Das Kamasutra ist ein indisches Lehrbuch über Liebe und Erotik. Es wird meist auf die darin beschriebenen Sexstellungen reduziert, enthält darüber hinaus jedoch auch tiefgründige Auseinandersetzungen über Partnerschaft und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern.
Was ist das Kamasutra? Begriffsdefinition & Herkunft
Das Kamasutra ist eine schriftliche erotische Lehre über die Liebe und beschreibt, wie Mann und Frau die sexuelle Erfüllung finden können. Es entstand vermutlich zwischen 200 und 300 n. Chr. Sein Verfasser war der Gelehrte Vatsyayana Mallanga, woher auch der ursprüngliche Name „Vatsyayana Kamasutra“ des Werks stammt. Er sammelte teilweise Erkenntnisse und Anweisungen aus älteren Schriften anderer Autoren und verwies auch auf diese. Zum Begriff: Das sanskritische Wort Kāmasūtra bedeutet übersetzt so viel wie „Verse des Verlangens“ und setzt sich aus zwei Begriffen zusammen:
- Kāma ist eines von drei Lebenszielen im Hinduismus und steht für die Erfüllung des sinnlichen Verlangens.
- Sūtra bezeichnet die Textform, in der indische Lehrschriften verfasst wurden.
Die Tatsache, dass Kāma zu den Lebenszielen eines Hindus gehört, zeigt, welche hohe Bedeutung Erotik und Sinnlichkeit in dieser Religion beigemessen wird. Daneben steht Dharma für die Religion als Grundlage für die Bereiche der Gesellschaft und des Lebens und Artha für Besitz und Wohlstand. Diese drei Ziele sind gleichbedeutend, keines von ihnen hat Priorität.
Ursprünglich war das Kamasutra an junge, wohlhabende Männer adressiert, die darin Ratschläge für die Verführung und Befriedigung der Frau finden sollten:
Eine Frau, der man sich zur rechten Zeit am rechten Ort annähert, wird sich ihrem Liebhaber nicht versagen.
Aufbau & Inhalt
Die meisten Menschen reduzieren das Kamasutra auf die hohe darin dargestellte Anzahl an Positionen im Liebesakt. Dabei ist das Werk nicht nur eine simple „Anleitung“ für ein abwechslungsreiches Sexleben. Es enthält verschiedene Lehren über gesellschaftliche Aspekte, die Liebe im Alltag, das Eheleben, das Zusammenleben und die Gleichberechtigung von Liebhabern. Insgesamt besteht das Kamasutra aus sieben Büchern und 36 Kapiteln. Darin sind 1.250 Sutren (Verse) enthalten.
- Buch: Sadharana – Allgemeiner Teil
Es besteht aus fünf Kapiteln und beschreibt den Buchaufbau und die Lebensziele. - Buch: Samprayogika – Über den Liebesgenuss
Es besteht aus zehn Kapiteln und behandelt verschiedene Sexpraktiken: Vom Küssen über Bisse und Schläge bis hin zum Oral- und Geschlechtsverkehr. Zudem geht es um Sexstellungen. - Buch: Kanyasamprayuktata – Über den Verkehr mit Mädchen
Es besteht aus fünf Kapiteln und behandelt den Umgang mit Frauen: vom Umwerben bis zur Hochzeit. - Buch: Bharyadhikarika – Über die verheirateten Frauen
Es besteht aus zwei Kapiteln und befasst sich mit dem Verhalten von Frauen in verschiedenen Eheformen (z. B. in der Polygamie oder mit wiederverheirateten Witwen). - Buch: Paradika – Über die fremden Frauen
Es besteht aus sechs Kapiteln und behandelt den Umgang mit den Frauen anderer Männer. - Buch: Vaisika – Über die Hetären
Es besteht ebenfalls aus sechs Kapiteln und enthält Ratschläge für den Umgang eines Freiers mit Hetären (Prostituierte im Altertum). - Buch: Geheimlehre – Die Upanisad
Es besteht aus zwei Kapiteln und behandelt spezielle Praktiken, mit denen man die Leidenschaft wiedererweckt und Möglichkeiten der Stimulation.
