In den Führungsetagen deutscher Unternehmen sitzen noch immer hauptsächlich weiße Männer. Dabei könnten diversere Teams Studien zufolge bessere Ergebnisse erzielen. Frauen und Minderheiten werden dennoch auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Die Unternehmerin Victoria Wagner hat deshalb die Initiative BeyondGenderAgenda gegründet, die sich für mehr Diversität in deutschen Unternehmen einsetzt. Mit ihr haben wir unter anderem über Frauenquoten gesprochen und darüber, warum Diversität Chef*innensache sein muss.
Dies ist eine gekürzte Version des Interviews. Das vollständige Gespräch kannst du dir in der aktuellen desired-Podcastfolge anhören.
desired: Du bist Gründerin von BeyondGenderAgenda. Was genau macht ihr?
Victoria Wagner: Wir sind eine Diversitäts-Initiative und haben uns zum Ziel gesetzt, Diversität in der DNA von Unternehmen zu verankern. Wir treten für Vielfalt, Chancengerechtigkeit und Inklusion in der deutschen Wirtschaft ein. Unser Ziel ist es, dass die Menschen mit der besten Eignung unabhängig von Geschlecht, Alter, sexueller Identität, kultureller oder sozialer Herkunft oder Behinderungen, eingestellt werden.
Eine Möglichkeit das durchzusetzen sind Quoten, wie zum Beispiel die Frauenquote. Die stoßen in der Wirtschaft aber oft auf Widerstand. Woher kommt das?
Wir tun uns in Deutschland oft schwer mit Veränderungen. Das fällt nicht nur beim Thema Diversität, sondern auch bei der Digitalisierung auf. Alles, was eine dynamische, tiefgreifende Veränderung braucht, wird erst mal skeptisch betrachtet. Wir sind ein Volk, das gerne bewahrt und eher risikoavers ist. Wir achten sehr darauf, dass wir Errungenschaften erhalten und sicher mit in die Zukunft nehmen können. Innovation und Fortschritt werden so aber verhindert.
Insbesondere beim Thema Diversität belegt Deutschland in internationalen Studien und Vergleichen die unteren Plätze. Das ist fatal, denn innovative Ideen und gute Entscheidungen entstehen häufig durch Reibung und vielfältige Perspektiven, die in den Diskurs mit eingebracht werden.
Der Feminismus setzt sich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter ein. Doch was versteht man eigentlich genau unter Feminismus? Das erklären wir dir im Video:
Du hast das Thema Digitalisierung angesprochen. Da besteht ja auch oft die Angst, dass menschliche Arbeitsplätze durch Computer wegfallen. Besteht da in Bezug auf Diversität vielleicht eine ähnliche Angst? Wer bereits in einer privilegierten Position ist, befürchtet diese zu verlieren, wenn andere nun auch eine Chance darauf bekommen?
Die Angst um die eigene Position trägt sicherlich auch einen Teil dazu bei. Schaut man sich etwa die DAX 30-Unternehmen an, sieht man, dass die Führungsetagen dort ganz eindeutig männlich geprägt sind. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch mit einer gewissen Verlustangst zusammenhängt. Aber auch mit der Frage: Sind da überhaupt genug Frauen, die auf diese Positionen nachfolgen könnten? Und auch dabei haben wir uns hier in Deutschland nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Gerade in den sehr technischen Industrien gibt es bisher nicht viel weiblichen Nachwuchs. Das wird dann schnell als Begründung genutzt, weshalb keine Frau die Stelle besetzt. Aber das ist natürlich sehr kurz gedacht und klingt oft nach einer Ausrede, um nichts ändern und keine Macht abgeben zu müssen. Dabei wären Änderungen hier definitiv angebracht. Als CEO muss ich mir schließlich überlegen, wie ich mein Team bestmöglich zusammenstelle, um auf die Herausforderungen der aktuellen Zeit zu reagieren und innovative Lösungen zu finden. Das hat gerade auch die Pandemie besonders deutlich gezeigt. Und da ist es eben am besten, wenn unterschiedliche Hintergründe und Perspektiven zusammenkommen.
Du ziehst hier die CEOs ganz klar in die Verantwortung. Eure neue Kampagne heißt auch „Diversität muss Chef*innensache sein“. Worum geht es dabei und wieso ist es so wichtig, dass das Thema von ganz oben angegangen wird?
Mit der Kampagne verleihen wir der Forderung „Diversität muss Chef*innensache werden“ unserer Diversitätsstudie, dem German Diversity Monitor 2020, Nachdruck. Diversität muss als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor in der Verantwortung des Vorstands bzw. der Geschäftsführung liegen. Natürlich ist es schön, wenn der Wunsch nach mehr Diversität auch aus der Belegschaft selbst kommt. Eine wirkliche Veränderung ist aber gerade in großen Unternehmen oft erst möglich, wenn der Chef oder die Chefin sich dem Thema selbst annimmt. Nur ganz oben können die wirtschaftlich relevanten Entscheidungen gefällt und Strukturen geändert werden. Das ist nicht immer einfach. Mit unserer Kampagne wollen wir zeigen, dass sich bereits viele führende CEOs und Topmanager*innen zu unserer Forderung bekennen und damit ein bedeutendes Zeichen für die Relevanz von Diversität in der deutschen Wirtschaft setzen.
Ihr habt mit vielen Unternehmen gesprochen. Wo stehen diese und welche Tipps hast du, um das Thema Diversität erfolgreich umzusetzen?
Die Unternehmen, mit denen wir gesprochen haben, sind alle an unterschiedlichen Punkten von dem, was wir als „Diversity Journey“ bezeichnen. Und genau darüber sollte man sich zunächst bewusstwerden. Wo stehen wir, was müssen wir noch tun und was wollen wir damit erreichen? Dann geht es an die Umsetzung und zu überlegen, wie man seine Ziele erreicht. Da kann es helfen, sich selbst Zielquoten zu setzen.
Unternehmen, die sich diese Fragen gestellt und Zielquoten gesetzt haben, sind schon sehr weit im Vergleich zum deutschen Durchschnitt. Natürlich gibt es in Deutschland auch Unternehmen, die sich Nullquoten beim Frauenanteil gesetzt haben und so dem Thema entgehen konnten. Um dem entgegenzuwirken, gibt es jetzt die staatlich festgelegte Quote, das neue Führungspositionen-Gesetz, FüPoG II. Ich bin zwar kein Fan von staatlicher Regulierung, aber ich glaube, dass es das zumindest vorübergehend braucht, wenn freiwillig nichts passiert.
Hier kannst du dir das ganze Gespräch mit Victoria Wagner in der aktuellen desired-Podcastfolge anhören:
Bildquelle: BeyondGenderAgenda