In Irland stimmte jüngst eine breite Mehrheit für die Lockerung der Abtreibungsgesetzgebung und setzte damit ein Zeichen für die Selbstbestimmung der Frau. Anlässlich dieses Votums äußerte sich Sex-Expertin und Moderatorin Paula Lambert in einem sehr persönlichen Artikel über ihre Abtreibung. Bei ihrem Besuch in unserer Redaktion erzählte sie uns, warum sie für die Lockerung dieser Gesetzgebung ist und wir sprachen über weitere Themen, die auch in ihrem neuen Ratgeber „Paula kommt“* eine Rolle spielen.
desired: In deinem Buch klärst du neben vielen anderen Fragen auch zum Thema Verhütung auf und schreibst in dem Zusammenhang offen, dass du für Schwangerschaftsabbruch bist, „wenn das die bessere Entscheidung ist“. Was bedeutet es dir, zu diesem Thema Stellung zu nehmen?
Paula: Ich weiß von befreundeten Frauenärzten, wie ein Embryo in der achten bis zehnten Woche aussieht. Klar, gibt es bestimmt Leute, die sagen, das ist vielleicht karmisch nicht der beste Move für die eigene Seele, von dem körperlichen Thema ganz abgesehen. Es ist mir allerdings lieber, dass eine Schwangerschaft abgebrochen wird, als das ein Kind in einem Umfeld groß werden muss, indem es nicht gewollt und nicht geliebt oder nicht versorgt werden kann. Leider ist die Sache mit der Verhütung für viele eher noch schwierig. Manche werden schwanger, weil sie hoffen, dass dadurch ihr Leben oder ihre Partnerschaft besser werden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, das weiß ich aus eigener Erfahrung, wenn man vorher Probleme hat, dann potenzieren sich diese eher. Ich wünsche mir sehr, dass offen darüber diskutiert wird, wann wer Kinder kriegen sollte und wer nicht. Alle diejenigen, die dadurch in Schwierigkeiten geraten, denen sollte ein Abbruch gewährt werden.
Beim Abtreibungsvotum in Irland haben 66,4 Prozent dafür gestimmt, dass die Abtreibungsgesetze entscheidend gelockert werden. Wer hat dagegen gestimmt? Fast nur alte Menschen. Die jungen Leute haben fast alle dafür gestimmt, bis auf die extrem Konservativen. Das zeigt, dass es einfach nicht mehr zeitgemäß ist, Frauen den Umgang mit dem eigenen Körper zu verbieten. Ich möchte jedoch betonen: Abtreibung ist kein Verhütungsmittel. Das ist auch nichts, was man heimlich macht, weil man mit dem Partner doch kein Kind will. Das ist etwas, das mit allen Beteiligten diskutiert wird. Es ist eine Katastrophe, das schon der Informationsfluss per Gesetz so gestoppt wird und man sich nicht sachlich über die Möglichkeiten informieren kann. Solche Gesetze sind von Männern gemacht, die nicht darüber nachdenken, was die Situation einer ungewollten Schwangerschaft für eine Frau bedeuten kann.
Im dritten Teil deines Ratgebers geht es auch um Fetische und Fantasien. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe beliebter Erotikromane und nicht zuletzt der Kino-Erfolg von „Fifty Shades of Grey“ macht das große Interesse daran sichtbar. Woran liegt diese neue Mainstream-Faszination für die Fetischszene und Praktiken der Unterwerfung und Dominanz?
BDSM ist tatsächlich gerade ein bisschen en vogue, aber ich kenne wenige, die das richtig Hardcore praktizieren. Es geht da eher darum, die eigenen Wünsche zu formulieren und auszuleben. BDSM ist ein Kanal für diese sexuellen Sehnsüchte geworden. Dabei geht es häufig um ganz substanzielle Dinge und dass man lernt, seine Wünsche und Abneigungen zu äußern und auszuleben. Als „Shades of Grey“ herauskam, habe ich ein interessantes Phänomen beobachtet: Viele Männer schrieben mir verunsichert, dass ihre Frauen plötzlich wollten, dass sie sie schlagen oder würgen.
Natürlich ist es auch ein gesellschaftliches Phänomen, das die Rollen immer weiter aufgeweicht werden. Vielen fehlt die innere Orientierung, was männlich und was weiblich ist. Ich treffe häufig Frauen, die sagen, ich will mal wieder einen richtigen Mann, der muss dann grob sein und richtig zupacken. Im täglichen Leben würde man das als vernünftige Frau empört zurückweisen, doch sexuell findet das einen Kanal. Auf der anderen Seite ist auch nicht alles BDSM, was da in Filmen wie „Shades of Grey“ gezeigt wird. Manches ist bloß etwas wilder.
Nicht nur das Interesse an Fetischthemen nimmt weltweit zu: Deutschland ist laut Umfragen statistischer Weltmeister im „Porno-Gucken“. Denkst du, dass die Leute durch das Internet und die ständig verfügbaren pornografischen Inhalte mittlerweile tabuloser im Bett sind als noch vor 20 Jahren oder wird nur mehr Pornografie konsumiert?
Meiner Meinung nach findet da eher Kompensation statt. Die Leute setzen zum Glück nicht das um, was sie in den Filmen sehen. Was in einem Porno passiert, hat mit gutem Sex nicht viel zu tun. Frauen liegen in Pornos ja meistens nur als Besamungsgefäße in der Gegend herum. So ein Kompensationsverhalten wie Pornos schauen oder ansteigender Alkoholkonsum zeigt ja auch, wie glücklich oder unglücklich eine Gesellschaft ist. Pornokonsum stumpft ab, das weiß man aus Studien. Darum rate ich da immer zur Vorsicht.
Viele Menschen sind einsam und es geht ihnen seelisch nicht so gut, wie es ihnen gehen sollte. Es gibt sehr wenige gesellschaftliche Strukturen, die wieder dazu führen, dass die Leute Sachen zusammen machen. Ich finde auch verschiedene Dating-Apps sehr schwierig für zartbesaitete Seelen. Denn im Grunde wird gelernt, dass es immer noch was Besseres gibt oder geben muss, und verlernt, sich mit anderen Menschen deren positiven wie eben negativen Seiten auseinanderzusetzen.
Wenn man sich in der Medienlandschaft umschaut, bekommt man den Eindruck, dass es mehr Frauen gibt, die Bücher und Blogs über Sex schreiben oder Podcasts haben. Können Frauen heutzutage offener über sexuelle Themen sprechen als Männer?
Frauen gehen definitiv etwas leichter mit diesen Themen um, sind kommunikativer, lesen tatsächlich auch mehr Bücher dazu und schreiben lieber darüber. Viele sind emotionaler und offener dafür, über Sexualität zu reden. Daher fällt es ihnen dann auch leichter, sich auf Blogs dazu zu äußern. Aber genau kann ich das natürlich nicht sagen, warum das so ist. Da müsste man eine Umfrage unter Bloggern machen.
Vielen Dank, Paula, für das spannende Gespräch und den persönlichen Einblick.
Bildquelle: desired
GU-Verlag