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Intersexualität: Was bedeutet Zwischenge­schlechtlichkeit?

Intersexualität

Mädchen oder Junge? Diese Frage kann nicht immer klar beantwortet werden. Denn es ist gar nicht so selten, dass kein eindeutiges Geschlecht im Mutterleib ausgeprägt wird. Dann ist die Rede von Intersexualität. Als intersexuell werden alle Menschen bezeichnet, die sich aufgrund ihrer Anatomie, Genetik oder Hormone nicht eindeutig als weiblich oder männlich klassifizieren lassen. Wie es zur Intersexualität kommt, welche Behandlungen es gibt, mit welchen Vorurteilen intersexuelle Menschen konfrontiert sind und wie die Politik darauf reagiert, erfährst du hier.

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Intersexualität: Definition

Der Begriff Intersexualität setzt sich zusammen aus der lateinischen Vorsilbe inter- (= „zwischen“) und dem lateinischen Wort sexus (= „Geschlecht“) und bedeutet übersetzt Zwischengeschlechtlichkeit. Gemeint sind damit biologische Besonderheiten hinsichtlich der klaren Zugehörigkeit zu einem Geschlecht. Sprich: Intersexuelle können nicht eindeutig als männlich oder weiblich bestimmt werden.

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Als weiteren Begriff findet man häufig noch „Disorders of sex development“ (DSD), was übersetzt so viel wie Störung der Geschlechtsentwicklung bedeutet. Diese Bezeichnung wird aber von Intersexuellen klar abgelehnt und als diskriminierend empfunden.

Hermaphroditismus verus Pseudohermaphroditismus

Wer sich noch nicht detailliert mit der Intersexualität beschäftigt hat, hat oft die Vorstellung, dass intergeschlechtliche Menschen zwangsläufig sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane haben, die voll ausgebildet sind. Dass Intersexuelle allerdings Hoden und Eierstöcke gleichzeitig besitzen, ist äußerst selten und wird unter dem Begriff „Hermaphroditismus verus“ bezeichnet.

Häufiger tritt der sogenannte Pseudohermaphroditismus auf. Dieser beschreibt den Zustand, wenn ein Mensch optisch dem anderen Geschlecht gleicht. Also beispielsweise biologisch als weiblich eingeordnet wird, aber äußerlich wie ein Mann wirkt.

Unterschied zur Androgynie

Menschen mit einem androgynen Aussehen vereinen weibliche und männliche Erscheinungsmerkmale miteinander, sodass sie optisch nicht klar einem Geschlecht zugeordnet werden können. Dabei handelt es sich meist nicht um die biologischen Geschlechtsmerkmale von Frauen und Männern, sondern optische Faktoren wie Kleidung, Frisur und Verhalten. Stars wie David Bowie, Tilda Swinton oder Boy George experimentierten im Laufe ihrer Karrieren mit androgynen Looks.

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Nicht zu Verwechseln mit Transsexualität

Oft werden Intersexuelle mit Transsexuellen oder Transgendern verwechselt. Transsexuelle können aber, im Gegensatz zu Intersexuellen, rein von ihrer Anatomie her, einem Geschlecht konkret zugeordnet werden, wünschen sich aber, als Angehöriger des anderen Geschlechts zu leben und akzeptiert zu werden.

Menschen, die sich als Transgender identifizieren, fühlen sich durch das bei der Geburt bestimmte biologische Geschlecht, entweder falsch oder nicht ausreichend beschrieben. Einige lehnen die eindeutige Geschlechtereinordnung sogar komplett ab. Intersexuelle können durchaus auch Transgender sein, deshalb findet man auch einige Organisationen, mit einer intensiven Zusammenarbeit beider.

Intersexualität in der Geschichte

Die Existenz von Intersexuellen ist bereits seit der Antike bekannt und wurde auch auf verschiedene Arten dokumentiert. In der griechischen Mythologie wird die Figur Hermaphroditos erwähnt, welche der Sohn von Aphrodite und Hermes ist, und sowohl männliche als auch weibliche Merkmale besitzt. Von ihm leitet sich auch die veraltete Bezeichnung Hermaphrodit für Intersexuelle ab. Im alten römischen Recht war ebenfalls von drei Geschlechtern die Rede. Um zu entscheiden, ob die Person rechtlich wie eine Frau oder ein Mann behandelt werden sollte, wurde danach gegangen, welche Geschlechtsmerkmale überwogen.

