Vor kurzem habe ich die letzte Staffel der Serie „New Girl“ gesehen und war schnell ziemlich genervt von den Hauptcharakteren Jess und Nick. Denn sowohl Jess als auch alle Freunde des Paares warteten sehnsüchtig darauf, dass Nick ihr endlich einen Heiratsantrag macht. Die Vorstellung, dass der Mann den Antrag machen muss, begegnet uns in Filmen und Serien immer wieder – und nicht nur da, auch im echten Leben sehnen viele Frauen die Frage aller Fragen herbei. Für mich wirft das jedoch eine ganz andere Frage auf: Darf der Mann immer entscheiden, wann es Zeit für eine Hochzeit ist?
Die Tradition war laut einer 2016 durchgeführten Umfrage der Online-Datingplattform Elitepartner vor allem Frauen wichtig. 48 Prozent gaben an, der Antrag sei Männersache. Dieser Ansicht waren hingegen nur noch 29 Prozent der Männer. In der Umsetzung sind die Zahlen noch wesentlich extremer. Eine Online-Umfrage des Hochzeitskarten-Anbieters Kartenmacherei fragte Anfang 2019 unter anderem danach, wer den Antrag gemacht hat. Das wenig überraschende Ergebnis: In 80 Prozent der Fälle war es der Mann. Da hilft es auch nicht, dass 70 Prozent der Herren das gar nicht mehr unbedingt als ihre Aufgabe sehen.
Versteht mich nicht falsch, ich finde es überhaupt nicht verwerflich, wenn ein Mann seiner Liebsten einen Antrag machen möchte. Oder wenn es einer Frau lieber ist, einen romantischen Antrag zu bekommen, als selbst einen zu machen. Was mich stört, ist diese implizite Annahme, die scheinbar immer noch in so vielen Köpfen vorherrscht: Frauen warten ab Tag 1 der Beziehung auf einen Antrag, Männer müssen dazu hingegen erst mal bereit sein. Und deshalb dürfen sie selbstverständlich entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für eine Ehe ist.
Ist die Ehe keine gemeinsame Entscheidung?
Schaut man sich die lange Geschichte der Ehe an, ist es nun mal so, dass Vermählungen früher nicht vorrangig aus Liebe geschlossen wurden. Männer wollten eine Frau, die für Nachkommen sorgt und sich um die Familie kümmert, Frauen einen Mann, der sie finanziell absichert. Die unmündige Frau ging quasi aus dem Besitz ihres Vaters in den ihres Mannes über.
Heute sieht das glücklicherweise anders aus. Liebe ist für die meisten Paare der wichtigste Grund für eine Heirat. Und diese Liebe sollte natürlich von beiden Partnern gleichermaßen ausgehen. Dementsprechend wäre es nur logisch, wenn im 21. Jahrhundert auch die Entscheidung für eine Ehe gemeinsam getroffen wird. Klar, wird sie das auch, wenn einer den anderen fragt und der den Antrag annimmt. Allerdings sollte es gerade in einer langjährigen Partnerschaft möglich sein, sich auch ohne Antrag über das Thema Heirat zu unterhalten und einen Konsens zu finden.
In Filmen und Serien wird uns hingegen sehr häufig ein anderes Bild vermittelt. Nehmen wir mein Beispiel vom Anfang, die Serie „New Girl“: Während Jess eigentlich sehnsüchtig auf einen Antrag wartet, behauptet sie vor Nick, eine Heirat sei ihr gar nicht so wichtig. Nick wiederum plant schon lange, ihr einen Antrag zu machen, lässt sie jedoch in dem Glauben, keine Heiratsabsichten zu haben und heult sich stattdessen bei ihrem Vater aus.
„Ich hätte niemals damit gerechnet!“
Dieses Bild, das die Medien zeichnen, wirkt sich natürlich auf die Realität aus. Oder sind es unsere altmodischen Vorstellungen, die in den Geschichten nur realistisch aufgearbeitet werden? Ich kenne jedenfalls mehrere Frauen in Langzeitbeziehungen, die sich schon seit Jahren wünschen, dass ihr Partner ihnen einen Antrag macht. Doch statt das Thema direkt anzusprechen, machen sie unauffällige Andeutungen.
