Junge Frauen müssen sich in der Arbeitswelt häufig mehr beweisen als ihre männlichen Kollegen. Dr. Saskia Meier-Andrae, Director EU Brand, Creative & Promotions bei Wayfair, hat sich davon nie aufhalten lassen und weiß, wie man Vorurteile schnell aus dem Weg räumen kann – auch ohne dabei Abstriche in puncto Weiblichkeit und Stil zu machen.
Sie haben Mathematik an der University of Oxford studiert und in Bioinformatik promoviert – und sich mit Schweineimpfstoffen beschäftigt. Was hat es damit auf sich?
Das ist ein Projekt, das ich gerne erwähne, weil ich damit Vorurteilen entgegenwirken kann. Wenn du jung bist und weiblich sein willst und nicht in die Falle des Vermännlichens tappen willst, dann begegnest du oft solchen Vorurteilen. Enger Rock, pinke Absätze, offene Haare – da ist der erste Eindruck bei vielen Herren in etablierten Unternehmen: „Ha, was kann die denn?“ Und da ist es dann gut, etwas Unerwartetes zu erwähnen, wie in meinem Fall die Schweineimpfstoffe. Ich habe oft frühzeitig meine Visitenkarte gezückt, wo dann Doktor draufstand – also ein paar Nuancen gesetzt, die nicht jeder unbedingt erwartet, wo die eben merken: „Uh, die habe ich ja in eine völlig falsche Schublade gesteckt.“ Wenn du dann die Leute überzeugt hast, dass du smart bist, scheinen viele zu denken: „Wow, weiblich UND smart?! Das ist ja unglaublich. Jackpot!“ Und das kann man dann durchaus zu seinem Vorteil nutzen.
Was meinen Sie mit der Falle des Vermännlichens?
Ich habe in meiner Karriere oft das Feedback bekommen, dass ich mich „Vermausifizieren“ sollte: also Haare färben, flache Schuhe, brauner Hosenanzug. Oder, wenn ich wählen müsste zwischen einem grauen und einem pinken Shirt, mich lieber für das graue Shirt entscheiden sollte. Ich habe solche Ratschläge immer dankend abgelehnt. Das ist für mich der völlig falsche Ansatz, das bringt niemandem was. Ich glaube, du musst als Frau einfach gut sein, für dich einstehen und dein Ding machen. Und ich glaube nicht, dass dir ein brauner Hosenanzug dabei hilft.
Sie haben bei Ihrer weiblichen Kleidung also keine Abstriche gemacht?
Ich habe mich immer sehr klassisch und businessmäßig gekleidet, aber mit dezenten Akzenten. Ich finde das auch wichtig – ich sitze so lange auf der Arbeit, da möchte ich mich in meinen Klamotten einfach wohlfühlen. Ich möchte nicht eine Seite meines Kleiderschrankes mit so langweiligen Businesssachen und die andere Seite dann mit tollen Klamotten haben, die ich aber nur am Wochenende in meiner Freizeit anziehen kann. Ich will das lieber mischen.
Sie waren nach dem Studium zehn Jahre in der Unternehmensberatung tätig – wie war das weibliche Geschlecht dort vertreten?
Überall sieht man das ähnliche Symptom, obwohl das viele Unternehmen bereits aktiv angehen. Beim Einstieg ist es noch halbwegs ausgeglichen, wobei es ja auch schon vorher anfängt: Bereits bei den Bewerbungen besteht ein Ungleichgewicht. Und je weiter nach oben du dann kommst, desto weniger Frauen werden es.
Woran liegt das?
Ich glaube, dass es einerseits daran liegt, dass einige Frauen ein Arbeitsumfeld mit dem vielen Reisen zum Beispiel nicht wollen und andererseits die Frauen irgendwann Kinder bekommen. Bei unseren klassischen Rollenmodellen ist es eben so, dass der Arbeitsalltag nicht mehr so einfach ist, wenn du Kinder hast. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nichts mit den Qualifikationen der Frauen zu tun hat. Ich hatte viele weibliche Teams und die waren, so wie auch jetzt gerade, alle super.
Sie selbst sind Mutter von zwei Kindern. Wie schafft man es, Karriere und Kinder miteinander zu vereinen?
Es hilft sehr, wenn du den Großteil deiner Karriere schon vor den Kindern geschafft hast. Man sollte sich das richtige Umfeld und die richtigen Leute suchen, die dich unterstützen. Und dann sollte man Mut haben, Dinge für sich einzufordern. Ich habe dann auch zu ganz vielen Sachen und Projekten „Nein“ gesagt. Aber dafür brauchst du auch wieder Leute, die einen unterstützen und dein „Nein“ akzeptieren, andere Möglichkeiten suchen und eben auch überhaupt bereit sind, das für dich zu tun.
Hatten Sie je das Gefühl, als Working Mom größere Abstriche machen zu müssen?
Natürlich ist man in irgendeiner Form eingeschränkt, aber es gibt nichts, das ich bereue. Es ist schon ein Jonglieren, aber es lohnt sich ja. Dadurch, dass ich eine Auszeit in Form von Elternzeit genommen habe, habe ich natürlich eineinhalb Jahre meiner Karriere „verpasst“. Aber die Leute, die das nicht machen, inklusive der Männer, die verpassen eineinhalb Jahre Elternzeit. Und wenn man auf dem Sterbebett liegt und zurückschaut, woran erinnert man sich dann?
Von Mathematik zu Schweineimpfstoffen zur Möbel-Branche. Wie kam das?
Wayfair hat mich damals angesprochen. Bei Wayfair* ist es so, dass Kandidaten nicht nach ihrem Hintergrund ausgesucht werden, sondern nach ihrem Potenzial. Ich fand natürlich das Thema Möbel super inspirierend und Wayfair als Firma auch einfach toll. Und in einem so riesigen, wachsenden Unternehmen mitzuarbeiten, fand ich total spannend.
Welchen Stellenwert hat Ihre Karriere heute für Sie?
Mir ist das superwichtig. Ich bin zwar Ehefrau und ich bin Mutter, aber ich bin halt auch Mensch. Und mein Beruf macht mir Spaß, ich gehe darin auf – das heißt nicht, dass ich arbeitswütig bin, ich gehe auch mit meinen Kindern auf – aber es geht eben einfach um die Balance. Wenn ich nur die Arbeit hätte, fände ich das sehr unausgeglichen. Wenn ich aber nur die Kinder hätte und nur zu Hause sitzen würde: Das ist etwas, wovor ich großen Respekt habe. Also bei der Frage, ob mir als Mutter die Karriere nicht zu anstrengend ist, frage ich mich eher: Wie schaffen es die Frauen, die nicht arbeiten? Das finde ich fast noch beachtlicher. Ich kann montagmorgens, wenn die Kinder in der Kita sind, auch wieder was für mich machen: meine eigenen Gedanken und Ideen weitertreiben.
Dr. Saskia Meier-Andrae zeigt, dass es durchaus möglich ist, Karriere und Kinder unter einen Hut zu bekommen, und sich dabei stets treu zu bleiben. Wir danken Dr. Saskia Meier-Andrae für das inspirierende Interview!
Bildquelle: Wayfair