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Reportage

Ehevorbereitungs­kurs: Ganz anders als ich dachte

Junge Menschen

Ehevorbereitungskurs – Den gibt's? Ich hielt die Frage danach, ob mein Verlobter und ich den denn schon auf dem Schirm haben, wenn wir nächstes Jahr kirchlich heiraten wollen, für eines der üblichen Späßchen meines Vaters. Es war kein Witz. Zwar ist ein Ehevorbereitungskurs in Deutschland nicht überall Pflicht, aber es gibt ihn. Ich habe daran teilgenommen. Über acht Stunden lang. An einem Samstag. Und er war wirklich ganz anders, als ich erwartet hatte.

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Ehevorbereitungskurs – Was ist das?

Wie hätte ich bei diesem Antrag auf dem Empire State Building „Nein“ sagen können?

Wenn du einen ähnlichen, polnischen und/oder katholischen Hintergrund hast wie ich, und vor den Traualtar schreiten willst, wirst du schon mal über den Begriff „Ehevorbereitungskurs“ gestolpert sein. Zumindest dann, wenn deine Eltern dir den Begriff wie meine fast schadenfreudig entgegenwerfen, während du ihnen erzählst, dass es langsam ernst wird mit der Hochzeitsplanung. Falls du evangelisch sein solltest: Herzlichen Glückwunsch, du bist davon befreit! Außer, du hast das gleiche Glück wie mein Freund Tobias, der mich so sehr liebt, dass er in diese verrückt-liebenswerte polnische Familie einheiratet und sich darauf einlässt, die Trauung von einem katholischen Pfarrer durchführen zu lassen.

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Gott sei Dank, dauert so ein Ehevorbereitungsseminar nicht mehr mehrere Wochen, wie früher, sondern ist oft an einem Tag erledigt! Die katholische Kirche bietet mehrere dieser Termine über das Jahr verteilt an. Ich bin über die Website des Erzbistums Berlin fündig geworden. Den eintägigen Kurs, der etwa acht Stunden dauert, konnte ich online buchen. Dafür wurden 30 Euro pro Paar inklusive Verpflegung fällig. Die Termine für 2018 sind übrigens schon alle restlos ausgebucht. Es scheinen sich also viele mit der Frage zu beschäftigen, wie man sich denn nun auf eine Ehe vorbereitet. Denn verpflichtend ist das Ehevorbereitungsseminar in Berlin nicht, wie wir erst zum Ende des Seminars erfahren haben. Es gibt wohl aber Pfarrer, die die Teilnahmebestätigung trotzdem verlangen. Laut der Beschreibung des Erzbistums Berlin erwartete uns im Seminar das:

„Sie setzen sich gemeinsam mit der Bedeutung des Eheversprechens für den Alltag auseinander, klären miteinander Ihre Erwartungen an die Ehe und lernen den Ablauf der Trauung kennen. Gespräche mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin, mit den anderen Paaren und der Kursleitung wechseln sich ab.“
Website des Erzbistum Berlin

Nicht nur aufgezwängt: Darum will ich kirchlich heiraten

Der Grund dafür, dass ich kirchlich heiraten möchte, liegt nicht nicht nur in meiner Familie, sondern vor allem in mir selbst. Ich bin ein gläubiger Mensch, auch ohne die Kirche. Aber wenn ich in die Kirche gehe, gibt sie mir ein Gefühl von Geborgenheit. Ich mag die Gemeinschaft. Ich bete jeden Abend vor dem Schlafengehen. Und ich versuche nach vielen Tugenden zu leben, die gepredigt werden, wie zum Beispiel Barmherzigkeit, Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Unerschrockenheit. In vielen Dingen bin ich aber auch ganz anderer Meinung. Manches macht mich wütend, manches finde ich abscheulich. Wenn ich allerdings eine Ehe eingehen sollte, war mir schon immer klar, dass diese vor Gott geschlossen wird.

Unsere Sorge: Erwartet uns eine achtstündige Präsentation kirchlicher Dogmen?

