Dich ganz gezielt in der Öffentlichkeit so zu präsentieren, wie du gerne wahrgenommen werden willst, ist gar nicht so leicht. Promis und Politiker haben dafür ein ganzes PR-Team. Doch gutes Personal Branding geht auch einfacher und kann dir dabei helfen, in der Karriere voranzukommen. Unternehmerin und Autorin Tijen Onaran geht in ihrem neuen Buch noch einen Schritt weiter, denn sie sagt: „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt.” Wir haben sie zum Interview getroffen und gefragt, wie man sich selbst als Marke inszenieren kann und welche Rolle das Äußere dabei spielt.
desired: Dein neues Buch handelt vom Thema „Personal Branding”. Warum und für wen ist das Thema wichtig?
Tijen Onaran: Personal Branding ist für alle Menschen wichtig, egal ob ich im Pflegeberuf arbeite oder Führungskraft in einem großen Konzern bin. Die eigene Positionierung in die Hand zu nehmen bedeutet auch, die eigene Unabhängigkeit und das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Am Ende des Tages ist es so, dass andere Menschen ein Bild von dir haben, egal ob du es willst oder nicht. Das ist die berühmte Fremdwahrnehmung und für mich war immer die Frage, ob ich diese Fremdwahrnehmung nicht selber bestimmen kann? Das kann ich, deshalb würde ich jedem und jeder raten, dieses schöne Unabhängigkeitstool zu nutzen und aktiv Personal Branding zu betreiben.
Viele scheuen sich vielleicht ein bisschen davor, weil sie denken: Ich möchte nicht so angeberisch nach außen wirken. Gehört Angeben zum Personal Branding dazu?
Ich würde es nicht Angeben nennen, aber ich würde sagen, Personal Branding ist natürlich immer eine gesunde Form von Inszenierung. In Deutschland tun wir uns mit dem Wort Personal Branding wahnsinnig schwer und auch mit dem Wort der Inszenierung. Leute denken, es bedeutet, dass sie viele Selfies auf Instagram hochladen oder etwas darstellen müssen, was sie nicht sind. Aber nein, eine gute Inszenierung stellt genau das dar, was du bist. Inszenierung per se ist nichts Schlechtes. Wir haben meistens die negativen Vorbilder im Kopf, diejenigen, die es wirklich übertreiben und wo die Message nur noch „Ich” lautet. Die Kunst einer guten Positionierung besteht darin, dass ich mich als Sprachrohr für meine Themen nutze, für die ich wahrgenommen werden will. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen sich auf eine gute Art und Weise inszenieren würden. Dann wäre die Welt auch ein bisschen besser, da nicht immer nur die ganz Lauten sichtbar wären, sondern auch die Leisen.
Also kann Personal Branding auch von introvertierten Menschen genutzt werden und sie können davon profitieren?
Ja, absolut. Daher habe ich dem auch viel Raum in meinem Buch gegeben. Da beschreibe ich auch, dass gerade die Sozialen Medien der ideale Ort für introvertierte Menschen sind, um sich zu positionieren, weil Social Media ein geschützter Raum ist. Ich kann mir zum Beispiel am Anfang ein geschütztes Profil zulegen – ob auf Twitter oder auf Instagram. So kann ich sehr genau aussuchen, mit wem ich vernetzt sein möchte und mit wem nicht. Ich habe es auch so gemacht und damals auf Twitter mit einem geschützten Profil angefangen, sodass ich sehr viel ausprobieren konnte. Für Introvertierte, die eher erstmal beobachten, bevor sie sich selbst inszenieren und positionieren, bieten die Sozialen Netzwerke einen guten Ort, um zu analysieren und sich Inspiration zu holen. Gerade jetzt, wo alle digital unterwegs sind, ist die Zeit für Introvertierte gekommen.
Aber wenn ich jetzt erst starte und vielleicht nur 50 Follower auf Instagram habe. Bringt mir das überhaupt was und habe ich da eine Chance, mich dort sichtbar zu machen? Bedeutet eine hohe Followerzahl gleich viel Sichtbarkeit?
Follower ist nicht gleich Community, dessen muss man sich bewusst sein. Follower sind Menschen, die dir folgen, die aber nicht unbedingt in eine Interaktion mit dir treten oder aktiv werden (also liken oder kommentieren). Die Community hingegen sind Menschen, die dich vielleicht schon persönlich kennen, die dir schon länger folgen und eine konkrete Verbindung zu dir haben. Diese Community kann durchaus klein sein. Es ist nicht so entscheidend, dass man wahnsinnig viele Follower hat, sondern dass man eine gesunde und nachhaltige Community hat, die daran interessiert ist, was man macht und einen darin unterstützt. Es gibt Posts, die nicht so gut laufen, weil sie nicht so viele Likes bekommen. Aber sie erreichen vielleicht genau diese EINE Person, die mir wieder eine neue Tür öffnet – ob es ein neuer Auftrag ist oder eine neue Möglichkeit, meine Themen zu positionieren. Wenn ich etwas poste und die eine Person, die ich erreichen wollte, sieht es, dann ist es unwichtig, ob ich 10.000 Follower habe oder 50.
Dein Unternehmen Global Digital Women hast du gegründet, um mehr Diversität in die Unternehmenswelt zu bringen. Wenn man sich in Medien, Politik und Wirtschaft umschaut, hat man ja schon den Eindruck, dass Männer sehr viel sichtbarer sind als Frauen. Haben Männer das Personal Branding besser drauf?
