Ein bisschen Eifersucht ist tatsächlich normal und vollkommen gesund, erklärt Beziehungscoach Daniela van Santen. Im Gegensatz zur sogenannten reaktiven, also normalen Eifersucht steht jedoch die krankhafte Eifersucht. Mit dieser Form beschäftigt sich van Santen intensiv in ihrer Hamburger Liebeskummerpraxis und der einzigen Eifersuchtssprechstunde Deutschlands. Denn krankhafte Eifersucht ist für die Betroffenen aber auch deren Parter*innen, die „absolute Hölle“. Woran man krankhafte Eifersucht erkennt, welche überraschenden Gründe dahinterstecken können und wie Betroffenen geholfen werden kann, erklärt die Expertin im Podcast.
Dies ist eine verkürzte schriftliche Form unseres Podcasts. Die ganze Folge kannst du hier hören.
Frau van Santen, ich stelle mal die These auf, dass jeder Mensch, der in einer Beziehung ist oder war, schon mal mit Eifersucht konfrontiert war. Ist das meine selektive Wahrnehmung oder ist an der These was dran?
Daniela van Santen: Jein. Ich muss ein bisschen „Erbsen zählerisch“ anfangen. Es ist grundsätzlich so, dass fast jeder – nach einer amerikanischen Forschung 98 Prozent aller Menschen – das Gefühl der Eifersucht kennt. Aber das ist wirklich eine etwas steile These zu sagen, dass jeder Mensch in seiner Beziehung schon einmal eifersüchtig war, das stimmt natürlich nicht. Viele ja, aber nicht jeder, weil es auch Beziehungen gibt, in denen es einfach gar keinen Grund gibt, eifersüchtig zu sein. Grundsätzlich gibt es aber eine Option auf Eifersucht. Wenn ein Paar noch keine solche Situation erlebt hat, kann es trotzdem passieren, dass ein Grund zur Eifersucht entsteht – und dann wird die auch einsetzen. Eifersucht gehört für mich zur Liebe dazu. Das ist auch eine steile These.
Inwiefern? Können Sie das weiter ausführen?
Eifersucht entsteht dann, wenn der eigene Status gefährdet sein könnte. Das bedeutet, ich bin in einer Partnerschaft, ich liebe meinen Partner und jetzt kommt eine andere Person, die ist schöner, die ist klüger, der Partner „flirtet“ und lacht mit ihr – vor allem Frauen messen sich ja oft selbst an anderen. Das ist natürlich nur die eigene Wahrnehmung. Oder die beiden haben eine eigene Vergangenheit, dann kann Eifersucht auf die Ex-Partnerin entstehen; das Rebecca-Syndrom. Der eigene Status könnte gefährdet sein, weil er sie vielleicht noch liebt. Heißt, er könnte die ja besser finden, sich von mir abwenden und dann bin ich raus. Und dann kommen Verlustängste.
Manchmal hat es auch mit dem Partner zu tun. Wenn man jemanden hat, der sehr gern flirtet und der sehr viel Bestätigung von außen sucht, dann ist es natürlich eine andere Situation als mit jemandem, der auf seine Partnerin eher fixiert ist. Das hat jetzt aber nichts mit gut oder schlecht zu tun – keine Wertung. Es hängt auch ganz stark damit zusammen, dass man mit dem Partner kommuniziert und sagt: „So, wo fängt bei dir Fremdgehen an? Also wann wirst du eifersüchtig? Wenn ich mit einer anderen Person lache, spreche oder die in den Arm nehme?“ Das ist ganz individuell. Da gibt es auch wieder kein richtig oder falsch.
Hilfestellungen, um normale Eifersucht in den Griff zu bekommen, siehst du in diesem Video:
Ist Eifersucht normal?
Ich würde da eher etwas anders ansetzen, weil wir bis jetzt von der normalen Eifersucht gesprochen haben. Die ist vollkommen gesund, vollkommen in Ordnung. Selbst kleine Kinder im Alter von ungefähr 6 Monaten kennen das Gefühl der Eifersucht schon. Das gehört sozusagen zur Grundausstattung des Menschen. Die normale, die reaktive Eifersucht, die soll auch bleiben, die ist in vielen Beziehungen sogar ein bisschen das Salz in der Suppe, damit wird manchmal gespielt.
Womit ich mich aber in meiner Praxis beschäftige, ist die krankhafte Eifersucht. Und die ist weder Salz in der Suppe oder noch etwas zum Spielen. Sondern krankhafte Eifersucht führt über kurz oder lang – nach meiner Erfahrung – immer zum Ende einer Partnerschaft. Dann ist kein klares Denken mehr möglich, es entstehen rauschartige Zustände. Warum trifft sie sich ständig mit den Arbeitskollegen? Aha, und dann wird geguckt: Haben die gleichzeitig frei, sind die zusammen bei den Meetings, sind die bei Geschäftsreisen zusammen? Dann geht die quälende Fantasie los. Ich genüge nicht, der wird mich verlassen.
