Ein Sabbatical kannten wir bisher nur aus der Arbeitswelt: Man nimmt sich eine Auszeit von seinem Job, um wieder einen klaren Fokus zu bekommen und herauszufinden, ob man vielleicht einen anderen Weg einschlagen sollte. Das gleiche Konzept lässt sich auch auf das persönliche Liebesleben anwenden: Die Ärztin und Autorin Lena Lamberti hat den Selbstversuch gewagt und ein ganzes Jahr auf Beziehungen, Dates und Sex verzichtet. Im Interview hat sie uns erklärt, warum sie jetzt einen völlig anderen Blick auf Beziehungen hat.
Dies ist die gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Gespräch kannst du dir im aktuellen desired-Podcast anhören!
desired: Gab es einen Auslöser dafür, dass du dich dazu entschieden hast, auf einmal 365 Tage lang aufs Dating zu verzichten?
Lena Lamberti: Ich war damals 28, jetzt bin ich 32 Jahre alt, es war also vor etwa drei Jahren. Ich war tief frustriert von der Liebe und vom Dating. Ich hatte das Gefühl, dass ich immer wieder ganz ähnliche Situationen mit anderen Männern erlebe. Ich bin immer wieder dem Thema „Unnahbarkeit” begegnet: Ganz tief in mir habe ich mich nach wahrer Liebe und einer festen Beziehung gesehnt. Aber ich hatte das Gefühl, dass egal, was ich mache, ich nie dort ankomme. Nachdem ich mich dann von einer zweieinhalbjährigen On-Off-Beziehung gelöst habe, habe ich gesagt: ‚Hier reicht's!’ In dieser Phase war so viel emotional in mir los, dass ich gemerkt habe, dass ich etwas in mir verändern muss: Wenn ich immer so etwas erlebe, dann hat es etwas mit mir zu tun – es kann nicht nur an den Männern liegen!
Desto mehr ich nach der Liebe gesucht habe, desto mehr hatte ich eine Art Dating Burnout. Nachdem ich dann trotzdem wieder mit einem Mann Sex hatte, obwohl ich es nicht so richtig wollte, habe ich mich nackt im Spiegel angesehen und mir gesagt: Diese Frau willst du doch nicht sein! Als mir dann Tränen über die Wange liefen, dachte ich mir, dass ich eine Pause brauche. Da war dann klar: Ich mach das jetzt, das ist das, was ich gerade brauche!
Es war dir also von Anfang an klar, dass es ein ganzes Jahr sein muss?
Ja, mir wurde bewusst, dass es mir schwerfällt, Grenzen zu setzen. Deswegen hatte ich auch oft das Gefühl, mich mit jemandem im Bett wiederzufinden, obwohl ich es gar nicht wirklich wollte. Es reichte nicht mehr Nein zu sagen, ich brauchte ein Gelübde, etwas, das ich öffentlich kundtue, um mir selbst treu bleiben zu können. Deswegen habe ich dazu auch einen Blog geschrieben, um etwas zu haben, an das ich mich halte – ähnlich wie mit einer Diät. Wenn du dir nur selbst vornimmst, eine Diät zu machen, schnappst du dir doch wieder die Schokolade, wenn sie herumliegt. Wenn du das aber öffentlich machst, über einen Blog oder auf Instagram, dann bist du mehr bei der Sache.
Hattest du am Anfang „Entzugserscheinungen“ oder die Angst, ausgerechnet jetzt deinem Traummann zu begegnen?
Tatsächlich beides! Am Anfang fiel es mir am schwersten, mein Dating Sabbatical durchzuhalten. Ich war daran gewöhnt, Zuneigung und Liebe im Außen zu finden. Sobald ich dann realisiert habe, dass ich auf mich alleine zurückgeworfen war, war das erst mal hart: Da ist niemand, der dich in den Arm nimmt, ich kann gar nicht auf meine alten Bewältigungsmechanismen zurückgreifen. Ich musste mir etwas ganz Neues aufbauen. Es klingt total blöd, aber ich habe wirklich gelernt, mich selbst in den Arm zu nehmen. Je mehr ich dann Liebe und Zuneigung in mir selbst gefunden habe, desto leichter wurde es. Es war aber tatsächlich wie ein Entzug! Auch bei Alkoholkranken sind die ersten drei Wochen des Entzugs richtig hart. Man merkt richtig, wie sich der Körper dagegen wehrt. Diese Entzugserscheinungen hatte ich auch. Je länger ich aber im „Date-Detoxing“ war, desto besser ist es mir ergangen.
Viele Frauen machen die Erfahrung, dass sie vor allem dann von Männern angesprochen werden, wenn sie gerade eigentlich nicht auf der Suche sind, womöglich, weil sie das unbewusst ausstrahlen. War das bei dir auch so?
Ja, ich glaube das hat viel mit Bedürftigkeit zu tun. Wenn du bedürftig bist, merkt das der andere. Du bist in einer permanenten inneren Anspannung: Du willst etwas passend machen. Wenn ich im Hinterkopf habe, es einem Mann passend zu machen, überlege ich zum Beispiel die ganze Zeit, was ich ihm schreiben soll. Ich bekomme auch oft Fragen von meinen Leserinnen, die wissen wollen, was sie beim Dating machen sollen. Ich frage sie dann immer, was sich für sie denn richtig anfühlt. Wenn du deiner wahren inneren Stimme folgst und du dir treu bist, dann ziehst du auch das an, was in deinem (Liebes-)leben zu dir gehört. Dann hast du eine anziehende Energie, weil du etwas gibst, statt immer etwas haben zu wollen. Auszustrahlen, dass man geliebt werden will, funktioniert im Dating überhaupt nicht! Als erstes musst du dein Herz aufmachen und dich lieben.
Es ging dir also nicht darum, herauszufinden, ob du eine Beziehung möchtest oder nicht, sondern mehr um deine Bedürfnisse?
Ja, es ging darum, herauszufinden, wer ich eigentlich bin und was ich will. Damals mit 28 wusste ich gar nicht, wer ich wirklich bin: Ich hatte einen Job, der überhaupt nicht zu mir und meinen Werten passte, ich war in einer unbefriedigenden On-Off-Beziehung und bin dem Mainstream hinterhergelaufen. Daher wollte ich zu mir finden und aus dieser inneren Ruhe heraus das Leben führen, das wirklich zu mir passt.
Im vollständigen Podcast-Interview haben wir mit Lena Lamberti außerdem darüber gesprochen, wie sich ihr Sexleben durch das Dating Sabbatical verändert hat und, ob bewusster Verzicht in unserer heutigen Welt generell nötig ist, um psychisch klar zu kommen:
Vielen Dank für das Interview, Lena!
Es ist wichtig, herauszufinden, was man in einer Beziehung braucht, um langfristig glücklich zu sein. Finde heraus, wie groß dein Freiheitsbedürfnis ist:
Bildquelle: Lena Lamberti