Ich glaube erstens, dass in gewissen Branchen einfach mehr Männer sind und dadurch sieht man sie natürlich auch stärker. Und zweitens, dass Männer viel eher sozialisiert sind mit dem Thema der Positionierung. Sie sagen viel selbstverständlicher, was sie gut können. Ohne nun Klischees auflisten zu wollen, beobachte ich doch, dass Frauen mehr reflektieren, hadern und überlegen, ob das nun wirklich einen Mehrwert hat, was sie posten. Aber ich sehe auch, dass eine neue Generation Frauen nachkommt, die sehr selbstverständlich mit den Sozialen Medien umgeht und sich darüber auch ganz selbstverständlich solidarisiert, in Female Empowerment oder Sisterhood-Gruppen, wo man sich gegenseitig unterstützt. Darum habe ich auch „Global Digital Women” gegründet. Entweder warten wir lange darauf, dass andere uns sichtbar machen, oder wir machen uns selbst sichtbar. Ich hab mich für die zweite Variante entschieden, daher habe ich eine Plattform gegründet, die Frauen vor allem in der Welt der Digitalisierung Sichtbarkeit bietet.
Wie kann ich konkret herausfinden, was meine Personal Brand ist und für was ich genau stehen will?
Ich würde mir die Frage stellen, welche Talente ich mitbringe. Was wurde mir von Geburt an mitgegeben? Ein Talent ist etwas, was natürlich da ist. Als Nächstes würde ich mir die Frage stellen, welche Fähigkeiten ich habe, also was ich im Laufe der Zeit gelernt habe. Zum Beispiel der Lernprozess, eine gute Führungskraft zu werden. Und dann sollte man noch schauen, welche Themen einen persönlich interessieren. Welche Bücher lese ich? Welche Serien schaue ich? All das einfach mal runterschreiben und danach – Stichwort Fremdwahrnehmung – das eigene Umfeld fragen: Ist das etwas, was du auch mit mir in Verbindung bringst? Die Überschneidung dessen, was ich als meine Talente und Fähigkeiten sehe, und dem, was mein Umfeld sieht, das ist mein Markenkern. Wenn ich den kenne, dann kann ich mir überlegen: Wo will ich in einem Jahr stehen? Wo möchte ich hin? Davon hängt ab, auf welchen Kanälen ich meine Themen platziere, um die richtige Zielgruppe dafür zu erreichen.
Oft hat man ja Selbstzweifel und fragt sich: Bin ich überhaupt gut genug in dem Thema? Hast du auch schon solche Momente gehabt und was ist dein Tipp, um solche Selbstzweifel zu überwinden?
Ich glaube, dass Selbstzweifel wichtig sind, um sich zu positionieren, weil Reflexion einem immer hilft, es nicht zu übertreiben oder gar eine Überinszenierung zu betreiben. Daher sind Selbstzweifel wichtig, da sie einem die Grenzen aufzeigen. Man sollte nur den Selbstzweifeln nie so viel Raum geben, dass sie einen in der persönlichen Entwicklung hemmen. Was hilft, ist eine gesunde Portion der Überschätzung. Lieber sagen: Das kann ich auf jeden Fall, statt zu sagen, das kann ich auf gar keinen Fall. Und selbst, wenn ich denke, dass ich es nicht kann, würde ich dazu tendieren zu sagen: ich kann's! Der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Es wird irgendwann warm und man wird schwimmen lernen und sehen, welche Fehler man gemacht hat und daraus lernen. Daher würde ich immer lieber ja zu Chancen sagen, als womöglich eine Positionierung zu verpassen.
Das Thema Mode und der Look sind gerade für Frauen ja auch immer ein großes Thema. Bei dir ist mir auch als Erstes dein roter Signature-Lippenstift im Kopf geblieben, den du fast immer trägst. Wie wichtig ist denn der Look für die eigene Brand und wie kann ich mir das zunutze machen?
Wie wichtig das für einen ist, das entscheidet man selber. Das Schöne ist: Wenn ich weiß, was ich damit bewirken kann, kann ich es auch selbst entscheiden. Es gibt Frauen und Männer, die sagen, das Äußere habe für sie einfach keinen Wert, weil sie keinen Spaß an Mode haben und sich in bequemer, unauffälliger Kleidung wohlfühlen. Sie wollen dem Thema nicht so viel Raum geben. Und dann gibt es auch Leute, denen das Thema Mode einfach Spaß macht. Ich merke oft Verwunderung über mein Äußeres, zum Beispiel in den Kommentaren unter meinen Postings. Daher sage ich es immer wieder: Verpackung und Inhalt, das geht beides zusammen! Man kann High Heels tragen und trotzdem Hirn mitbringen. Man kann sich das Gesicht bunt anmalen und trotzdem intellektuelle Inhalte von sich geben. Damit tun wir uns leider in Deutschland gerade in der Businesswelt immer noch schwer, weil viele immer dieses Bild haben, dass es einen Kleidungskodex in der Wirtschaft gibt: dunkles Sakko oder Kostüm. Daran halten sich irgendwie alle. Ich finde, diese Uniformiertheit ist nicht wirklich Ausdruck von Diversität in der Wirtschaft. Mir fallen immer eher Menschen auf, die so sind, wie sie sind. Mein Credo mit dem Buch ist daher auch: Sei so, wie du bist. Wenn du Lust auf hohe Schuhe und Lippenstift hast, dann mach es! Nicht sein lassen, weil dir die Gesellschaft oder dein Umfeld sagt, es gehöre nicht da hin. Immer, wenn mir Leute gesagt haben, lass es, hab ich es erst recht gemacht. Das würde ich allen mitgeben.
Vielen Dank für das spannende Gespräch, liebe Tijen. Lust auf noch mehr empowernde Tipps? Weitere inspirierende Interviews findest du in unserer Themenreihe EmpowHer:
Bildquelle: Peter Rigaud, Urban Zintel