Dr. med Desiree Struck ist Gynäkologin und Autorin eines neuen Ratgebers über natürliche, hormonfreie Verhütung*. Von ihren Patientinnen erfährt sie häufig, dass sich ihre männlichen Partner bei der Verhütung aus der Verantwortung stehlen. Im Interview erklärt sie, warum wir nicht schon längst die Pille für den Mann bekommen können und es Aufklärungsbedarf beim Thema Kondome gibt.
Sie schreiben in Ihrem Ratgeber „Natürlich verhüten“* ganz ehrlich, dass es keine perfekte Verhütungsmethode gibt, und man selbst wissen muss, ob Sicherheit, Bequemlichkeit oder „Natürlichkeit“ Priorität haben. Wäre es aus medizinischer Sicht nicht einfacher, wenn man eine verlässliche Verhütungsmethode für Männer finden würde?
Ich zitiere mal Prof. Nieschlag, ein renommierter Androloge. Der hat vor 5 Jahren zum Kongress „50 Jahre Pille“ in Hamburg gesagt: ‚Die Pille für den Mann ist eigentlich von der Forschung produktionsreif, es findet sich aber keine Pharma-Firma, die darin investieren will.‘ Wenn man sich die Studien anschaut, sieht man, wie schnell diese teilweise abgebrochen wurden, weil ein Zehntel der Männer bei einem überhaupt nicht großen Studienkollektiv über Bauchgrummeln, Libidostörungen oder depressive Verstimmungen klagten. Da denke ich mir: ‚Mein Gott, und die Frauen müssen das jeden Tag in sich reinstopfen?‘
Die „Pille für den Mann“ wäre momentan aber keine Pille, sondern Testosteron-Abkömmling, das die eigene Hormonproduktion bremst. Zusätzlich ist ein sogenanntes Adback nötig: Damit der männliche Geschlechtshormonanteil nicht zu stark fällt, gibt man den Männern noch etwas zusätzlich, damit sie keinen Libidomangel bekommen. Das Konzept ist fast marktreif, es findet sich aber keine Pharma-Firma. Es gab auch einige Versuche für temporäre Sterilisation bei Männern, die sich also rückgängig machen lassen. Da weiß ich im Moment nicht, wie weit die Forschung ist. Vor allem Länder wie Indien und China sind aktiv in der Entwicklung, weil dort ein Problem mit Überbevölkerung besteht.
Bei uns sieht es bis auf Kondome und die Sterilisation für die Männer düster aus, was sehr schade ist.
Viele Männer stellen sich aber auch bei Kondomen quer. Oftmals kennen sie auch nur die gängigen Drogeriemarken und haben noch nicht das richtige Kondom für ihre Penisgröße gefunden. Müssen Männer sich mehr mit Kondomen auseinandersetzen?
Auf jeden Fall. Was mich immer wundert, ist, dass das im Vergleich zu meinen schwulen Kumpels nicht so ist. Die sagen, dass sie viel rumprobieren, bis sie die richtige Größe und das richtige Modell finden. Es gibt ja mittlerweile Kondome wie Mysize* oder auch andere Marken, die verschiedene Größen anbieten. Darüber hinaus kann man sich schlaumachen, wie man die Fehlerquote bei Kondomen klein hält. In der schwulen Community ist das aufgrund der Angst vor Aids und Hepatitis ausgeprägter. Da gibt es ein ganz anderes Bewusstsein für Geschlechtskrankheiten. Das fehlt bei einigen jungen Leuten. Die Jungs bekomme ich zwar als Gynäkologin nicht so mit, aber ich werde immer richtig sauer, wenn ich von meinen Patientinnen höre: ‚Mein Mann weigert sich, Kondome zu benutzen.‘
Mir fällt gerade ein ehemaliger Kollege ein: Wir hatten damals zusammen im Krankenhaus Dienst. Damals war die „Pille danach“ noch nicht über die Apotheken erhältlich, sondern es ging am Wochenende in die Krankenhaus-Ambulanz. Da kannte man seine Pappenheimer, die da Samstags oder Sonntags mit roten Ohren saßen. Oft Pärchen, die etwas davon nuschelten, von wegen ‚Kondom abgerutscht, Pille danach bitte‘. Die Hälfte der Leute sagte, dass das Kondom abgerutscht oder geplatzt sei. Wenn man aber genau nachfragte, stellte sich immer heraus: Die waren zu besoffen, oder haben einfach keins benutzt. Wenn mein Kollege mitkriegte, dass das Kondom gar nicht benutzt worden war, holte er den Besenstiel und ein Ultraschall-Kondom heraus, reichte es dem Mann und sagte: ‚So, junger Mann, jetzt zeigen sie mir mal, dass sie das Abrollen beherrschen. Sie kommen hier nicht raus und kriegen kein Rezept für ihre Freundin, wenn das nicht klappt!‘
Das sollte als Mann selbstverständlich sein. Man ist für seine Sexualität verantwortlich und für seine Partnerin. Natürlich ist das Gefühl anders. Aber am Anfang einer Beziehung muss es sein und irgendwann muss man über Verhütung verhandeln.
Dr. med. Dorothee Struck
Die Verantwortung liegt auch bei der natürlichen Verhütung (NFP) bei der Frau. Was können Männer tun, um ihre Partnerinnen dabei zu unterstützen?
Kommunikation ist ganz wichtig und der Mann muss akzeptieren, dass es bestimmte Phasen gibt, in denen die Frau fruchtbar ist. Hier müssen beide entscheiden: Wollen wir abstinent sein? Das erhöht die Sicherheit deutlich. Hat man stattdessen in dieser Zeit Sex mit Kondom oder Diaphragma, vermindert sich die Sicherheit. Wem es gerade total wichtig ist, auf keinen Fall schwanger zu werden, kann auch beides kombinieren. Doppelt hält sicher!
Männer müssen sich an der Diskussion beteiligen und Verhütung ernst nehmen und nicht einfach nur sagen: Ist ihr Körper, sie wird ja schwanger.
Vielen Dank für das interessante Interview, Frau Dr. Struck!
Hast du auch schon die Erfahrung gemacht, dass Männer sich beim Thema Verhütung aus der Verantwortung stehlen? Teile deine Erfahrungen mit uns in den Kommentaren!
Bildquelle: Daniela Vagt