Shibari, die japanische Kunst des Fesselns, gewinnt immer mehr Fans in der westlichen Welt. Bei Shibari werden Ästhetik und Erotik vereint und die Beziehung zu sich selbst und zwischen den Partner*innen gestärkt. Warum Fesseln und Freiheit bei Shibari so nah beieinanderliegen und wie viele Ebenen die Kunstform noch berührt, erfährst du hier.
Sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung sind ein hohes Gut und bei Weitem nicht selbstverständlich. Auch, wenn wir noch viel Arbeit vor uns haben, ist seit einigen Jahren ein Wandel erkennbar. Sexuelle Fantasien, Wünsche und Fetische werden mehr und mehr enttabuisiert und akzeptiert. Filme, Serien und Bücher wie 50 Shades of Grey sei Dank, scheint die Gesellschaft mittlerweile sehr viel aufgeschlossener zu sein. Denn: Jeder Fetisch ist okay – solange alle einverstanden sind und niemand zu Schaden kommt oder zu etwas gezwungen wird.
Was ist Shibari?
So schwappt auch eine Fessel-Praktik aus Japan, die ihre Ursprünge in den 1950er-Jahren hat, in die heimischen Schlafzimmer über: Shibari. Auch als Kinbaku oder Japan Bondage bekannt, ist Shibari eine erotische Kunst des Fesselns. Shibari heißt einfach übersetzt: „fesseln“ oder „binden“, gemeint ist aber die traditionell japanische Art, dies zu tun. Bei Shibari geht es jedoch nicht nur um das bloße Fesseln und Gefallen daran, eine Person zu bestrafen, wie es bei BDSM häufig der Fall ist. Es ist eine Kunstform, die sich unter anderem auf die Ästhetik und Schönheit von Linien und Formen konzentriert.
Durch gezieltes Binden und Knoten von Seilen entstehen Muster und Strukturen am Körper, die von Shibari-Praktizierenden zugleich ästhetisch ansprechend und erotisch interpretiert werden. Auch wie und wo eine Person gefesselt wird, ist Teil der Shibari-Ästhetik. Trotz der teils stundenlangen Bewegungseinschränkung beschreiben Praktizierende Shibari als befreiend, was ebenfalls den Reiz und die Lust an der bestimmten Fesseltechnik ausmacht. Außerdem kann durch die Enge tatsächlich das angenehme Gefühl der Geborgenheit entstehen.
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Wie Shibari Vertrauen und Selbstbewusstsein stärkt
Doch Shibari geht noch viel weiter. Es ist eine Praktik, die auf großem Vertrauen und Kommunikation zwischen den Partner*innen basiert. Es kann eine Möglichkeit sein, eine tiefere Verbindung aufzubauen und das Urvertrauen und die (sexuelle) Intimität zu stärken. Die Person, die gefesselt wird, übergibt dem Fesselpartner eine gewisse Kontrolle und Verantwortung. Durch das Einlassen auf Shibari können Menschen ihre Grenzen kennenlernen und ausweiten. Auch beschreiben Shibari-Fans, dass sie lernen, sich in ihrer Sexualität zu behaupten und selbstbewusst aufzutreten. Das kann sehr befreiend für Frauen sein, insbesondere in einer Welt, in der sie oft noch immer als Objekte betrachtet werden.
Die Kunst des Shibari hat auch eine tiefer gehende symbolische Bedeutung, die auf die japanische Kultur zurückgeht. Die Knoten und Schleifen, die bei Shibari verwendet werden, symbolisieren oft den Weg des Lebens und die Verbindung zwischen Himmel und Erde.
Shibari: Steht Sex im Fokus?
Um Sex oder sexuelle Praktiken soll es beim Shibari nicht vorrangig gehen. Shibari-Bondage hat viele Ebenen, die jeder und jede Praktizierende für sich selbst erkennt und beschreibt. Von gewollter Wehrlosigkeit, aber auch Macht über Wertschätzung, Achtsamkeit, Verantwortung oder dem Austesten der eigenen (Schmerz-)Grenzen ist Shibari eine zutiefst intime und emotionale Praktik, die nicht bloß auf Sex aus ist.
Wie wird Shibari angewendet?
Eine wesentliche Rolle spielt beim künstlerischen Aspekt das Arrangieren des gefesselten Körpers in ästhetisch ansprechenden und unterschiedlichen Formen und Posen. Der aktive Part (die fesselnde Person) wird häufig Rigger genannt, der passive Part (die gefesselte Person) (Rope-)Bunny oder neutraler Model. Während des Fesselns ist es elementar, auf die Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin zu achten und sicherzustellen, dass er oder sie sich bequem und sicher fühlt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Shibari ist, dass es eigentlich keine strikten Regeln gibt. Jeder kann seine eigenen Bindetechniken und Muster kreieren und ausprobieren. Einige erfahrene (!) Fesselkünstler*innen gehen dabei teilweise so weit, dass sie ihre Shibari-Partner*in so gekonnt verschnüren, dass diese absolut bewegungsunfähig ist. Für das Fesseln werden vor allem Naturfaserseile wie Baumwolle oder Hanf verwendet, damit es nicht zu Verletzungen kommt. Auch fettige Creme oder Öle, wie Jojobaöl, sollen das Fesseln angenehmer gestalten und kommen oft zum Einsatz. Ob hängend an einem Bambusgestell, im Bett oder auf einem Stuhl: Der Ort des Geschehens ist frei wählbar und basiert voll und ganz auf den Vorlieben der Ausübenden.
Shibari Anleitung: Am besten vom Profi lernen
Allgemein kann man sagen, dass jede*r Shibari-Bondage lernen kann. Eine genaue Shibari Anleitung findest du beispielsweise in diesem Video. Ansonsten ist die japanische Fesselkunst eher ausprobieren, sanftes Grenzen austesten, learning by doing – aber am besten von Profis bzw. erfahrenen Menschen, denn die Sicherheit sollte immer Priorität Nummer 1 sein. Wer sich für das Wissen von Profis interessiert, kann beispielsweise an Workshops teilnehmen oder Messen besuchen. Auch etliche Ratgeber in Form von Büchern oder Blogs findet man rund um die japanische Fesselkunst.
Eine Shibari Anleitung und Einführung bietet zum Beispiel dieses Buch:
Shibari für Anfänger: Sicherheit und Vertrauen stehen im Fokus
Doch Shibari ist natürlich nicht für jede oder jeden geeignet. Es erfordert eine gewisse körperliche und geistige Flexibilität, und es kann auch schlichtweg unangenehm sein, wenn man länger gefesselt ist. Es ist wichtig, sich langsam und behutsam an die Praktik heranzutasten und nur mit einem vertrauenswürdigen Partner oder Partnerin zu üben. Insgesamt bietet Shibari jedoch eine einzigartige Möglichkeit, seine Bedürfnisse und Vorlieben zu erforschen und zu erweitern. Es geht nicht zwangsläufig darum, sich unterzuordnen, sondern darum, die eigene Macht und Kontrolle zu behalten und auszubauen. Wenn du neugierig bist, solltest du es – zu Beginn sachte – ausprobieren. Aber bitte nur mit einer Person, der du voll und ganz vertraust!
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