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Drag Queen: Zwischen Kleinkunst, Travestie und Glamour

Drag Queen

Bei einer Drag Queen handelt es sich meistens, aber nicht ausschließlich, um einen Mann homosexueller Orientierung, der durch Kleidung und Make-up eine Frau darstellt. Viele Drag Queens arbeiten im künstlerischen Bereich als Sängerinnen oder in der Kleinkunstszene als Travestie-Künstler. Anders als Transsexuelle schlüpfen sie nur zeitweise in die Frauenrolle, ohne ihr biologisches Geschlecht abzulehnen.

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Definition und Begriffsabgrenzungen

Drag Queens haben einiges gemeinsam mit Travestie-Künstlern, unterscheiden sich mit diesen jedoch grundlegend von Transsexuellen.

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Die Drag Queen

Drag Queen Christopher Street Day
Drag Queens 2009 auf dem Christopher Street Day in Hollywood

Der Begriff Dragqueen stammt aus dem britischen Slang und bezeichnete um 1900 einen Homosexuellen in weiblicher Kleidung. Das männliche Pendant dazu ist der Dragking, also eine Frau in Männerkleidung. „Doing Drag“ bezeichnet jemanden, der mit der Kleidung seine Geschlechterrolle wechselte. Dies war bereits zu Zeiten Shakespears üblich, wo Männer für die Bühne oft in Frauenkleidung schlüpften, da Frauen im 16. Jahrhundert noch nicht auftreten durften. Drag wird auch oft als Abkürzung für „Dressed like a girl“ (gekleidet wie ein Mädchen) verstanden.

Eine Drag Queen schlüpft durch Aussehen und Verhalten beruflich und teilweise auch privat in die Rolle einer Frau. Als Drag Queen leben Männer oft ihre feminine Seite aus und genießen es, sich übertrieben weiblich und sexy zu kleiden. Sie tragen meist sehr auffällig betonte weibliche Kleidung, kunstvolles Make-up mit künstlichen Wimpern, High-Heels und feminine Perücken. Viele Drag Queens sind in der Schwulenszene verwurzelt und arbeiten als Künstlerinnen, Sängerinnen oder Moderatorinnen in Kneipen, Varietés oder auf Events. Sie sind meist unter einem bestimmten Drag-Künstlernamen bekannt.

Manche Männer leben ihre Leidenschaft, in die Rolle einer Frau zu schlüpfen eher privat aus und andere arbeiten hauptberuflich in ihrer Drag-Rolle. Mit ihrem Auftreten auf Festen wie dem Christopher Street Day zeigen sie ihr sozialpolitisches Engagement und treten dafür ein, dass es innerhalb des heteronormativen Geschlechtersystems von Mann und Frau eine Art Drittes Geschlecht gibt. Viele prominente Drags wie Olivia Jones und Conchita Wurst werden als Gallionsfiguren innerhalb der Homosexuellen- und Queerszene verehrt und kämpfen für die gesellschaftliche Anerkennung sexueller Vielfalt wie Homo- und Bisexualität.

Travestie als Kunst und Transvestitismus

Damendarsteller Fritz Thurm-Silvaré Travestie
Damendarsteller Fritz Thurm-Silvaré um 1905

Die Kunst der Travestie (travesti, französisch „verkleidet“) bezeichnet die Darstellung einer Bühnenrolle durch das andere Geschlecht. In der Antike wurden alle Rollen von Männern gespielt. Erst im Mittelalter begann langsam eine Änderung: Auch Frauen durften auf die Bühnen. In Deutschland ist die Präsenz von Schauspielerinnen jedoch erst ab dem 16. Jahrhundert belegt. Das 16. Jahrhundert galt vor allem durch das Elisabethanische Theater in England als Blütezeit der Schauspielkunst. Dort spielten so genannte boy actors alle Männer- und Frauenrollen. Dies löste sich ab der Mitte des 17. Jahrhunderts auf: Hier wurden auch große sogenannte Hosenrollen von bekannten Schauspielerinnen verkörpert.

Die deutsche Bezeichnung der schauspielerischen Travestie bezeichnet Männer in Frauenrollen, die vor allem durch die großen Pariser Travestieshows in den 1970er Jahren bekannt wurden und auch hierzulande entstanden. Einer der wohl bekanntesten frühen deutschen Travestiekünstler ist Georg Preuße in seiner Rolle als Mary. Die bekanntesten Travestierollen der Filmgeschichte sind die Figur der Zaza aus dem Film „Ein Käfig voller Narren“ und Frank N. Furter aus dem Musical „The Rocky Horror Picture Show“.