Der Begriff Intersexualität wurde 1915 erstmalig von dem Genetiker Richard Goldschmidt benutzt. In den 1920er und 30er Jahren gab es bereits erste geschlechtsangleichende Operationen.

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Intersexualität in Deutschland

Am 8. November 2017 hat das Bundesverfassungsgericht ein historisches Urteil gefällt: Neben „Mann“ und „Frau“ muss es in Zukunft eine weitere Option geben, um die Geschlechtsidentität im Personenstandsregister anzugeben. Geklagt hatte die intersexuelle Person Vanja, die unter anderem von der Kampagne „die dritte Option“ unterstützt wurde und in vorherigen Instanzen bereits vermehrt gescheitert war.

Der Aufforderung kam der Bundestag nach und beschloss Ende 2018 ein Gesetz, dank dem es seither auch die Kategorie „divers“ im Geburtenregister gibt. Seit dem 22.12.2018 können sich also Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung – Intersexuelle – neben den drei ursprünglichen Varianten „männlich“, „weiblich“ und „ohne Angabe“ zusätzlich ihr Geschlecht als „divers“ im Geburtenregister beurkunden lassen.

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Im selben Zuge wurde zudem ein Verfahren eingeführt, mit dem „Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“ ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag rechtlich ändern können. Der Bundesgerichthof hat im April 2020 allerdings entschieden, dass die Beantragung eines neuen Geschlechtseintrags auf Personen beschränkt ist, die körperlich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sind. Dies wurde von manchen Instanzgerichten bisher anders beurteilt. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu steht allerdings noch aus:

Kritik von trans Personen

Die Regelung ist streng begrenzt, denn die Kategorie „divers“ steht nur inter Personen offen und ist an körperliche Bedingungen geknüpft. Erforderlich ist ein ärztliches Attest und nur in Ausnahmefällen reicht eine eidesstaatliche Versicherung. Dadurch werden weitere Personengruppen, wie zum Beispiel trans Personen von dem Gesetz ausgeschlossen.

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Von Seiten der queeren Community gibt es deshalb seit Einführung des Gesetzes viel Kritik, denn für sie gelte weiterhin das Transsexuellengesetz. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte bemängelt unter anderem die Unklarheit darüber, wer das Verfahren der „dritten Option“ nutzen darf und ob eine ärztliche Bescheinigung dafür notwendig ist.

Die Gesellschaft hat deshalb gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, dem Bundesverband Trans und dem Lesben- und Schwulenverband Deutschlands im Jahr 2020 eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Ursachen und Behandlung

Ursachen

Die Ursachen für Intersexualität können sehr vielseitig sein, da es auch viele unterschiedliche Variationen gibt. Oft sind vereinzelte Genmutationen der Auslöser, aber auch eine atypische Anzahl von Geschlechtschromosomen oder Hormonstörungen sind mögliche Einflussfaktoren.

Im Zusammenhang mit Intersexualität gibt es eine Vielzahl von Syndromen, welche die verschiedenen Formen beschreiben und erklären sollen. Die häufigsten sind CAIS, PAIS, das Swyer Syndrom, die gemischte Gonadendysgenesie und der 5-Alpha-Reductase-Mangel.

