In einer Welt, die sich ständig verändert, stehen auch Arbeitsstrukturen und -kulturen vor einem Wandel. Eine neue Generation von Arbeitnehmer*innen hat das Zepter übernommen und bringt frischen Wind in die Arbeitswelt. Unter Schlagworten wie „Conscious Quitting“ formt sich eine Bewegung, die auf Selbstbestimmung und Sinnorientierung basiert und Arbeitnehmer*innen ermutigt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Eine Kündigung als Akt der Selbstliebe quasi? Was noch hinter Conscious Quitting steckt.
Der klassische Arbeitsvertrag, der einst ein lebenslanges Engagement für ein Unternehmen vorsah, wird in der heutigen Zeit zunehmend infrage gestellt. Insbesondere junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt sind nicht mehr bereit, sich in starre Hierarchien einzufügen oder ihre persönlichen Werte und Ziele für den Job aufzugeben. Urlaubsgeld, Homeoffice-Möglichkeiten oder eine kostenlose Mitgliedschaft im Fitnessstudio reichen nicht immer aus, um in einem ungesunden Arbeitsverhältnis auszuharren. Stattdessen streben „Conscious Quitter“ nach einem Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben, wollen ihre Talente entfalten und einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Anders ist das Phänomen Quiet Quitting, mit dem ein leiser Abgang im Job bezeichnet wird, wo es aber nicht zwangsläufig um die Werte des Unternehmens geht.
Was bedeutet Conscious Quitting?
Conscious Quitting ist dabei zu einem Schlüsselkonzept geworden. Auf Deutsch übersetzt bedeutet es „bewusstes Verlassen“ oder „Beenden“. Im Kontext der Arbeitswelt ist mit dem englischen Begriff also bewusstes Kündigen gemeint. Es bedeutet nicht einfach, den Job hinzuschmeißen, sondern die Entscheidung bewusst zu treffen, beispielsweise auf ein hohes Gehalt verzichten und die Konsequenzen zu akzeptieren. Dieser Trend wird von der Erkenntnis angetrieben, dass das Leben zu kurz ist, um in einem Job zu verharren, der unglücklich macht und die eigenen Werte missachtet. Denn das Kennen und Ausleben seiner Werte, das Bewusstsein über das eigene Handeln und soziale Verantwortung scheinen der neuesten Generation Arbeitnehmer*innen wichtiger als den Generationen vor ihn.
Viele Arbeitnehmer*innen wünschen sich in ihrem Job mehr Flexibilität. Diese Jobs kannst du oft komplett aus dem Homeoffice machen:
Beispiele für Conscious Quitting
Menschen entscheiden sich für Conscious Quitting aus verschiedenen Gründen, die oft eng mit den Veränderungen in der modernen Arbeitswelt und den individuellen Lebenszielen zusammenhängen. Im Zentrum dieses Paradigmenwechsels steht die Selbstbestimmung. Arbeitnehmer*innen fordern mehr Autonomie und die Möglichkeit, ihre Zeit und Energie in Projekte und Unternehmen zu investieren, die ihrer Leidenschaft und ihrem Sinn für Gemeinschaft entsprechen. Dieser Ansatz geht Hand in Hand mit dem Konzept des „New Work“, das nicht mehr auf starren Hierarchien und reinem Profitdenken basiert, sondern auf Selbstverantwortung, Kreativität und Flexibilität. Gesellschaftliche Veränderungen erschaffen, statt Geld scheffeln.
In ihrem Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ Geht die Journalistin und Expertin für Arbeitswelten ,Sara Weber, den Fragen nach, die gerade eine ganze Generation umtreiben, und zeigt Lösungen auf, die Arbeit besser machen können.
Manche Menschen fühlen sich zudem in traditionellen Arbeitsstrukturen eingeschränkt und sehen im bewussten Kündigen die Chance, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Die Gründung eines eigenen Unternehmens oder der Wechsel zu einem Unternehmen mit einer offeneren Unternehmenskultur kann neue Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Denn gerade hippe junge Start-ups sind für flache Hierarchien und generell ganz neue Ansätze in der Arbeitswelt bekannt. Vor allem junge Menschen fühlen sich in hierarchischen und bürokratischen Strukturen einfach unwohl und hinterfragen sie. Conscious Quitting kann eine Reaktion auf mangelnde Arbeitszufriedenheit sein und den Wunsch widerspiegeln, eine Arbeitsumgebung zu finden, die besser zu den eigenen Werten und Bedürfnissen passt.
Vorteile vom Conscious Quitting
Conscious Quitting erlaubt es den Menschen, die Kontrolle über ihre berufliche Zukunft zu übernehmen und ihre Arbeitsumgebung aktiv mitzugestalten. Die junge Generation schätzt zunehmend die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten und die eigenen Entscheidungen zu treffen. Technologischem Fortschritt sei Dank ist die Gen Z viel vertrauter mit Arbeitsbedingungen, über die die Generation unserer Eltern nur ungläubig den Kopf schüttelt. Denn die Digitalisierung und die technologischen Errungenschaften haben neue Arbeitsmöglichkeiten geschaffen. Menschen können heute problemlos von überall auf der Welt arbeiten, was die traditionelle Vorstellung eines festen Büroarbeitsplatzes infrage stellt und das bewusste Kündigen als attraktive Option erscheinen lässt.
Conscious Quitting muss gut überlegt sein
Doch Conscious Quitting bedeutet nicht zwangsläufig, dass alle Arbeitnehmer*innen jetzt Unternehmer*innen werden müssen – oder können. Denn Werte- und Moralvorstellung in Ehren; leider lässt sich die Miete durch sie nicht bezahlen. Jetzt Hals über Kopf den Job zu kündigen, weil das Unternehmen noch gar nicht divers genug oder klimaneutral fungiert, ist nicht der Sinn und Zweck von Conscious Quitting. Es geht vielmehr darum, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass individuelle Bedürfnisse und Potenziale berücksichtigt werden. Unternehmen, die diesen Trend verstehen und umsetzen, werden als attraktiv wahrgenommen und können von den vielfältigen Perspektiven und Kreativität ihrer Mitarbeiter*innen profitieren.
Welcher Karrieretipp Frauen wirklich weiterbringt? Das haben wir nachgefragt, bei der Expertin und Gründerin von nushu, Melly Schütze. Die Antwort hörst du in dieser Podcast-Folge:
Conscious Quitting: Hype oder Realität?
Dieser Wandel in der Arbeitswelt ist kein kurzlebiger Hype, sondern eine Reaktion auf tiefgreifende soziale und technologische Veränderungen. Denn in der Realität zeigt sich schon längst, dass viel mehr geht als man vielleicht glaubt! Nun braucht es moderne und progressive Unternehmen, die diesen Wandel mitmachen. Die Pandemie hat gezeigt, dass viele Berufe auch remote ausgeübt werden können, was Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen zum Umdenken veranlasst hat. Die Arbeit von zu Hause aus oder in flexiblen Arbeitsmodellen ermöglicht es den Menschen, ihre Arbeit besser mit ihren persönlichen Bedürfnissen und Familienleben in Einklang zu bringen.
Conscious Quitting und New Work sind mehr als nur Schlagworte, – es sind Bewegungen, die die Arbeitswelt revolutionieren. Sie stellen die menschliche Komponente wieder in den Mittelpunkt und bringen das individuelle Streben nach Erfüllung und Glück zurück in den Arbeitsalltag. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich diese Entwicklungen entfalten werden und wie die neue Generation den Arbeitsalltag aufwirbeln.
Bildquelle: Getty Images/Isaac Lee