Rocky_Horror_Show_Frank N Furter
Frank N Furter aus der <strong>„</strong>Rocky Horror Picture Show"

Der Begriff Transvestitismus wurde 1910 von dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld geprägt. Er bezieht sich auf das freiwillige Tragen von Bekleidung des anderen Geschlechts und wird unabhängig von der sexuellen Orientierung begriffen. Hirschfeld war einer der Pioniere der Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden Sexualwissenschaft und setzte sich für die volle Verwirklichung der sexuellen Menschenrechte ein. Bekannt wurde vor allem seine bis weit ins 20. Jahrhundert hinein umstrittene Theorie des „Dritten Geschlechts“ und der „Zwischenstufen“.

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„Wir verstehen unter sexuellen Zwischenstufen Männer mit weiblichen und Frauen mit männlichen Einschlägen.“
Magnus Hirschfeld, 1914 (in Claudia Bruns: Hirschfeld und die Theorie vom „dritten Geschlecht“)

Transvestit vs. Transsexueller

Hirschfeld unterschied den Begriff des Transvestitismus bereits 1923 eindeutig vom seelischen Transsexualismus. Transsexuelle sind Personen weiblichen oder männlichen Geschlechts, die sich nicht mit dem ihnen von Geburt zugewiesenen biologischen Geschlecht identifizieren können. Ein Transvestit ist demnach ein Mann oder eine Frau, der oder die optisch zeitweise in die Rolle des anderen Geschlechts schlüpft. Oftmals geschieht dies auch in Form einer reinen Bühnenrolle mit künstlerischem Anspruch. Ein Transsexueller fühlt sich ganzheitlich innerlich nicht dem biologischen Geschlecht zugehörig und möchte meist seinen Körper auch an sein inneres Geschlecht angleichen lassen.

Crossdressing und DWT

Neben den Begriffen Transvestit und Transsexueller gibt es zwei weitere Begriffe aus dem Transgender-Bereich, die sich davon abgrenzen.

Crossdressing bezeichnet das zeitweise Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts. Im Gegensatz zu einer Drag Queen oder einem Transvestiten spielt sich Crossdressing meist im privaten Rahmen ab. Männliche Crossdresser tragen im Verborgenen oft Damenkleider oder schlüpfen außerhalb der Öffentlichkeit in typisch weibliche Accessoires wie High-Heels oder Strumpfhosen. In der BDSM-Szene wird es als eine Form des sexuellen Fetischs gesehen und von einigen Männern auf SM-Parties ausgelebt, indem sie sexy Damenunterwäsche tragen.

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Sogenannte Damenwäscheträger (DWT) empfinden einen besonderen sexuellen Reiz beim Tragen femininer Dessous. Dieser Fetisch kann im Verborgenen ausgelebt werden, da die weibliche Unterwäsche im Alltag nicht zu sehen ist.

Transvestitismus als psychische Störung?

Laut WHO ICD-10 ist Transvestitismus als psychische Störung klassifiziert, die in die Kategorie der Störungen der Geschlechtsidentitäten fällt.

Eine Diagnose stützt sich auf drei Kriterien:

  • Der Patient trägt Kleidung des anderen Geschlechts um zeitweise die Zugehörigkeit zu diesem zu erleben.
  • Ein Wechsel der Kleidung wird nicht als sexueller Reiz wahrgenommen.
  • Es besteht kein Wunsch nach expliziter Geschlechtsumwandlung oder Angleichung.

Hinweis: Diese Diagnosen sind sehr umstritten. Aktuell gibt es noch keine ausreichend anerkannten Forschungen oder gültige Studien zu diesem Thema.

Gesellschaftlich sind Transvestiten und Drag Queens als Kunstfiguren heute größtenteils anerkannt, sind in der Popkultur sichtbar und leben sowohl in homosexuellen als auch heterosexuellen Partnerschaften ein „normales“ Leben.

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Prominente Drag Queens

Drag Queens sind heutzutage aus der Disko- und Unterhaltungsszene nicht mehr wegzudenken und als Kunstfiguren anerkannt. Viele von ihnen arbeiten hauptberuflich als Künstlerinnen, manche gehen einem „bürgerlichen“ Beruf nach und treten nur abends in Queer-Clubs oder Varieté-Shows auf. Nicht selten sieht man sie in Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln oder München – nicht nur in der abendlichen Clubszene und auf CSD-Events. Sie führen teilweise auch in ihrem Alltag ihre Rolle weiter. Ihren Erfolg und ihre steigende Akzeptanz verdanken sie einigen prominenten Drag Queens und Vorreiterinnen, die Männern zeigen, dass sie sich nicht verstecken müssen und es eine Szene gibt, in der sie ihre Neigungen ausleben können.