Spirituelle Aspekte im Kamasutra
Wie im Hinduismus üblich, geht es im Kamasutra nicht nur um praktische Anweisungen, sondern auch um das spirituelle Erfahren. Das Werk basiert auf der tantrischen Lehre und deren Sexualpraktiken und befasst sich vor allem mit der Sinnlichkeit und dem Miteinanderverfließen der Partner. Dafür ist absolutes Vertrauen zueinander nötig, da beide nur so in der Lage sind, sich vollends fallen zu lassen und hinzugeben. Eine entspannte Atmosphäre und eine stimulierende Umgebung können dabei für die richtige Stimmung sorgen und die sexuelle Lust steigern.
Sex wird nach dem Kamasutra nicht einfach nur praktiziert, sondern soll bis zur Erfüllung ausgedehnt werden. Das Ziel ist es, das Bewusstsein und die Sinne zu erweitern, sich geistig zu öffnen und nicht einfach nur die verschiedenen Stellungen nachzuahmen. Nur auf diese Weise können beide Partner das Kamasutra vollends nacherleben.
Die Kamasutra-Stellungen
Im Kamasutra finden sich mehrere hundert poetisch beschriebene und nummerierte Sexstellungen. Um höhere Verkaufserfolge zu erzielen, fügten die Verlage den Ausgaben mit der Zeit immer mehr Bildmaterial hinzu: Auf diese Weise gewannen die genauen Darstellungen der Positionen zunehmend an Bedeutung. Heute sind sie das, was die meisten Menschen mit dem Kamasutra assoziieren: pornografische-akrobatische und teils lächerliche Positionen, die im wahren Leben mitunter nur schwer zu bewältigen sind. So muss man tatsächlich für einige der Stellungen körperlich fit und gelenkig sein, auch an Körperspannung und Muskelkraft sollte es den Partnern oft nicht fehlen. Zudem sind Parallelen zu verschiedenen Yoga-Positionen zu erkennen. Dennoch gibt es auch zahlreiche Stellungen, die viele Paare bereits ausprobiert haben, unwissentlich, dass sie zum Kamasutra gehören.
Beispiele für Stellungen
Viele der Kamasutra-Stellungen sind von der Natur, der Mythologie oder Gebrauchsgegenständen inspiriert und tragen dementsprechende Namen, die manche als recht amüsant empfinden. Beispiele sind:
- Der Elefant
- Die Rossantilope
- Der Affe
- Die Kuhstellung
- Der Schmetterling
- Die Lotusstellung
- Die Schnecke
- Der bestürzte Engel
- Die Sphinx
- Der Klammergriff
- Die Kerze
- Die Schubkarre
- Die Hingabe
- Die Amazone
- Die Tarantel
- Die stolze Königin
- Die Schildkröte
Kulturelle Bedeutung bis heute
Es hat mehr als 15 Jahrhunderte gedauert, bis das Kamasutra vom indischen Kulturraum vollständig in unseren vorgedrungen ist. Erst 1897 erfolgte die erste Übersetzung ins Deutsche. Davor war das Buch über die Jahrhunderte hinweg international als Skandalliteratur, anstößig und pornografisch angesehen worden, heute haben viele Menschen eine Ausgabe im Bücherregal stehen. Somit gilt das Kamasutra mittlerweile als ein Standardwerk und Teil der Weltliteratur, da es ein Vorläufer aller Erotikratgeber ist. Bereits zu seiner Zeit behandelte es Themen wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau moralisch nicht wertend und Aspekte der Sexualität so offen, wie wir es nur aus der Moderne kennen. Ursprünglich waren zudem Praktiken für Homosexuelle enthalten, diese wurden jedoch zunächst bei der ersten englischen Übersetzung 1883 nicht übernommen.
So zeigt sich, dass das Kamasutra nach wie vor nicht an Bedeutung verloren hat und auch in der Gegenwart als eine Art Handbuch und Ratgeber für die Partnerschaft fungiert. Viele Paare nutzen es, um sich Inspirationen zu holen, ihre Fantasie anzuregen und ihr Liebesleben aufzufrischen. Das Kamasutra lehrt sie zugleich, wie Abwechslung, Spaß und Leichtigkeit dazu führen können, dass sich Mann und Frau letztendlich gegenseitig Lust und Erfüllung schenken.
Auch Sextoys können für mehr Spaß im Bett sorgen:
Quellen
Onmeda.de
Speaking Tree: Kama Sutra: Less about sex, more about spirituality!
„Kamasutra“, deutsche Übersetzung 2004 von Robin Cackett