Auch finde ich es immer wieder seltsam, wenn Bekannte von ihrer Verlobung erzählen und dann erklären, dass sie niemals damit gerechnet hätten, dass er ihnen einen Antrag macht. Okay, vielleicht nicht zu diesem Zeitpunkt oder an diesem Ort. Aber so überhaupt nicht? Ist es dann nicht etwas zu viel verlangt, spontan mit einem „Ja“ oder „Nein“ über die eigene Zukunft zu entscheiden? Immerhin hatte er Wochen oder gar Monate Zeit, um den Antrag zu planen. Sie hingegen soll sich innerhalb von ein paar Sekunden entscheiden. Ein „Darüber muss ich erst mal nachdenken“ ist schließlich nicht gern gesehen und kann mitunter die gesamte Beziehung belasten.
Warum schaffen Paare es nicht, offen über das Thema Heirat zu sprechen?
Doch warum ist es häufig so schwierig, das Thema Heiraten in einer Beziehung anzusprechen? Liegt es daran, dass wir Frauen insgeheim Angst haben, unsere Partner damit zu verschrecken oder einzuengen? Das mag vielleicht am Anfang einer Beziehung ein Grund sein, doch wenn jemand nach mehreren Jahren Beziehung bei dem Wort „Heirat“ noch immer Panikattacken bekommt, gibt es vermutlich ein tieferliegendes Problem. Natürlich gibt es viele Menschen, in deren Lebensplanung eine Ehe einfach nicht vorgesehen ist. Immerhin beweisen viele Paare, dass man auch unverheiratet glücklich miteinander alt werden kann. Doch um herauszufinden, wie der Partner zu diesem Thema steht, muss man es erst einmal ansprechen.
Vielleicht ist auch gerade der Fakt, dass wir uns als emanzipierte Frauen sehen, für die eine Hochzeit im Leben nicht alles ist, der Grund, warum wir Probleme haben, offen darüber zu reden. Mir persönlich war es zum Beispiel nie wichtig, ob ich mit meinem Partner verheiratet bin oder nicht. Auch in meiner Beziehung war es mein Freund, der das Thema Heiraten zum ersten Mal angesprochen hat. Relativ schnell sind wir uns dann einig geworden, dass wir beide gerne in den nächsten Jahren heiraten würden, aktuell aber keine Lust auf den ganzen Hochzeitsstress haben.
Ich bin froh, dass ich in meiner Beziehung so offen über dieses Thema sprechen kann. Allerdings kenne ich genügend Frauen, für die genau das der Horror wäre. Denn sie wünschen sich eben diesen Überraschungsmoment, der mir selbst so befremdlich erscheint. Das Problem dabei: Auf Dauer kann es der Partnerschaft schaden, wenn wir unsere Erwartungen an den anderen nicht klar kommunizieren. Wer still abwartet und hofft, dass der Partner die eigenen Gedanken liest, baut dadurch schnell Frust auf. „Und der sorgt womöglich dafür, dass man mit kleinen, spitzen Äußerungen Druck und Vorwürfe in die Beziehung bringt“, erklärt die Paartherapeutin Vera Matt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Es gibt nicht den einen richtigen Weg für einen Antrag
Ich bin übrigens nicht die Einzige, die findet, dass ein klassischer Heiratsantrag nicht unbedingt nötig ist. Immerhin ein Drittel der Teilnehmer einer Elitepartner-Umfrage finden, dass die Verlobung eine gemeinsame Entscheidung sein sollte. Und auch bei der der Kartenmacherei-Umfrage vom Anfang kam raus, dass es bei 17 Prozent der Verlobungen gar keinen klassischen Antrag mehr gab.
Letztendlich ist es doch egal, ob er oder sie den Antrag macht oder ob beide spontan bei einem Gespräch auf der Couch entscheiden, demnächst zu heiraten. Was ich mir wünschen würde, ist, dass die implizite Erwartung, der Mann habe den Antrag zu machen, endlich aus unseren Köpfen gestrichen wird. Denn veraltete Konventionen setzten beide Partner unter Druck und führen am Ende dazu, dass wir nicht so handeln, wie wir es eigentlich gerne würden. Es ist nichts Verwerfliches daran, sich einen romantischen Antrag mit Kniefall zu wünschen. Genauso wenig verwerflich ist es aber, den Partner um eben diesen zu bitten – oder ihm einfach selbst einen Antrag zu machen.
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