Deutsche Drag Queens

Drag Queen Lilo Wanders und Olivia Jones
Lilo Wanders und Olivia Jones, 2007 in Hamburg

Lilo Wanders

Schauspielerin und Travestiekünstlerin Lilo Wanders heißt mit bürgerlichem Namen Ernst-Johann „Ernie“ Reinhardt. Er gründete Ende der 80er Jahre das in Hamburg auf der Reeperbahn beheimatete Schmidt Theater. Dort trat er das erste Mal als alternde, bissige Theaterdiva Lilo Wanders auf. Eine breite Bekanntheit bekam Reinhardt durch die Moderation seiner Fernsehsendung „Wa(h)re Liebe“ beim Sender Vox. Er wirkte als Lilo außerdem in zahlreichen Fernsehproduktionen mit und führt Interessierte gemeinsam mit Olivia Jones durch St. Pauli.

Olivia Jones

Olivia Jones (bürgerlicher Name ist Oliver Knöbel) ist mittlerweile Deutschlands bekannteste Drag Queen. Ihre Karriere begann Anfang der 90er Jahre am Hamburger Schmidt Theater, wo sie auf Fürsprache von Lilo Wanders ihre erste eigene Show bekam. 1997 setzte sie sich beim internationalen Drag Queen Contest in Miami gegen zahlreiche Konkurrentinnen durch und gewann den Preis als „Miss Drag Queen of the World“. Seitdem tritt sie regelmäßig in mehreren Fernseh- und Unterhaltungsshows auf, moderiert Shows und Galas und war bereits Teilnehmerin beim RTL-Dschungelcamp sowie bei Big Brother. Gemeinsam mit Lilo Wanders und einigen Kiezgrößen leitet sie Führungen durch Hamburg und St. Pauli und betreibt eine Reihe von Bars und Clubs.

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Internationale Drag Queens

Drag Queen Conchita Wurst
Conchita Wurst. 2016 in Berlin

Conchita Wurst

Einer der bekanntesten Travestiekünstler der jüngeren Popgeschichte ist sicherlich Thomas Neuwirth alias Conchita Wurst. Europaweite Aufmerksamkeit bekam die österreichische Sängerin und Drag Queen 2014 durch ihren Sieg beim 59. Eurovision Song Contest in Kopenhagen. Ihr Markenzeichen ist ihr divenhaftes Aussehen und die elegante weibliche Erscheinung in Kombination mit Langhaarperücke und Vollbart. Der homosexuelle Künstler möchte mit seiner Kunstfigur und als erste Drag Queen mit Vollbart gezielt provozieren und für Toleranz und Akzeptanz hinsichtlich vielfältiger sexueller Orientierung werben und auf das Anderssein aufmerksam machen. Sein Aussehen hat laut eigenen Angaben nichts mit Transsexualität zu tun.

RuPaul

Der US-amerikanische Schauspieler, Moderator und Singer-Songwriter RuPaul Andre Charles erlangte in den 90er Jahren weltweiten Ruhm als Drag Queen RuPaul. Er trat bereits in zahlreichen Filmen und Fernsehprogrammen auf und veröffentlichte mehrere Alben. Seit 2008 moderiert er seine eigene Reality TV Show, die mit einem Emmy ausgezeichnet wurde.

Courtney Act

Drag Queen Courtney Act
Courtney Act, 2017 in London

Der Australier Shane Gilberto Jenek gehört unter seinem Künstlernamen Courtney Act zu den bekanntesten australischen Drag Queens. Im Jahr 2003 nahm sie an der Casting Show Australian Idol teil und erreichte das Halbfinale. 2013 wurde sie Zweite in RuPauls Drag Queen-Wettbewerb Drag Race. 2014 durfte sie als erste Drag Queen in der Geschichte öffentlich mit dem San Francisco Symphony Orchestra auftreten.

Dame Edna Everage

Der australische Komiker Barry Humphries trat seit den 1950er Jahren als fiktiver Charakter Dame Edna auf, spielte in mehreren Filmen mit und moderierte einige TV-Shows. Ally McBeal-Fans ist sie vor allem durch ihren Gastauftritt in der Rolle der Claire Otoms bekannt. Ednas Markenzeichen waren ihre lila Perücke sowie eine übergroße, auffällige Brille.

Drag Queen Dame Edna Media Call
Auch im Alter noch sexy: Dame Edna Everage 2012 in Sydney

Quellen

Magnus Hirschfeld, Max Tilke: Die Transvestiten. Über den erotischen Verkleidungstrieb
Karim El Souessi: Dissertation zur Frage der Abgrenzbarkeit von Transvestismus und Transsexualität bei Männern
Website von Olivia Jones
Website von Conchita Wurst
Website von RuPaul
Website von Courtney Act
Website von Edna Everage

Ungeschminkt: 19 bekannte Dragqueens mit und ohne Make-up

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Bildquelle: iStock/FG Trade, PhotosByByron; Wikimedia Commons (Fritz Thurm-Silvaré,Frank N Furter); Getty Images/Krafft Angerer, Matthias Nareyek, Eamonn M. McCormack, Marianna Massey

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