Viele gesellschaftliche Minderheiten werden tagtäglich mit Vorurteilen konfrontiert, die absolut nichts mit der Realität zu tun haben. Während das kritische Bewusstsein in manchen Bereichen wächst, werden Klischees über homosexuelle Frauen aus schlichtem Unwissen über deren Lebenswelten tagtäglich reproduziert. Damit das endlich aufhört, möchte ich sieben Vorurteile über lesbische Frauen widerlegen.
Vorurteil #1: „Lesbe“ ist eine abwertende Bezeichnung
Unter meinem Artikel über Brautmode für Lesben wurde anschließend auf unserer Facebookseite diskutiert, ob „Lesbe“ nicht eine diskriminierende Bezeichnung sei. Dies scheint aber eher eine geläufige Fehlannahme unter Heteros zu sein, denn die Bezeichnungen „Lesbe“ gilt unter homosexuellen Menschen genauso wenig als abwertend wie „schwul“. Dass „Lesbe“ in den Ohren mancher Menschen einen abwertenden Unterton hat, liegt wohl an der traurigen Tatsache, dass Formulierungen wie „Die sieht voll aus wie 'ne Lesbe!“ oder „Ich kann keinen Kurzhaarschnitt tragen, sonst sehe ich aus wie eine Kampflesbe!“ im Sprachgebrauch vieler Menschen üblich sind.
Der „Bund lesbischer & schwuler JournalistInnen“ hat zu diesem Thema einen Leitfaden mit dem Titel „Schöner schreiben über Lesben und Schwule“ veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass sowohl „Lesbe“ als auch „lesbisch“ in der Regel als selbstverständliche Beschreibung der eigenen sexuellen Identität verwendet werden. Problematisch hingegen sei die – oft gut gemeinte – Bezeichnung „Lesbierin“. Diese stammt aus der Geschichte der Psychiatrie und bezeichnete einst weibliche Homosexualität als von der Norm abweichendes krankhaftes Verhalten. Weitere absolute No-Gos kannst du dem Leitfaden entnehmen. Wie du dich als homosexuelle Frau selbst bezeichnest, bestimmst natürlich nur du allein. Solltest du dich dennoch mit der Betitelung als „Lesbe“ unwohl fühlen, ist es dein gutes Recht, dein Umfeld darauf hinzuweisen.
Vorurteil #2: Es gibt immer einen „männlichen“ und „weiblichen“ Part
Manche heterosexuelle Menschen erklären anderen gerne, wie Homosexuelle so sind. Ich will nicht wissen, wie oft ich im Laufe meines Lebens schon folgenden Satz in irgendeiner Form gehört habe: „Bei lesbischen/schwulen Pärchen ist immer eine/r der Mann und eine/r die Frau.“ Wo soll ich bei diesem äußerst dämlichen Vorurteil nur ansetzen? Zuerst einmal: Heterosexuelle Leute, hört bitte auf, anderen eure Weisheiten über Lesben und Schwule auf die Nase zu binden. Nur weil ihr ein homosexuelles Paar im Bekanntenkreis habt oder euer Wissen aus stereotypen Darstellungen in Filmen und Serien herleitet, könnt ihr keine pauschalen Weisheiten über Lesben und Schwule raushauen.
Darüber hinaus zeugt dieses Vorurteil auch davon, dass sich viele Menschen homosexuelle Beziehungen nur mittels gängiger Geschlechterrollenverteilungen vorstellen können. Also übernimmt eine Frau gemäß dieses Klischees sowohl optisch als auch von ihrem Verhalten her die Rolle des Mannes, während man die andere glatt mit einer heterosexuellen Frau verwechseln könnte. Ja, es gibt zwar Lesben, die sich als sogenannte Femme (eher feminin) oder Butch (eher maskulin) identifizieren und ein entsprechendes Auftreten haben. Dennoch gibt es keine Regel, die besagt, dass Femmes nur auf Butches stehen und umgekehrt.
Vorurteil #3: Beim Sex sind die Rollen klar verteilt
Ähnlich wie auch bei Schwulen existiert das Klischee, dass beim lesbischen Sex die Rollen klar verteilt sind: Eine übernimmt immer den „aktiven Part“ während eine den „passiven“ übernimmt – sich also beispielsweise mit einem Dildo penetrieren lässt. Hier kommen wieder Vorstellungen von heterosexuellem Sex zum Tragen, die Homosexuellen übergestülpt werden. Dabei kann Sex unter lesbischen Frauen vollkommen verschieden aussehen und hängt einzig und allein von individuellen Vorlieben ab.
Im Video: Flirten homosexuelle Frauen anders als heterosexuelle?