Damit die krankhaft Eifersüchtigen beruhigt werden kann, fordern sie zum Beispiel Beweisfotos oder Videos aus dem Hotelzimmer. Am besten mit aktueller Tageszeitung – aber am Ende wird unterstellt: Die Arbeitskollegin versteckt sich eh hinterm Sofa. Es hat ganz viel mit Fantasie zu tun, ganz viel mit Einbildung. Irgendwann reagiert der von der Eifersucht Betroffene dann womöglich auch ungehalten und sagt „du, dann können wir das ja auch gleich lassen hier, ich mach das nicht mehr mit“. Zack, Verlustängste, reale Verlustängste, wenn angedroht wird, die Beziehung zu beenden. Und dann wird es erst „eingesehen“, um die Situation zu entschärfen. Leider ist das nur eine kurze Einsicht.
Wieso können Menschen von der normalen, reaktiven zur krankhaften Eifersucht gelangen?
Die krankhafte Eifersucht tritt häufig als Epiphänomen (Anm. d. Red.: Begleiterscheinung) bei Depressionen, Psychosen oder Angsterkrankungen auf. Aber, und das ist sehr interessant, auch bei Alkoholsucht, geringgradiger Impotenz, bei ungleichen Paarkonstellationen, bei großen Altersunterschieden, Besitzdenken etc. Und ganz oben auf der Skala: Selbstzweifel, geringes Selbstwertgefühl und/oder Verlustängste.
Bei der krankhaften Eifersucht können auch körperliche Ursachen zugrunde liegen. Das bedeutet, wenn zum Beispiel ein Schilddrüsenproblem vorliegt, bei dem Hormone ja stark aus dem Gleichgewicht geraten. Daraus können Depressionen entsteht und davon kann krankhafte Eifersucht ein Epiphänomen sein. Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder mit einem Schilddrüsenproblem auch krankhaft eifersüchtig ist. Aber es kommt immer darauf an, was man dann daraus entwickelt.
Wenn Betroffene zu mir kommen, frage ich nicht nur die komplette Beziehungsgeschichte ab, sondern eben auch nach bestimmten Erkrankungen und ob in der Familie zum Beispiel Schilddrüsen Erkrankungen bekannt sind. Ich rate einen Endokrinologen aufzusuchen. Wenn sich im Gespräch herausstellt, dass jemand extrem viel Alkohol trinkt, möglicherweise Alkoholiker ist, dann mache ich an der Stelle erst mal gar nicht weiter, sondern erkläre, dass die krankhafte Eifersucht sehr, sehr wahrscheinlich damit zusammenhängt und rate, einen Entzug zu machen.
Wodurch zeichnet sich krankhafte Eifersucht aus?
Es ist die absolute Hölle für die krankhaft eifersüchtige Person. Es ist aber auch die absolute Hölle für denjenigen, der ständig beschuldigt wird zu lügen, zu hintergehen, unehrlich zu sein. Am Anfang ist es meistens recht harmlos, da geht es jetzt noch gar nicht offensichtlich um krankhafte Eifersucht. Wenn man zum Beispiel sagt, „du hast mit der so viel geredet. Jetzt bin ich aber ein bisschen eifersüchtig“, kommt meistens eine ganz liebe Reaktion, mit Umarmung und Sätzen wie „das finde ich ja süß, ist ja auch ein Zeichen von Liebe“ und so weiter.
Bei krankhaft Eifersüchtigen ist das aber leider eine Ermutigung für mehr: Er oder sie findet's ja gut, dann kann ich ja weitermachen. Das Problem bei der krankhaften Eifersucht ist oft, dass die Menschen erst zu mir kommen, wenn die Beziehung so gut wie vor dem Aus steht, wenn es wirklich aussichtslos erscheint. Es ist trotzdem oft noch möglich, das Ruder umzureißen, ich arbeite dann aber auch oft mit beiden.
Wie sieht ihre Arbeit mit krankhaft eifersüchtigen Menschen aus?
Zuerst finde ich heraus, um welche Form der Eifersucht es sich handelt. Dann werden in Gesprächen die Ursachen dafür ausgemacht. Dabei geht es konkret um die typischen Situationen; wie die krankhafte Eifersucht ihren Lauf nimmt und befeuert wird, bis hin zum Endpunkt, dem rauschartigen Zustand der Eifersucht. Die Gedanken, die entstehen, entstehen meistens, wenn der Klient zu viel Zeit hat. Zeit zum Grübeln, Zeit detektivisch zu arbeiten und zu analysieren. Wenn im Kopf diese „Gewissheit“ entsteht, ist es nicht mehr weit bis zur Konfrontation mit dem Partner und dann zum Eifersuchtsrausch. Mit jeder dieser Situationen geht die Beziehung ein Stück weit mehr kaputt, bis es irgendwann nicht mehr geht.
Ich erarbeite mit meinen Klienten in der Praxis auf der ersten Stufe wie der rauschartige Zustand abgewendet werden kann und in der zweiten Stufe, sollte der Eifersuchtsrausch nicht zu verhindern sein, finden wir Wege, ihn zu stoppen. Die Suche nach einem geeigneten Weg ist oft eine Art kreative Reise, aber wir werden immer fündig und finden Wege. Das heißt, man lernt auch wieder, ganz normal zu reagieren.
Mehr über die Arbeit von Daniela van Santen und ihrer Liebeskummerpraxis erfährst du hier, Infos über die Eifersuchtssprechstunde findest du hier. Die gesamte Podcast-Folge mit der Expertin kannst du bei beispielsweise bei Spotify oder Youtube hören.
Bildquelle: Petra Wedler