Sex, immer und überall, ein „Nein“ gibt es nicht: Der neue TikTok-Trend „Free Use“-Sex wird immer populärer. Was dahinter steckt, dass Menschen benutzt werden wollen und wieso TikTok-Userinnen die wichtigsten Aspekte von Fetischen verschleiern.
Was bedeutet „Free Use“?
Die Praktik stammt aus der BDSM-Szene. Ein Free-Use-Fetisch ist grob zusammengefasst, der Wunsch, jederzeit und überall von einem Partner sexuell „benutzt“ zu werden. Free Use heißt auf Deutsch so viel wie „kostenlose Nutzung.“ In der Praxis handelt es sich bei Free Use um eine Vereinbarung zwischen zwei einwilligenden Erwachsenen. Ein Partner hat die Freiheit, ohne zu fragen, mit dem Sex zu beginnen, unabhängig davon, ob der andere gerade beschäftigt ist, schläft – oder Lust dazu hat. „Nein“ sagen kann er oder sie aber auch nicht. Im Grunde ist es eine Erweiterung von Unterwerfungs-/Dominanzrollen, die – meisten – Frauen reizt es, wie ein Objekt behandelt zu werden, das macht den Fetisch aus. So weit so gut. Jeder Mensch kann in seiner Freizeit, im Bett, mit seinem Partner, ausleben, was er oder sie möchte. Doch es ist Fingerspitzengefühl gefragt, was hier völlig fehlt.
Denn nun geht dieser Fetisch auf TikTok viral. Eine – eigens interpretierte – Erklärung, was Free Use ist, stammt beispielsweise von der Userin „Bungyworld1“. Sie hätten viele gefragt, was Free Use sei, ihre Antwort: „Das bedeutet, dass ich rechtlich immer zu meinem zukünftigen Ehemann ‚Ja‘ sagen müsste, auch wenn ich keine Lust dazu habe, um eine Scheidung zu verhindern.“
Eine Serie, die es besser als jede andere schafft, sexuelle Wünsche, Bedürfnisse aber auch Probleme anzusprechen, ist ganz klar Sex Education. Die letzte und vierte Staffel gibt’s bei Netflix. Einen Vorgeschmack gefällig?
TikTok und Fetische: Geht das gut?
Neben diesem Clip gibt es noch etliche weitere, die teils bis zu 2 Millionen Aufrufe haben. Mit dem simplen, erst mal harmlosen Wort „Free Use“ kann man den prüden und strengen TikTok-Regularien, wenn es beispielsweise um sexuelle Inhalte geht, auch äußerst gut entkommen. So verbreitet sich der BDSM-Fetisch auf einer Plattform, die überwiegend von 10 bis 19-Jährigen konsumiert wird, rasant. Dass das problematisch ist, liegt auf der Hand.
Wie bei den meisten anderen Fetischen und Praktiken hängt der genaue Ablauf von den Interessen und Grenzen der Beteiligten ab. Während viele die reine Fantasie des Konzepts „jederzeit und überall“ ausleben möchten, verankern BDSM-Erfahrene den Fetisch in der Realität mit einigen Regeln. Auch Safewords und Aftercare sind bei Paaren, die ihre Fetische auf gesunde Art und Weise ausleben, häufig vorhanden. Und, das ist wohl das Allerwichtigste, es herrscht Kommunikation, Austausch und das Einverständnis beider Seiten. Gerade bei Free Use sind die Grenzen der Einwilligung – oberflächlich betrachtet – nicht vorhanden.
Skandalös statt aufgeklärt: Clickbaiting um jeden Preis
Dass der Fetisch auf TikTok zum Trend und derart verherrlicht wird, birgt große Gefahren für die vorrangig jungen Frauen, die nun denken, dass sei die Norm einer gesunden Beziehung und um eine Scheidung zu verhindern. Clickbaiting bringen die Clips allemal. Aufklärung und eine differenzierte Darstellung des Fetisches‘ finden in den 5-Sekunden-Videos allerdings überhaupt keinen Platz und sind wohl einfach nicht sexy genug. Die skandalösen Seiten eines Fetisches zu beleuchten, ist natürlich nichts Neues. Doch auf TikTok erfährt das eine ganze neue Dynamik. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Trend genauso schnell wieder verschwindet, wie er aufgeploppt ist.
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