Du lernst jemanden kennen, mit dem du dich auf Anhieb verstehst. Ihr habt Sex und auch sonst unternehmt ihr öfter Dinge miteinander. Klingt nach dem Beginn einer Beziehung? Nicht immer. Unsere Generation ist geprägt von Beziehungs-Mischformen. Irgendwie will sich niemand mehr so richtig festlegen, hat man das Gefühl. Einsamkeit ist jedoch auch nicht so cool – warum sich also nicht jemanden suchen, mit dem man gleichzeitig die Vorteile einer Partnerschaft UND des Single-Daseins genießen kann?
Mingle: Was ist eine Halbbeziehung?
Beziehungsstände gibt es viele. Manche sind klar definiert, wie verliebt, verlobt oder verheiratet, andere hingegen sind schwerer zu beschreiben. So finden wir uns heute häufig in einem Wirrwarr aus offener Beziehung, Freundschaft Plus bzw. Friends with Benefits oder auch Sexbeziehung wieder. Das Wort Mingle, eine Kombination aus „mixed“ und „Single“, beschreibt jedoch eine Art Halbbeziehung, bei der man die Frage „Seid Ihr zusammen?“ weder mit „Ja“ noch mit „Nein“, stattdessen am ehesten mit „Jein“, beantworten könnte.
„Viele Leute wissen nicht mehr, ob sie nun in einer Beziehung sind oder nicht“, sagt Diplom-Psychologin Wiebke Neberich, wissenschaftliche Beraterin bei eDarling. So trifft man einen Menschen, den man anziehend findet, man lernt sich kennen, mag sich, küsst sich. Man trifft sich wieder, irgendwann hat man das erste Mal Sex. Man trifft sich immer öfter, mal in größeren, mal in kleineren Abständen, manchmal hört man aber auch ein paar Tage nichts voneinander. Irgendwie ist man zwar offiziell Single, vermischt diese Lebensweise aber mit der eines Pärchens – Mingle eben.
Mingle: Woher kommt der Trend?
Nicht nur in der Liebe, sondern generell in unserer Gesellschaft gibt es die Tendenz zur Optimierung, die der Generation der 20- bis 30-Jährigen – bevorzugt Mingles – von klein auf eingeimpft wurde. Der Gedanke, dass einem noch jemand Besseres über den Weg laufen könnte, ruft eine Bindungsangst hervor, die für beide Mingle-Parteien schädlich ist, weil sie permanente Unruhe und Verunsicherung verursacht und es den Betroffenen unmöglich macht, ein beständiges Gefühl von Geborgenheit innerhalb ihrer Mingle-Beziehung zu finden. Wir haben heute durch Internet und Dating-Apps so viel mehr Möglichkeiten, neue Leute kennenzulernen, als unsere Elterngeneration. Diese Reizüberflutung lässt das Gefühl von Sicherheit immer mehr schwinden.
Steht uns unsere Selbstverwirklichung im Weg?
Doch nicht nur die Angst, den Einen oder die Eine zu verpassen, wenn man sich zu jemand anderem so richtig bekennt, bremst den Bindungswillen des Mingles: Auch der explizite Wunsch nach Selbstverwirklichung stellt sich gerade bei unserer Generation dem bekennenden Pärchen-Dasein entgegen. Wir werden immer später sesshaft, da wir stets das Gefühl haben, wir müssten mehr von der Welt sehen, so viele Dinge ausprobieren, Erfahrungen sammeln oder noch einen Schritt höher auf der Karriereleiter kommen; uns einfach selbst finden.
Welche Vorteile hat das Mingle-Dasein?
Die Zwischenbeziehung des Mingles ist nicht umsonst so beliebt. Sie kommt genau recht, wenn man in vielen Punkten des Lebens noch unentschlossen ist. Dabei kannst du folgende Vorteile genießen:
- Alles ist unverbindlich; deine Freiheit wird um keinen Preis eingeschränkt.
- Du kannst die Zeit mit jemandem genießen, mit dem du auf einer Wellenlänge bist und Spaß hast.
- Du kannst guten Sex haben, wann immer du willst.
- Du hast keine Verpflichtungen und musst keine Kompromisse wie in einer normalen Beziehung eingehen.
- Du kannst schlicht und einfach tun und lassen, was du willst.
