„Ich stehe darauf, wenn der Mann beim Sex die Kontrolle hat und mich auch mal härter anpackt.“ Teilst du diese Aussage? Dann geht es dir so wie zahlreichen anderen Frauen, die beim Sex gern die devote Rolle übernehmen. Solange dies im gegenseitigen Einvernehmen geschieht, ist daran doch nichts auszusetzen, oder? Einige Journalistinnen und Psychologinnen sehen dies anders: Sexuelle Unterwerfung sei eine Reproduktion veralteter Geschlechterklischees. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass du als Feministin im Bett machen kannst, was du willst.
Viele Frauen stehen auf Unterwerfung
Es lässt sich kaum ignorieren, dass viele Frauen sexuelle Unterwerfungsfantasien hegen. Egal, ob bei „50 Shades of Grey“, in Forschungsberichten wie „Die versteckte Lust der Frauen“*, Audiopornos auf Femtasy (einer Erotik-Plattform für Frauen) oder in Gesprächen mit Freundinnen: Der Wunsch, dass der Mann bei heterosexuellem Sex den dominanten Part übernimmt, turnt viele Frauen an. Auch auf feministischen Porno-Seiten sind BDSM-Filme, in denen sich Frauen von Männern würgen, auspeitschen oder ins Gesicht spritzen lassen, keine Seltenheit.
Die Pionierin des feministischen Pornos, Erika Lust, hat sogar einen Kurzfilm zum Thema gedreht. In „Feminist and Submissive“ erklären sie und andere sexuell devote Frauen, warum dies keinen Widerspruch zu ihren feministischen Werten darstellt: Sie haben die Kontrolle über die Situation und können den Akt jederzeit beenden. Außerdem fühlen sie sich schlichtweg davon erregt und holen sich beim Sex das, was sie begehren.
Hört auf, euch zu unterwerfen!?
Mich überraschen diese Aussagen nicht, denn ich habe nie infrage gestellt, ob man sich noch Feministin nennen darf, wenn man sich gerne von seinem Partner fesseln lässt. Umso erstaunter war ich, als ich nun auf mehrere Texte von Frauen stieß, die darin ein Problem sehen. In ihrer Untenrum-Kolumne fordert die Journalistin Katja Lewina Frauen dazu auf, ihre sexuellen Vorlieben zu überdenken:
Eure devoten Neigungen sind oft nichts weiter als reproduzierte Rollenklischees.
Wow, das ist mal eine Ansage! Ist das also Feminismus, wenn Frauen anderen Frauen vorschreiben, wie sie ihre Sexualität ausleben sollen? Lewina gibt zwar an, niemanden verurteilen zu wollen, fordert Frauen aber gleichzeitig dazu auf, sich beim Sex mit Männern gefälligst nicht mehr zu unterwerfen. Zu ihrer Verteidigung: Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein.
Wollen Frauen, was Männer wollen?
Auch die Psychologin Sandra Konrad stellt in ihrem Buch „Das beherrschte Geschlecht. Warum sie will, was er will“* die These auf, dass Frauen auch heutzutage nicht völlig sexuell befreit sind. In Gesprächen mit Frauen hat Konrad festgestellt, dass ein Großteil beim Sex Männern die Kontrolle überlässt und auch härtere Praktiken wie Deep Throat bereitwillig ausübt.
Insbesondere junge Frauen seien zwar sehr aufgeklärt, würden beim Sex aber hauptsächlich auf die Befriedigung ihres Partners und nicht ihre eigene achten. „Der dominante Mann besorgt es der devoten, geilen Frau.“– durch dieses beliebte Szenario würden sexistische Strukturen unter dem Deckmantel der sexuellen Befreiung übernommen. Oder anders gesagt: Wir Frauen denken heute zwar, wir seien sexuell befreit, unsere Sexualität wird aber von der männlichen Lust gesteuert.