Vorurteil #4: Lesben hassen Männer
Dieses Vorurteil liegt wohl darin begründet, dass Lesben einfach keinen Sex mit Männern haben wollen. Im Gegensatz zu Schwulen, die sich gemäß gängiger Vorstellungen besonders gut mit Frauen verstehen, wird daraus jedoch eine allgemeine Ablehnung gegenüber Männern abgeleitet. Es wirkt oft so, als wäre das Ego vieler heterosexueller Männer ganz schön angekratzt von der Vorstellung, dass diese Frauen sich nicht von ihnen angezogen fühlen. Des Weiteren werden lesbische Frauen oft als männerhassende Oldschool-Feministinnen dargestellt. Dieses weitverbreitete Vorurteil, sowohl gegenüber Lesben als auch Feministinnen, hält sich wacker. Ich werde zwar langsam müde, es zu entkräften, aber: Nein, Feminismus ist nicht mit Männerhass gleichzusetzen. Es soll sogar feministische Lesben geben, die Freundschaften zu heterosexuellen Männern führen!
Außerdem ist es doch auch ganz schön verwunderlich, dass ausgerechnet lesbischen Frauen ein Männerhass unterstellt wird. Denn wenn man mal Artikel aus Frauenmagazinen über heterosexuelle Beziehungen durchstöbert, bekommt man doch eher den Eindruck, als würde sich hier am häufigsten ständig über Männer beschwert: Männer können nicht zuhören, gehen ständig fremd, verhalten sich mies auf Dates und sind einfach insgesamt völlig unfähig. Diese Klischeedarstellungen mögen zwar auch nicht der Lebensrealität der meisten heterosexuellen Frauen entsprechen, jedoch rotzen vermutlich wesentlich mehr heterosexuelle Frauen über Männer ab, als homosexuelle.
Vorurteil #5: Lesbische Frauen haben nur sanften Blümchensex
Eigentlich kann es einem ja ziemlich egal sein, wie andere Menschen Sex haben. Die Darstellung von sexuellen Handlungen zwischen Frauen in Filmen und Serien ist allerdings oft arg romantisierend. Denn nur weil kein Penis oder ein „starker dominanter Mann“ anwesend ist, muss das nicht heißen, dass Frauen sich untereinander gegenseitig zum Orgasmus streicheln. Auch lesbische Frauen können auf härtere Sexpraktiken wie Fisting, Gagging oder SM-Rollenspiele stehen. Mittlerweile gibt es aber auch andere Darstellungen von lesbischem Sex in Mainstream-Medien, wie zum Beispiel in der sehr empfehlenswerten Netflix-Serie „Orange Is The New Black".
Vorurteil #6: In „Lesben-Pornos“ kann man viel über tatsächlichen lesbischen Sex lernen
Tatsächlich stellen sich vor allem heterosexuelle Männer Sex unter Frauen genauso vor, wie in sogenannten Lesben-Pornos. Weil viele Männer in Pornos einfach keine Penisse sehen wollen, ist diese Kategorie besonders gefragt. Bei einem Großteil dieser Pornofilmchen handelt es sich jedoch nicht um Darstellerinnen, die wirklich homosexuell sind. Darüber hinaus wird auch ein Großteil dieser Filme von Männern für ein männliches Publikum gedreht. Gezeigt wird also, was Männer sehen wollen und nicht unbedingt, wie Frauen sich untereinander am besten sexuell befriedigen. Zum Glück gibt es mittlerweile aber auch viele alternative Pornoseiten wie etwa Indie Porn Revolution oder Good Dyke Porn, auf denen lesbischer Sex authentischer dargestellt wird.
Vorurteil #7: Lesbische Frauen hatten schlechte Erfahrungen mit Männern
Nun noch eines der miesesten Vorurteile zum Schluss: Vielen lesbischen Frauen wird unterstellt, dass sie sich für ihre Homosexualität bewusst entschieden hätten, weil sie zuvor schlechte Erfahrung mit Männern gemacht haben – sei es in Form von schlechtem Sex, emotionaler Verletzung oder gar sexueller Gewalt. Dabei ist die eigene Sexualität keine bewusste Entscheidung, die lesbische Frauen getroffen haben, weil sie bisher einfach nur noch keinen guten Sex mit einem Mann hatten. Vielmehr beweist dieses Vorurteil das schiere Unverständnis darüber, dass sich manche Frauen eben einfach zu Frauen hingezogen fühlen. Kommt doch einfach mal darauf klar, Leute!
Hast du dich beim Lesen vielleicht dabei erwischt, auch von einem dieser Vorurteile auszugehen? Oder ist dir das alles schon bekannt und du kannst meine Liste noch ergänzen? Dann schreib uns deine Vorschläge in die Kommentare! Da ich diesen Artikel aus meiner heterosexuellen Perspektive geschrieben habe, freue ich mich insbesondere über Kritik und Anregungen von lesbischen Frauen, die von ihren eigenen Erfahrungen berichten könnten.
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