Sagt dir der Begriff „Hypergamie“ etwas? Nicht? Dabei geht es ganz kurz gefasst darum, dass eine Person gezielt nach einer Partnerschaft mit jemandem sucht, der einen höheren sozialen oder wirtschaftlichen Status hat – also mehr Ansehen und Kohle einfach. Klingt ein bisschen nach 50er Jahren, oder? Tja, doch genau dieser Dating-Trend soll sich gerade wieder auf dem Vormarsch befinden. Und wir fragen uns ganz ehrlich: Sind das nicht zehn Schritte zurück? Oder kann man Hypergamie vielleicht sogar modern und positiv interpretieren? Lasst uns die Sache mal genauer betrachten.
„Hypergamie: Neue Studie zeigt, dass der Dating-Trend Deutschland im Sturm erobert!“ – Genau zu diesem Ergebnis ist die Luxus-Dating-Seite Seeking zusammen mit YouGov nach einer Umfrage mit 2000 Teilnehmer*innen gekommen. Demnach sollen 33 Prozent aller Singles angegeben haben, offen für hypergames Dating zu sein. Aber was genau heißt das überhaupt?
(Moderne) Hypergamie – Was genau ist das?
Wie gesagt: Im traditionellen Sinne steht Hypergamie für das Phänomen, wenn sich eine Person sozialen Aufstieg durch eine Partnerschaft verspricht. Besonders in früheren Zeiten, als Frauen noch sehr viel stärker durch patriarchale Strukturen benachteiligt und abhängig von Männern waren, spielte Hypergamie eine zentrale Rolle. Da war die Beziehung, oder auch direkt Ehe, mit einem gut aufgestellten Mann eben der „beste“ Weg, um die eigene soziale und ökonomische Lage zu verbessern. Und klar, solche Dynamiken sieht man natürlich auch heute gerne noch mal, dann aber vielleicht eher unter Sugardating bekannt. ;-)
Aber mal ehrlich: Irgendwie hat das Ganze doch sehr konservative Vibes, oder nicht? Immerhin ist unsere Gesellschaft nicht mehr da, wo sie vor 70 Jahren noch war (zum Glück) und die Welt hat sich weitergedreht. Frauen sind immer weniger abhängig von Männern – und nun soll ein Dating-Trend die Runde machen, bei dem sich alles um Status und Oberflächlichkeiten dreht? Das ist nicht gerade zeitgemäß.
Diese Dating-Trends würden wir am liebsten direkt wieder vergessen:
Aber gut, Hypergamie scheint zurück zu sein. Das wurde kürzlich übrigens auch schon in Amerika beobachtet. Wobei Seeking davon spricht, dass sie die Teilnehmenden der Umfrage vor allem nach einer modernen Form der Hypergamie befragt hätten. Und hier wird's spannend: Moderne Hypergamie wird dort nämlich so definiert, dass zwei Menschen dank ihrer Stärken den Partner oder die Partnerin verbessern. „Sie schaffen zusammen Dinge, die sie im Alleingang oder mit einem weniger ambitionierten Partner niemals erreichen würden“, heißt es.
Das Ganze wird dann unter dem Begriff Power Couples zusammengefasst. Beide Parts in der Beziehung bringen also quasi eigene „Erfolge“ mit, womit sie „ihren gemeinsamen gesellschaftlichen Status erheblich steigern“. Dabei könne es auch sein, dass die Frau mehr verdient (was wohl in jeder siebten heterosexuellen Beziehung so ist) und der Mann hingegen beispielsweise gesellschaftlichen Status mitbringt. Aber ist so eine moderne Hypergamie wirklich besser und erstrebenswert? Oder anders gefragt:
Wie müsste moderne Hypergamie heute aussehen?
Also zuallererst mal: Natürlich verstecken sich hinter dem modernen Hypergamie-Dating-Trend, so wie er von Seeking beschrieben wird, positive Ansätze. Immerhin überwindet diese Art schon mal die traditionellen Geschlechterrollen. Gerade bei Hypergamie im klassischen Sinne ging es ja doch eher darum, dass zwei ungleiche Parts eine Verbindung eingehen. Bei dem modernen Ansatz bringen jedoch beide Partner*innen etwas mit, um sich gegenseitig zu ergänzen, zu stärken und zu wachsen. Das ist schon mal nice. Denn natürlich wünscht man sich einen Partner oder eine Partnerin, der oder die auch die eigenen Entwicklungsziele unterstützt und vielleicht auch ähnliche Ambitionen hat.
Und dennoch ist hier irgendwie sehr viel die Rede von Erfolgen, Status und dem Streben danach, noch besser zu werden. Typisch Leistungsgesellschaft halt. Aber sollte das wirklich das oberste Ziel in einer Partnerschaft sein? Besteht so nicht die Gefahr, dass die Beziehung zu sehr unter dem Aspekt des gegenseitigen Nutzens betrachtet wird? Und ständig nach Besserem zu streben, kann langfristig sicherlich auch zu Unzufriedenheit führen.
Wenn wir also von moderner Hypergamie sprechen, dann ist doch vor allem der Punkt des persönlichen Wachstums wichtig. Also dass man nach einer Person an seiner Seite strebt, die einen dabei inspiriert und supportet, sich auch alleine weiterzuentwickeln – ob nun beruflich oder privat (und andersrum natürlich genauso). Es dreht sich also nicht alles nur um einen Part und dessen Erfolg, sondern um beide. Es geht einfach um eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Denn natürlich ist es vollkommen fein, Ansprüche zu haben und sich nicht mit allem zufriedenzugeben (gerade ähnliche Ziele und Werte sind natürlich wichtig), nur sollte es bei dem Ganzen eben nicht nur darum gehen, ständig Erfolgen und einem besseren Status hinterherzuhetzen.
Nein, es sollte um gemeinsames Wachsen gehen – nicht nur in Bezug auf Karriere oder soziale Stellung, sondern vor allem auch auf emotionaler Ebene. Eine wirklich moderne Form der Hypergamie könnte also bedeuten, eine Beziehung anzustreben, in der beide Partner*innen sich einfach gegenseitig inspirieren, unterstützen und herausfordern, um die beste Version ihrer selbst zu werden. Und zwar ohne das alles als ständigen Wettlauf nach oben zu sehen und dabei den Wert des Moments aus den Augen zu verlieren. Denn es geht im Leben schließlich nicht 24/7 darum, noch besser zu werden. Nein, manchmal ist das, was man hat, nämlich auch schon ganz wunderbar.