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  • CAIS (Complete Androgen Insensitivity Syndrom – Komplette Androgen-Resistenz):
    Bei Intersexuellen, bei denen das CAI-Syndrom diagnostiziert wurde, wurden zunächst im Embryonalstadium Hoden ausgebildet, die ganz normal Androgene (bspw. Testosteron) ausschütten. Jedoch können die Körperzellen die Hormone nicht korrekt verwerten, da der zuständige Rezeptor nicht reagiert. Daraus resultiert eine weibliche äußere Erscheinung, obwohl die inneren Geschlechtsorgane männlich angelegt sind. Betroffene können eine verkürzte Vagina haben und menstruieren nicht, da Uterus und Eierstöcke fehlen.
  • PAIS (Partial Androgen Insensitivity Syndrom – Partielle Androgenresistenz):
    Bei der partiellen Androgenresistenz ist der Rezeptor in seiner Funktion nur teilweise beeinträchtigt. Das bedeutet, dass das äußere Erscheinungsbild der Betroffenen leicht bis stark vermännlicht sein kann.
  • Das Swyer Syndrom: Bei Betroffenen des Swyer Syndroms ist das auf dem Y-Chromosom liegende SRY-Gen, welches unter anderem für die Bildung der Hoden zuständig ist, nicht intakt. Wer unter diesem Syndrom leidet, hat zwar eine Vagina und einen Uterus, kann aber häufig in der Pubertät aufgrund der fehlerhaften Hormonproduktion keine sekundären Geschlechtsmerkmale ausbilden. Das bedeutet, dass zum Beispiel Brustentwicklung und Schambehaarung nicht einsetzen. Mit einer Hormontherapie kann die Pubertät ausgelöst werden.
  • Die gemischte Gonadendysgenesie: Bei der gemischten Gonadendysgenesie ist nur ein Hoden ausgebildet, der andere ist nicht komplett ausdifferenziert. Das Geschlechtsorgan ist oft eine Art phallusähnliche Klitoris. In der Pubertät wird keine weibliche Brust entwickelt.
  • 5-Alpha-Reductase-Mangel: Dieser Enzymmangel sorgt dafür, dass die gebildeten Androgene nicht korrekt in den Zielorganen wirken können. Betroffene besitzen ein weibliches Aussehen, das jedoch in der Pubertät durch typisch männliche Merkmale, wie eine maskuline Entwicklung der Muskulatur oder einen Stimmbruch beeinträchtigt werden kann. Außerdem kann in dieser Zeit die Klitoris stark wachsen und die Brustentwicklung ausbleiben.

In diesem Video werden die Ursachen noch einmal kurz und verständlich erklärt:

Behandlung

In den 1960er und 70er Jahren wurden viele Neugeborene bereits kurz nach der Geburt operiert, um eine Geschlechtskorrektur mit anschließender Hormonbehandlung durchzuführen. Heute sieht man diese Eingriffe sehr kritisch, da sie meistens unnötig sind und die Behandelten traumatisieren, sodass sie oft ihr Leben lang mit den Folgen zu kämpfen haben. Neben körperlichen Folgen, wie einer möglichen Unfruchtbarkeit und vermindertem sexuellen Empfinden, sind es vor allem die psychischen Konsequenzen, die für großes Leid sorgen.

Diese schwerwiegenden Folgen wurden auch durch die Hamburger Intersex Studie aus dem Jahr 2007 bestätigt, die dafür plädiert, dass die Entscheidung über eine eindeutige Geschlechtszuweisung erst stattfinden sollte, wenn die betroffene Person selbst entscheidungsfähig ist. Diese Ansicht teilt auch der Bundesverband Intersexuelle Menschen e.V. und fordert deshalb auf seiner Webseite, dass keine „nicht lebens- oder gesundheitsnotwendigen Eingriffe ohne informierte Einwilligung der betroffenen Menschen“ erfolgen dürfen.

Kinder sind gesetzlich geschützt

Seit dem 22. Mai 2021 schützt in Deutschland nun ein Gesetz Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen. Darin ist geregelt, dass Behandlungen von einwilligungsunfähigen Kindern verboten sind, wenn dies allein in der Absicht erfolgen soll, das körperliche Erscheinungsbild des Kindes an das des männlichen oder weiblichen Geschlechts anzugleichen. Operative Eingriffe mit einer solchen Folge sind nur dann möglich, wenn sie nicht bis zu einer selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden können.

Zudem ist in der Regel ist eine familiengerichtliche Genehmigung dieser operativen Eingriffe erforderlich, wobei das Kindeswohl geprüft wird. Wenn eine interdisziplinäre Kommission den Eingriff befürwortet hat, kann in einem vereinfachten Verfahren entschieden werden.

Statt einer Geschlechtsangleichung im Kindesalter, wird heute verstärkt auf individuell abgestimmte Therapien gesetzt, die vor allem auch darauf abzielen, dass die Psyche der Kinder gesund gehalten wird und Eltern besser aufgeklärt. Auch wenn Eltern das Sorgerecht tragen und somit prinzipiell über den geschlechtsangleichenden Eingriff bestimmen können, sollte schließlich das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen.

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Bildquelle: iStock/itakdalee

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