Wir konnten mit der Erklärung des Erzbistums Berlin nicht so viel anfangen und haben uns im Vorfeld gefragt, ob uns kirchliche Dogmen runtergerasselt werden würden? Inwieweit sollte so ein Ehevorbereitungskurs überhaupt sinnvoll sein, wo wir doch schon sechs Jahre zusammen sind und bereits eine gemeinsame Wohnung haben? Kennen wir den Partner und unseren Alltag nicht schon? Was soll sich da in der Ehe schon groß ändern? Und würde auch das Thema Sex zur Sprache kommen? Erwartet die katholische Kirche immer noch, dass man jungfräulich in die Ehe geht? Gibt's einen auf den Deckel, wenn die Kursleitung merkt, dass das Kind wohl schon in den Brunnen gefallen ist? Fragen über Fragen, mit denen wir zum Seminar gingen.

Wie religiös wird der Ehevorbereitungskurs? Eine Frage, die uns im Vorfeld sehr beschäftigt hat. Denn wir haben in vielen Dingen andere Ansichten als die Kirche.

Am Tag des Ehevorbereitungskurses selbst war ich schon sehr aufgeregt, während sich bei Tobias eher eine „Null-Bock-Attitüde“ bemerkbar machte. Beste Voraussetzungen also. Unser Seminar fand im Tagungszentrum der Katholischen Akademie in Berlin-Mitte statt. Insgesamt waren wir 14 Paare. Geleitet wurde der Kurs nicht von einem Pfarrer, sondern von zwei Frauen, die sich beide in der Kirche engagierten. Eine war verheiratet, hatte Kinder, arbeitete als Klavierlehrerin. Die andere arbeitete im Coaching-Bereich, hatte ein Kind, konnte sich aber niemals vorstellen, eine Ehe einzugehen. Die erste Überraschung.

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Oje, oje, jetzt kommen bestimmt die Hardcore-Katholiken

Bald werden wir das Hochzeitspaar sein (das heißt młoda para auf Polnisch).

Vorab hatten wir uns auch gefragt, welche Leute wohl an so einem Kurs teilnehmen würden. Die Hardcore-Katholiken? Ältere Paare, die nun heiraten wollten? Oder jüngere Paare, wie Tobias und ich, deren Vorstellungen sich in vielen Fällen von denen der Kirche unterscheiden, sich aus verschiedenen Gründen aber trotzdem wünschen, den Bund der Ehe vor Gott einzugehen? Es waren auf jeden Fall überwiegend die letzteren Paare. Die meisten waren zwischen 25 und 35 Jahre alt. Viele hatten schon standesamtlich geheiratet, einige hatten sogar schon Kinder oder standen kurz davor ihre Familie zu erweitern. Es waren auch nicht alle katholisch. Einige waren evangelisch, andere zum Beispiel griechisch-orthodox.

Das Ehevorbereitungsseminar war sehr interaktiv gestaltet: Zur Vorstellung musste man sich in der Gruppe erzählen, woher man kommt, wie man sich kennengelernt hat und auch, an welchem Ort. Dafür mussten wir uns auf unterschiedliche Stellen einer imaginären Deutschlandkarte stellen. Danach kam die erste Gruppenarbeit, für die man sich von seinem bisherigen Partner kurzzeitig trennen musste und einen neuen zugewürfelt bekam. Diesem mussten wir erzählen, warum wir gerade kirchlich heiraten wollen. Diese Runde zeigte schon, dass bei vielen Paaren der familiäre Hintergrund im Vordergrund stand. Die Eltern verlangten es zum Teil oder es gehörte einfach dazu.

Zeit für die Offenbarung: Wir leben bereits in Sünde

Tobias und ich sorgten in dieser Runde übrigens auch für den ersten Lacher, denn er hatte seiner neuen Partnerin (so schnell geht das, ja!) erzählt, dass ein Grund für uns zu heiraten der Kinderwunsch ist, den wir haben, meine Familie ohne eine Hochzeit aber nicht gutheißen würde. Eine der Leiterinnen hatte gedacht, dass wir damit sexuelle Nähe meinen würden. Äh, nein. Da leben wir bereits in Sünde. Ich bin ziemlich sicher, dass mein Gesicht bei ihrer Nachfrage in Flammen aufging.