Puh, da muss ich erst mal schlucken (no pun intended). Ich gebe zu, dass mich die Berichte vieler junger Frauen in Konrads Buch erschüttert haben. Keine Frau sollte sexuelle Praktiken nur ihrem Partner zuliebe über sich ergehen lassen und sich in der Rolle der „Lustspenderin“ sehen. Doch was ist mit all den Frauen, die es tatsächlich anturnt, sich einem Mann sexuell zu unterwerfen? Existiert diese Sehnsucht nur deshalb, weil wir in einer sexistischen Gesellschaft aufgewachsen sind, und gar nicht anders können? Haben uns Hollywood-Filme eingetrichtert, dass es heiß ist, von einem Mann gegen die Wand gedrückt und leidenschaftlich geküsst zu werden?
Sexuelle Unterwerfung ist nicht passiv
Meiner Ansicht nach gibt es einen großen Unterschied zwischen Frauen, die sich von ihrem Partner ins Gesicht spritzen lassen, weil sie denken, es gehöre eben dazu, und solchen, die dies selbst einfordern. Wenn von sexueller Unterwerfung die Rede ist, stellen wir uns den Mann fälschlicherweise als aktiven, handelnden Part vor, während die Frau passiv daliegt und alles mit sich machen lässt. Genau dies ist allerdings bei einvernehmlichem Sex nicht der Fall. Idealerweise sollte man mit seinem Partner kommunizieren, auf welchen Grad von Dominanz man steht, und wo die eigenen Grenzen liegen.
Was die einen als erniedrigend, ekelkaft und schlecht für Frauen ansehen, lässt manche Frauen empowered, schön und stark fühlen.
Eine Frau, die ihrem Partner sagt, dass sie beim Sex gewürgt oder geschlagen werden will, weil es sie selbst erregt, reproduziert in meinen Augen keine veralteten Geschlechterklischees. Vielmehr steht sie offen zu ihren eigenen Gelüsten und kann diese selbstbewusst von ihrem Partner einfordern. Und wie kommt es eigentlich, dass devote Neigungen bei Männern im Mainstream nicht als eine Form von Schwäche angesehen werden: Kennen wir nicht alle das Klischee vom erfolgreichen und dominanten Geschäftsmann, der sich in seiner Freizeit gerne von einer Domina auspeitschen lässt? Wir sollten uns nicht dazu verführen lassen, von devoten Vorlieben einer Frau im Bett auf ihre generelle Unterwürfigkeit zu schließen (wie es übrigens noch Sigmund Freud tat). Kann Sex nicht auch einfach nur Sex sein?
Wenn es dich anturnt, sollst du dich beim Sex ruhig so viel unterwerfen, wie du willst. Nur bei diesen Anzeichen solltest du eine Stufe runterfahren:
Mein Sexleben ist kein politisches Statement
Ich kann nicht beurteilen, welche sexuellen Vorlieben ich hätte, wenn ich in einer Welt frei von Geschlechterklischees aufgewachsen wäre. Selbst wenn Sandra Konrad mit ihren Thesen recht hat, würde ich nichts an meinem Sexualleben ändern. Warum? Ganz einfach: Anders als mit Verhalten, das ich sonst an den Tag lege, bin ich beim Sex nicht darauf bedacht, ein Statement zu setzen.
Ich teile vielmehr die Ansicht der feministischen Porno-Produzentin Erika Lust, dass Unterwerfung vor einem Mann vielleicht nicht politisch korrekt, aber vollkommen legitim ist. Um ehrlich zu sein, finde ich nichts abturnender, als auch noch beim Sex den Anspruch zu haben, sich wie eine „perfekte Feministin“ zu verhalten. Denn ist es nicht auch das, was Sex reizvoll macht: Sich seinen Gelüsten hinzugeben, ohne darauf bedacht zu sein, gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen? Auch nach der Lektüre dieser feministischen Kritikerinnen werde ich meinem Freund auf keinen Fall sagen: „Sorry, ich bin von nun an immer oben, sonst reproduzieren wir hier die ganze Zeit sexistische Rollenklischees!“
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