Auch wenn sich einiges getan hat, sind Frauen noch immer in vielerlei Hinsicht schlechter gestellt als Männer. Sie verdienen weniger, übernehmen mehr unbezahlte Care Arbeit und häufen im Laufe ihres Lebens zudem weniger Vermögen an. Das hängt aber nicht ausschließlich mit beruflichen Nachteilen zusammen, Stichwort: erben. Letztlich sind es oft Erbschaften und Schenkungen, die für den Vermögensaufbau entscheidend sind. Aktuelle Forschung zeigt, dass Männer im Schnitt mehr erben als Frauen. Hier spricht man auch vom Gender Gift Gap.
Von der Tellerwäscherin zur Millionärin: Die Geschichte vom Selfmade Millionaire klingt zwar romantisch, trifft aber nur auf die wenigsten Reichen zu. Ökonom*innen zufolge stammt der Großteil ihres Vermögens nicht etwa aus eigener Arbeit, sondern aus Erbschaften. Marcel Fratzsch, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung schätzt, dass rund 60 Prozent des Vermögens in Deutschland aus Erbschaften und Schenkungen stammt. Das benachteiligt nicht nur alle Menschen, die nicht zufällig aus einem Millionärshaushalt stammen, sondern auch Frauen. Die werden nämlich vor allem bei Schenkungen gerne mal übergangen. Das zeigt sich bei höheren Vermögenswerten besonders stark, betrifft aber auch kleinere Erbschaften. Grund scheinen wie so oft, veraltete Rollenbilder zu sein. Aber der Reihe nach.
So viel weniger erben Frauen
Daria Tisch und Manuel Schechtl vom Max-Planck-Institut haben sich in einer Studie die Geschlechtsunterschiede bei Erbschaften und Schenkungen genauer angeschaut. Dabei zeigte sich: Frauen erhalten insgesamt 37 Prozent weniger Schenkungen und 13 Prozent weniger Erbschaften. Besonders groß sind die Unterschiede bei Unternehmen sowie bei forst- und landwirtschaftlichen Betrieben oder Ländereien. Aber auch Wertpapiere und Bargeld werden deutlich häufiger an Männer verschenkt. Es ist schwer, die Ursachen hier nicht in Geschlechterklischees zu vermuten. Der Sohn kriegt das Familienunternehmen, die Tochter die hübsche Goldkette von der Oma.
Bei Vermögenswerten in höheren Dimensionen ist das besonders bitter, weil Frauen so auch steuerrechtlich benachteiligt werden. Das bezeichnen Tisch und Schechtl wiederum als Gender Tax Gap. Unternehmen werden anders besteuert als Schenkungen, die aus anderen Vermögenswerten bestehen. Im Schnitt zahlen Männer dadurch nur 2,5 Prozent Schenkungssteuer, Frauen 3 Prozent. Bei höheren Summen kann diese kleine Differenz mehrere 1.000 Euro ausmachen.
Schenkungen am Pflichtteil vorbei?
Der Gender Tax Gap dürfte vor allem sehr wohlhabende Menschen betreffen, denn Erbschaftssteuern fallen je nach Verwandtschaftsgrad erst ab einem Wert von 500.000 Euro an. Das grundlegende Problem, dass Frauen bei Schenkungen übergangen werden, fällt sicherlich auch schon bei geringeren Vermögenswerten an. Dass Frauen bei Schenkungen noch einmal mehr benachteiligt werden als bei Erbschaften, könnte auch daran liegen, dass damit oft ihr Pflichtteil am Erbe umgangen wird. Und das, obwohl rechtlich Schenkungen in den letzten Jahren vor dem Tod des Vererbenden auf den Pflichtteil angerechnet werden. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs.
Ein Beispiel: Verschenken Eltern von zwei Kindern in den zehn Jahren vor ihrem Tod ihren Betrieb im Wert von 500.000 Euro an ihren Sohn und haben sonst keine Vermögenswerte, stände der Tochter ein Pflichtteil von 125.000 Euro zu. Oftmals wird die Ungleichbehandlung von Frauen in Vermögensfragen jedoch schlichtweg akzeptiert. Dann heißt es etwa, der Sohn kenne sich besser mit dem Betrieb aus und die Tochter würde diesen doch eh nicht führen wollen.