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Raum für Diskussionen: Ich steh' nicht hinter allem

Es folgten viele Gruppenarbeiten und Diskussionen, auch zum Ablauf der Trauung selbst. Wir diskutierten zum Beispiel zu viert über die Frage: „Sind Sie beide bereit, die Kinder anzunehmen, die Gott Ihnen schenken will, und sie im Geist Christi und seiner Kirche zu erziehen?“, die der Pfarrer bei der Trauung dem Brautpaar stellt. Wir fragten uns, ob dass denn auch einschließen würde, dass wir es akzeptieren, wenn unser Kind zum Beispiel homosexuell ist, was wir natürlich tun würden. Die katholische Kirche hat zur Homosexualität aber eine Einstellung, die wir nicht teilen können. Wir konnten die Frage letztlich nicht klären, stellten für uns aber fest, dass wir eben nicht hinter allem stehen, was in der Kirche gepredigt wird.

Diese Übung hat uns ziemlich gut gefallen, obwohl man sagen muss, dass ich weniger Schwierigkeiten hatte, die 7 Minuten Redezeit zu füllen als Tobias. ;)

Später mussten wir mit einem anderen Paar auch ein Haus aus den Werten bilden, die uns in einer Ehe wichtig sind. Darunter waren zum Beispiel Sachen wie: „Rege Teilnahme am kirchlichen Leben“ oder „Vermittlung der christlichen Werte an die Kinder“, aber auch Sachen wie „Für den Partner attraktiv bleiben“ oder „Spaß haben“. Geschult werden sollte dadurch die Konfliktfähigkeit, weil man sich nicht nur untereinander, sondern auch mit dem anderen Paar einigen musste.

Außerdem formulierten wir eine Fürbitte für unsere Ehe, die wir dann in einer kleinen Kapelle vortrugen. Dort wurde auch nochmal gezeigt und erklärt, wie die Trauung in der Kirche ablaufen wird. Jetzt fehlt uns nur noch das Eheversprechen. Am Schönsten fand ich die Aufgabe, die wir zum Schluss gemacht haben. Die beiden Leiterinnen trennte die Gruppe in Männlein und Weiblein und wir mussten unserem Partner eine Karte schreiben, auf der steht, was wir besonders mögen, wenn wir zum Beispiel krank sind oder wenn wir mal nicht so gut gelaunt sind. Laut Tobias habe ich übrigens nur praktische Sachen aufgeschrieben, wie „Ich mag es, wenn du mir Hühnersuppe kochst“ (das ist halt das Beste, wenn man krank ist), während er angeblich romantische Liebesbekundungen verfasste.

Ich würde das Ehevorbereitungsseminar empfehlen!

Keine Frage, nach den acht Stunden war ich definitiv ausgelaugt und kaputt. Aber ich war positiv überrascht. Denn das Ehevorbereitungsseminar hat viel Platz für Fragen, Ängste und Diskussionen gelassen. Ich fand den Austausch mit den Paaren sehr interessant, weil wir unterschiedliche Sichtweisen mitbekommen haben und dadurch auch nochmal zum Nachdenken angeregt wurde. Der Kurs war überhaupt nicht langweilig und bei Weitem nicht so religiös gestaltet, wie ich erwartet hatte. Einige Aspekte aus dem Seminar haben wir für unseren Alltag mitgenommen. Froh war ich auch darüber, dass die kirchliche Trauung einmal durchgesprochen wurde und mehrfach deutlich wurde, dass das Wichtigste ist, dass das Paar diesen Tag so gestalten sollte, wie sie es sich wünschen.

Wollen dein Partner und du vielleicht auch bald heiraten und habt andere oder ähnliche Erfahrungen bei einem Ehevorbereitungsseminar gemacht? Vielleicht hast du ja eine ganz andere Meinung zu Kursen wie diesen oder kannst mit einer kirchlichen Hochzeit nicht viel anfangen?

Jessica Tomala
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Bildquelle: iStock/Rawpixel, Privat, iStock/thanasus, Giphy/tvland.com

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