Wer bisexuell ist, fühlt sich zu beiden Geschlechtern hingezogen und legt seine sexuelle Orientierung nicht auf hetero- oder homosexuell fest. Diese Anziehung kann dabei emotionaler und/oder sexueller Natur sein. Wir erklären dir alles, was du zu dieser Art der sexuellen Orientierung wissen solltest.
Bisexualität: Was bedeutet es, bi zu sein?
Der Begriff Bisexualität (veraltet auch Ambisexualität genannt) leitet sich von der griechischen Vorsilbe bi (zu deutsch „zwei“) ab und beschreibt eine sexuelle Orientierung, bei der man sich sowohl zu Frauen, als auch zu Männern emotional und/oder sexuell hingezogen fühlt. Die Anziehungskraft muss dabei allerdings nicht zu beiden Geschlechtern gleich stark sein. In der Umgangssprache wird auch häufig davon gesprochen, dass eine Person „bi“ (verkürzt für bisexuell) sei.
Die Definition für Bisexualität hat sich im Laufe der Geschichte gewandelt. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts sprach man von der sogenannten konstitutionellen Bisexualität. Das bedeutet, man dachte, jeder Mensch würde bei der Geburt sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale besitzen, sich aber im Laufe der Entwicklung auf ein Geschlecht festlegen und die jeweils anderen Merkmale verlieren. Menschen, die mit Merkmalen beider Geschlechter geboren werden, bezeichnet man heutzutage als Hermaphrodit oder intersexuell.
Unterschied zur Pansexualität / Omnisexualität
Pansexuelle treffen bei der Partnerwahl keine Vorauswahl nach Geschlecht oder Geschlechtsidentität. Der Begriff stammt von der griechischen Vorsilbe pan, die „umfassend” oder „alles” bedeutet. Bisexuelle hingegen fühlen sich nur zu zwei Geschlechtern (männlich und weiblich) hingezogen.
Unterschied zur Polysexualität
Menschen, die sich als polysexuell identifizieren, fühlen sich zu mehr als nur zwei Geschlechtsidentitäten (im Gegensatz zu Bisexuellen) hingezogen, aber nicht zwangsläufig zu allen (wie Pansexuelle).
Bisexualität in der Geschichte
Die Liebe zu beiden Geschlechtern wurde bereits in verschiedenen Texten der römischen und griechischen Antike thematisiert. Tatsächlich unterschied man in der Antike noch nicht zwischen Homo- und Heterosexualität, sondern ging davon aus, dass jeder Mensch sich von Natur aus zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlt. Diese Ansicht teilten auch islamische Priester im Mittelalter, jedoch mit der Einschränkung, dass es eine Sünde wäre, die gleichgeschlechtlichen Neigungen durch Geschlechtsverkehr auszuleben.
Bis zum 18. Jahrhundert findet man aufgrund der patriarchalen Strukturen vor allem literarische Zeugnisse, die von männlichen Bisexuellen erzählen. Danach entstanden in Europa erste Texte, die auch vermehrt die enge Freundschaft oder Seelenverwandtschaft zwischen zwei Frauen thematisierten. Dabei spielten sexuelle Interaktionen zwischen ihnen allerdings keine Rolle. Die Beschreibung von Sexualakten galt als anstößig und wurde in den Schilderungen bewusst weggelassen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte der bekannte Psychoanalytiker Sigmund Freud die These auf, dass alle Menschen grundsätzlich bisexuell seien. Die homosexuellen Neigungen würden aber durch die Gesellschaft unterdrückt und verdrängt. Zu möglichen Ursachen stellte er keine Vermutungen an.
Ende der 1960er Jahre gab es erste LGBT-Bewegungen (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) in den USA. In Deutschland bildeten sich in den 1970er und 80er Jahren erste lokale Gruppen, die sich gegen die Diskriminierung von Bisexuellen in der Gesellschaft engagieren. Im Jahr 1992 wurde schließlich das Bisexuelle Netzwerk (BiNe) gegründet, die einzige Bi-Bewegung im deutschsprachigen Raum. BiNe leistet Aufklärungsarbeit und bietet unter anderem Beratungen und Treffen für Bisexuelle an.
