Obwohl das Thema gesellschaftlich zunehmend wichtiger wird, waren laut statistischem Bundesamt auch 2022 lediglich rund 29 Prozent der Führungskräfte weiblich. Zwar ist der Frauenanteil bei Gründenden laut KfW im selben Jahr bei besseren 37 Prozent, wirklich gleichverteilt ist das trotzdem nicht. Auch beim Investieren sind Frauen häufig zurückhaltend. Verena Pausder ist in allen drei Bereichen zuhause: Sie ist Führungsperson, Gründerin und Investorin. Wir haben sie auf dem People & Culture Festival 2023 getroffen. Im Interview erzählt sie, was es für eine erfolgreiche Gründung braucht, auf welchen Wegen sie versucht, Frauen für mehr Initiative zu begeistern und warum ihr politisches und gesellschaftliches Engagement wichtig ist.
desired: Du bist als Investorin mit Pausder Ventures sehr erfolgreich und hast ein großes Portfolio. Wie bist du dazu gekommen in Start-ups zu investieren?
Verena Pausder: Nachdem ich mein erstes Unternehmen verkauft habe, dachte ich mir, ein Ökosystem lebt ja auch davon, dass es nicht nur Gründer und Gründerinnen gibt, sondern auch davon, dass die, die ihre Unternehmen groß gemacht haben, reinvestieren. Damit es mehr Gründerinnen gibt, muss auch mehr in Gründerinnen investiert werden – und eine Studie zeigt, dass Frauen viel eher in Frauen investieren als Männer. Also dachte ich mir: Das ist mein Ding, da kenne ich mich aus und damit kann ich irgendwie auch jungen Gründerinnen und Gründern helfen, ihren Traum zu verwirklichen.
Du sprichst es schon an. Bevor du Investorin warst, warst du selbst Gründerin. Wie bist du dazu gekommen, dein eigenes Unternehmen zu gründen?
Ich hatte schon immer dieses Bild davon, wie meine Arbeit aussehen soll: Ich wollte ein selbstbestimmtes Leben, in Unternehmen die Kultur mitprägen, Regeln brechen und Grenzen verschieben. Das alles geht im Großkonzern nur schwer. Deswegen war es immer mein Traum zu gründen und ich habe darauf gewartet, dass irgendwann die Idee da ist, die groß genug ist.
Genau das ist ein Thema, das viele vom Gründen abhält. Sie denken, ihre Ideen sind nicht groß genug oder werden eh nicht erfolgreich. Was würdest du Frauen, die gründen wollen und in einer solchen Situation sind raten?
Ich verstehe diese Angst total, weil man sich oft denkt: Wenn ich mir das jetzt gerade ausgedacht habe, kann sich das nicht jeder ausdenken? Ist das gut genug, um erfolgreich zu werden? Aber ich glaube, man darf es nicht so vom Ende herdenken. Du musst eher sagen: Ich bin in einem Bereich sehr kompetent, da habe ich etwas gesehen, was es noch nicht gibt, was der Markt braucht, wo ich eine klare Vision habe, wie es aussehen könnte und dann gehe ich den nächsten Schritt. Ich glaube, wenn du dir von Anfang an vorstellst, das muss jetzt aber groß werden, das muss so und so viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, dann erschlägt dich dieses Zukunftsbild so sehr, dass du sagst, ich fange am besten gar nicht erst an. Also lieber klein anfangen, und es sich als Ziel setzen, die Idee drei bis sechs Monate berufsbegleitend zu verfolgen. Und wenn ich dann das Gefühl habe, da ist was, dann lege ich richtig los.
Was sind zu Beginn gute Anlaufstellen, bei denen man Hilfe kriegt und erfährt, wie man bei einer Gründung am besten vorgeht und wie man Investor*innen findet?
Gute Anlaufstellen sind Acceleratoren und Inkubatoren, wie zum Beispiel der Grace Accelerator. Da bewerbe ich mich mit meiner Idee, auch wenn ich noch nicht genau weiß, was die nächsten Schritte sind und lerne ganz viele andere kennen, die genau in der gleichen Phase sind. Man tauscht sich aus und lernt voneinander. Am Ende werden Investoren und Investorinnen zu einem Pitch Day eingeladen, bei dem man seine Idee vorstellen kann.