- Gleichzeitig bekommst du auch Momente der Zweisamkeit, wenn dir kuschelig zumute ist und du dich nach einer Schulter zum Anlehnen sehnst.
- Alles ist noch offen: Du kannst jederzeit auch jemand anderen kennenlernen und daten, mit dem du vielleicht mehr willst, ohne dich schlecht zu fühlen.
Aber Achtung: Auch wenn du als Mingle ungebunden bist, so solltet ihr zu Beginn trotzdem klar definieren, was für euch okay ist, und was nicht geht. Ihr möchtet beide auch andere Leute treffen? Kein Problem! Solange ihr die Regeln abgesteckt habt, wird eure Mingle-Beziehung von Erfolg gekrönt sein.
Welche Nachteile hat eine Mingle-Beziehung?
Natürlich muss so eine schwammig definierte Beziehungsform nicht nur Vorzüge, sondern auch Nachteile mit sich bringen:
- Wenn man mit einer Person sehr vertraut ist, tollen Sex hat und hin und wieder auch mal nebeneinander einschläft, kann es schnell passieren, dass sich mehr Gefühle entwickeln, als einem Mingle lieb ist. In diesen Momenten fühlt es sich schließlich irgendwie doch wie eine echte Beziehung an und man verliebt sich vielleicht sogar.
- Wenn der Partner oder die Partnerin dann am nächsten Morgen verschwindet, bleibt man im Ungewissen darüber, wann man sich das nächste Mal wieder sieht.
- Es kann traurig machen, das Gefühl zu haben, nicht zu genügen; nur der Lückenbüßer zu sein, bis etwas Besseres kommt.
- Hinzu kommt, dass der unfreiwillige Mingle insofern geschädigt wird, als dass er in kommenden Partnerschaften vielleicht auch Angst davor hat, verletzt zu werden.
Die Mingle-Beziehung kann also zur Falle werden, die anfangs vielleicht verlockend wirkt, sich jedoch im Laufe der Zeit zumindest für einen von Zweien zum Nachteil entwickeln kann.
Sollte man besser gleich eine offene Beziehung führen? Wir diskutieren im desired-Podcast über diese nicht ganz unkomplizierte Beziehungsform:
Wann sollte man eine Mingle-Beziehung beenden?
Als Mingle gehört man zwar noch zu den Singles, fühlt sich aber irgendwie auch halb vom Markt genommen. Denn eigentlich ist alles so, als sei man fest zusammen – bis auf die Unverbindlichkeit und die Tatsache, dass man nie weiß, wie lange der andere noch Lust auf das lockere Mingle-Dasein hat. Wenn beide Parteien mit dieser Regelung einverstanden sind – kein Problem. Aber wie das so ist, kommt oft irgendwann einer von beiden nicht mehr mit diesem Sex-ohne-Liebe-Ding klar.
Wenn du merkst, dass du von deinem Gegenüber mehr willst, als die Mingle-Regeln zulassen, solltest du mit ihm darüber reden. Falls seine Antwort lautet: „Mir gefällt es so, wie es ist“, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem du dein Mingle-Dasein um einen Buchstaben ändern solltest: von Mingle zu Single. Denn nichts ist schlimmer, als dass eine Partei gefühlstechnisch bis zu den Knien drin steckt, während der andere sich über den lockeren Status freut und entspannt weiter sucht. Für die Person, die mehr will und die Geschichte nur mitmacht, um den anderen nicht zu verlieren, bedeutet eine unbefriedigte Mingle-Beziehung eine Dauerfrustration und kann sich auch schädlich auf die Psyche auswirken. Andernfalls kann es natürlich auch sein, dass es für euch ein Happy End gibt und ihr nun, wo die Karten auf dem Tisch liegen, endlich eine feste Beziehung führen könnt.
Mingle ist eine Beziehungsform, die einzugehen gut überlegt sein sollte. Wenn du ein lockerer Typ bist und ohne Probleme Liebe und Sex voneinander trennen kannst, dann bist du genau richtig im Mingle-Land. Sensiblere Typen sollten sich jedoch genau überlegen, ob sie sich auf ein Abenteuer einlassen wollen, das am Ende statt einem spaßigen Zeitvertreib nur Tränen und Frust verursachen könnte.
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