Über offene Beziehungen gibt es viele Klischees: Sie sind oberflächlich und sobald der Nächstbeste kommt auch schon wieder vorbei. Doch damit eine offene Beziehung funktionieren kann, braucht es genau das Gegenteil: Eine sichere Bindung – zu sich selbst aber auch zum Partner oder der Partnerin. Wie das funktionieren kann, darüber haben wir mit Kaiya Magdalena gesprochen. Sie ist selbst in einer offenen Beziehung und Traumatherapeutin.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir in unserer Podcast-Folge anhören.
desired: Du lebst selbst in einer offenen Beziehung. War das schon immer so oder haben du und dein Partner eure Beziehung irgendwann geöffnet?
Kaiya Magdalena: Wir hatten beide schon vor unserer Beziehung Berührungen mit dem Thema und haben uns damit auseinandergesetzt, welche Beziehungsformen es neben der klassischen monogamen Beziehung noch gibt. Deshalb war uns auch von Anfang an klar, dass es bei uns eher nicht auf eine monogame Beziehung hinauslaufen wird. Trotzdem hatten wir eine längere Einlassphase in der wir größtenteils monogam waren. Mit Einlassphase meine ich das, was nach der ersten Verliebtheit kommt, wenn man nochmal prüft, ob man wirklich so gut zusammenpasst, wie man am Anfang dachte. In dieser Phase wollten wir uns auf uns konzentrieren und eine gute Basis schaffen, damit später eine sichere Bindung da ist, die es uns dann auch leichter macht, uns auf andere einzulassen.
Du sagst von dir selbst, dass du dich früher oft als beziehungsunfähig betrachtet hast. Glaubst du, eine offene Beziehung kann für jeden funktionieren?
Das würde ich ganz klar verneinen. Ich denke, es hat schon seine Gründe, warum die monogame Beziehung sich so lange durchgesetzt hat. Viele übersehen, wie viel Triggerpotenzial eine offene Beziehung mit sich bringt. Es ist wirklich kein einfacher Weg und kann nur funktionieren, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen und zu schauen, wie man sich einen Schutzraum für die Partnerschaft außerhalb der Monogamie schaffen kann.
Welche Beziehungsformen gibt es überhaupt? Im Video geben wir eine Übersicht:
Wie kann ein solcher Schutzraum aussehen?
Es gibt ganz unterschiedliche Formen von offenen Beziehungen. Ich rate den Leuten immer, ihre eigenen Regeln zu finden und wirklich zu schauen, was zu einem passt und womit man sich wohl fühlt. Für mich ist immer die Frage entscheidend: Welche Absprachen verschaffen euch das Gefühl von Sicherheit? Für mich war es damals zum Beispiel wichtig zu sehen, dass mein Partner langfristig mit mir etwas aufbauen möchte. Es hilft aber auch Absprachen zu Fragen zu treffen, die sich in einer offenen Beziehung ganz unweigerlich stellen. Was ist zum Beispiel, wenn sich einer verliebt? Wir haben hier für uns besprochen, dass sich dann nicht gleich getrennt wird. Diese Gewissheit bringt wahnsinnig viel Sicherheit mit sich. Viele machen sich zu Beginn einer offenen Beziehung jedoch wenige Gedanken darüber und sind eher auf sexuelle Abenteuer aus. Dann fehlt jedoch oft eine Grundlage, durch die die Beziehung langfristig stabil bleibt.
Da wären wir wieder beim Stichwort „sichere Bindung“. Wie kann man sicherstellen, dass diese da ist?
Da ist natürlich erst mal die Frage, was kreiert überhaupt Bindung? Für mich bedeutet das ganz stark, dass man sich emotional verletzlich zeigt und fürsorglich und respektvoll miteinander umgeht. In einer offenen Beziehung kommt es immer wieder zu Stellen von innerer Not, Überforderung und Verlassenheitsängsten. Mit diesen sollte man nicht alleine klarkommen müssen. Stattdessen sollte man als Beziehungsgegenüber versuchen, darauf einzugehen und so ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Man braucht das Gefühl, sich auf den anderen verlassen zu können. Zu wissen, dass der andere für einen da ist, wenn es einem schlecht geht, ist sehr wichtig.
Vielen Menschen, egal ob in einer offenen oder in einer monogamen Beziehung fällt es schwer, ihre Bedürfnisse so klar zu kommunizieren. Man hat schnell die Angst als „needy“ rüberzukommen. Wie kann man daran arbeiten?
Ich glaube, hier ist es ganz wichtig, einen reiferen Umgang mit Reibungen in Beziehungen zu finden. Die Realität ist eben nicht wie ein Disneyfilm, in dem alle immer die gleichen Bedürfnisse haben. In Beziehungen treffen häufig unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander und es ist wichtig, darüber zu kommunizieren. Wenn mir das schwerfällt, ist es wichtig, dass ich an meiner Beziehung zu meiner eigenen Bedürftigkeit arbeite und mir nicht immer wieder sage, dass ich und meine Bedürfnisse eine Last für andere sind. Ich muss versuchen, zu verinnerlichen, dass ich mit meinen Bedürfnissen in der Welt willkommen bin. Bedürftigkeit kann sogar förderlich für die Beziehung sein. Wenn mich etwa eine Freundin anruft und mich um Unterstützung bittet, dann freue mich doch, dass sie mir dieses Vertrauen entgegenbringt und ich die Person bin, zu der sie in einer schweren Situation kommt. Genauso sollte es auch in einer Beziehung sein. So kann die Bindung sogar noch gestärkt werden, wenn ich in einer Notsituation den entsprechenden Rückhalt spüre.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Interview kannst du dir in unserer Podcast-Folge zum Beispiel auf Spotify, Apple Podcasts oder hier bei Youtube anhören:
Bildquelle: privat