Das ist eine Möglichkeit, eine andere sind zum Beispiel Businessplan-Wettbewerbe. Wir haben selbst eine Non-Profit-Initiative gegründet, die heißt Startup Teens, um schon 14- bis 19-jährigen Teenagern beizubringen, wie man gründet und ihnen die Möglichkeit zu geben, das erste Mal auf der Bühne ihre Idee zu präsentieren. Ich glaube, viel hilft da viel, um einfach die Scheu davor zu verlieren, weiterzumachen.
Du selbst hast bereits erfolgreich gegründet, bist Investorin, hast einen Podcast und engagierst dich zusätzlich auch noch in vielen Bereichen sozial und politisch. Wie kriegst du das alles unter einen Hut?
Das sieht nach vorne hin viel aus, weil man in erster Linie mich sieht, aber ich habe im Hintergrund natürlich ein tolles Team. Das heißt, ich habe eigentlich für jedes Projekt, was ich mache, eine dezidierte Person, die mir dabei hilft. Also bei unserem Podcast „Fast & Curious“ haben wir zum Beispiel jemanden, der uns hilft, die Folgen vorzubereiten, zu planen, worüber wir sprechen und Fakten zu recherchieren. Beim Fußballverein FC Victoria habe ich jemanden, der mich unterstützt, die Investoren und Investorinnen anzuwerben. Beim Start-up-Verband, den ich jetzt übernehme, gibt es ein 16-köpfiges Team in der Geschäftsstelle. Zum einen kann ich also sehr gut delegieren. Ich weiß, wann ich gebraucht werde und wann nicht. Zum anderen arbeite ich auch sehr effizient. Wenn ich einen Tag mit vielen Terminen habe, dann sehe ich das wie einen Sprint und höre erst wieder auf zu rennen, wenn der Tag rum ist. Ich glaube, da habe ich eine hohe Disziplin und ich habe einfach wahnsinnig viel Spaß an dem, was ich mache. Ich habe es mir schließlich selbst ausgesucht. Es ist nicht so, dass mir jemand gesagt hat, dass ich dieses Leben so führen muss. Ich habe mir immer gewünscht, ein Leben mit vielen verschiedenen Projekten zu führen und nicht nur mit einem großen.
Du engagierst dich gleich für mehrere Themen unter anderem Innovation, Bildung und Gleichstellung. Warum gerade diese Themen und wie gehören die für dich zusammen?
Das sind einfach Themen, für die ich eine Leidenschaft habe. Ich glaube, Leidenschaft kannst du nicht am Reißbrett entwerfen. Du kannst nicht sagen, du engagierst dich nun für Klimaschutz mit allem, was du hast, wenn dein Herz eigentlich für Bildung oder Gleichstellung schlägt. Für mich passen auch genau diese Themen sehr gut zusammen, weil ich helfen möchte, mehr Mädchen zu befähigen, digitale Kompetenzen zu erlernen, MINT-Fächer zu studieren, Software-Programmiererin zu werden und damit Gestalterin der Zukunft. Das ist unmittelbar verwoben mit Gleichstellung, hat aber auch etwas mit Innovation zu tun, weil du da eben neue Wege gehst. Also das ist wahrscheinlich mein absoluter Sweet Spot: Frauen dazu befähigen, die digitale Welt mitzugestalten und alles, was so entlang dieses Weges ist, macht mir Spaß. Da passt dann auch ein Frauenfußballverein gut rein, weil man auch da das Gefühl hat, dass das sechsjährige Mädchen auf dem Spielfeld vielleicht nicht so erwünscht ist, wie der sechsjährige Junge.
Also geht es auch viel darum, diese Grenzen zwischen was ist „typisch Junge“ und was ist „typisch Mädchen“ ein bisschen aufzulösen?
Total. Diese Schubladen fand ich schon als kleines Mädchen blöd. Ich bin da gerne ausgebrochen, hab Fußball gespielt, hatte kurze Haare, hab auf meinem Computer rumgetippt. Ich wollte schon als Kind nicht, dass die Gesellschaft mir Attribute vorgibt, ich wollte sie mir selbst suchen dürfen und ich bin froh, dass es dazu heute noch viel mehr Möglichkeiten gibt.