönliches Wohlbefinden, also ändern, nur um ein hypothetisches Konstrukt aus Was-wäre-wenns zu erleben? Und wenn wir schon bei Was-wäre-wenns sind. Angenommen, ich setzte die Pille ab, was den Hormonhaushalt übrigens auch oft mehrere Monate aus der Bahn bringt, und stelle dann fest, dass es mir mit Pille aber doch besser ging? Dieses Risiko will ich aktuell einfach nicht eingehen. Vor allem nicht, um einem, durch die sozialen Netzwerke und Medien angefeuerten Trend nachzueifern. 

Welche Verhütung passt zu dir?

Alannah Benfer

Selbstbestimmung ist auch, die Pille nicht abzusetzen

Für mich zeigt die Debatte ganz klar: Es ist Zeit, endlich umzudenken und Selbstbestimmung neu zu definieren. Während es in den 60ern Selbstbestimmung war, die Pille zu nehmen, scheint es für viele heute genau das Gegenteil zu sein. Das ist auch in Ordnung. Denn, natürlich sollten Frauen, die sich mit der Pille nicht wohlfühlen, diese absetzen und auf eine andere Verhütungsmethode umsteigen. Gleichzeitig sollten Frauen, die mit ihr gut zurecht kommen, sie aber auch weiter nehmen können – und zwar ohne abgestempelt zu werden. Deswegen liegt es vor allem in der Verantwortung der Ärzte, die Pille nicht als Smarties an junge Patientinnen zu verteilen, die Pickel verschwinden lassen, sondern intensiv über die Vor- und Nachteile zu informieren. Denn auf den eigenen Körper zu hören, sollte nicht bedeuten, hormonelle Verhütung grundsätzlich als schädlich und falsch anzusehen. Jede Frau muss für sich selbst bestimmen können, was gut für sie und ihren Körper ist. Das ist Selbstbestimmung.

Alannah Benfer

Bildquelle: Wavebreakmedia/iStock