Bisexualität in der Wissenschaft: Der Kinsey Report
Der Kinsey-Report gehört zu den wichtigsten Werken der sexuellen Aufklärung und Revolution. Er umfasst zwei Bücher, die vom US-amerikanischen Zoologen und Sexualforscher Alfred Charles Kinsey, stammen: „Sexual Behavior in the Human Male“ aus dem Jahre 1948 und „Sexual Behavior in the Human Female“ aus dem Jahre 1953. In seinen Werken untersuchte Kinsey das Sexualverhalten von Männern und Frauen und fand heraus, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung zu einem gewissen Grad bisexuell sei.
Um festzustellen, ob jemand bisexuelle Tendenzen hätte, wurde die sogenannte Kinsey Skala genutzt. Wichtig ist, dass Kinsey für seine Einteilung nicht nach realen sexuellen Handlungen einteilte, sondern auch nach psychischen Erfahrungen. Wer also beispielsweise in einer heterosexuellen Beziehung lebt, aber hin und wieder homosexuelle Fantasien hat, wurde als eins oder zwei eingestuft. Die Zahlen von eins bis fünf wurden auf der Kinsey-Skala als bisexuell eingestuft.
0 - ausschließlich heterosexuell
1 - überwiegend heterosexuell, nur gelegentlich homosexuell
2 - überwiegend heterosexuell, aber mehr als gelegentlich homosexuell
3 - Gleichermaßen heterosexuell wie homosexuell
4 - überwiegend homosexuell, aber mehr als gelegentlich heterosexuell
5 - überwiegend homosexuell, nur gelegentlich heterosexuell
6 - ausschließlich homosexuell
X - keine sozio-sexuellen Erfahrungen oder Kontakte
Kinsey befragte hierzu über 11.000 freiwillige Personen (5.300 Männer und 5.940 Frauen) aus unterschiedlichen Altersklassen, unterschiedlichem Einkommens- und Bildungshintergrund sowie aus ländlichen und städtischen Gebieten. In vertraulichen Interviews bekamen die Probanden zwischen 300 bis über 500 Fragen gestellt. In der Vergangenheit wurde oft Kritik am methodischen Vorgehen und der Auswahl der Befragten durch Kinsey geübt. Ihm wird vor allem vorgeworfen, dass seine Daten nicht repräsentativ seien bzw. wesentliche demografische Daten fehlen würden.
Wie viele Menschen identifizieren sich als bisexuell?
Bei einer deutschen Umfrage unter 13.000 Personen zwischen 18 bis 69 Jahren aus dem Jahr 2020 gaben nur drei Prozent der Befragten an, bisexuell zu sein und ganze 85 Prozent ordneten sich der heterosexuellen Gruppe zu.
Wie groß der Anteil an bisexuellen Menschen in der Bevölkerung tatsächlich ist, lässt sich nur schwer ermitteln. Zwar gibt es immer wieder Umfragen, doch oft liefern sie sehr widersprüchliche Ergebnisse. Das liegt vorrangig daran, dass die Gesellschaft noch sehr „monosexuell“ denkt und dadurch der soziale Druck entsteht, sich für eine Geschlechterpräferenz zu entscheiden. Hinzu kommt, dass die bisexuelle Community deutlich kleiner ist als die homosexuelle. So fühlen sich Bisexuelle oft nirgendwo richtig zugehörig und ausgegrenzt und müssen sich vor allem auch mit Vorurteilen herumschlagen.
Noch immer fällt es vielen schwer, sich zu outen. Es liegt an uns, an der Gesellschaft, diesen Step für alle einfacher zu machen. Denn egal, welche sexuelle Orientierung ein Mensch hat, jeder sollte mit offenen Armen empfangen werden:
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