Altersarmut betrifft in Deutschland vor allem Frauen. Dass sich davor aber jede Frau schützen kann, beweist Margarethe Honisch vom Finanz-Blog Fortunalista in ihrem neu erschienenem Buch „Easy Money“*. Auf Augenhöhe und alltagsnah erklärt die Autodidaktin, wie man erfolgreich investieren kann – auch ohne BWL-Studium oder großem Vermögen. Im desired-Interview verrät Margarethe, wie du schon mit wenig Geld im Monat für deine Zukunft vorsorgen kannst.
desired: Das Thema Finanzen wirkte auf dich früher spießig und langweilig, wie wahrscheinlich auf die meisten von uns. Durch welche Erkenntnis hat sich das geändert?
Margarethe Honisch: Früher habe ich mich gefragt: Warum soll ich überhaupt Geld zurücklegen? Wenn ich in die Rentenkasse einzahle, bekomme ich später meine Rente – fertig. Ich habe aber gemerkt, dass ich zwar immer mehr Geld verdiene, aber trotzdem am Ende des Monats nichts übrig bleibt. Also habe ich mich in das Thema eingelesen und festgestellt: Das mit der Rente funktioniert nicht so, wie ich gedacht habe. Die erste Erkenntnis war: Es ist keine Option, dass ich investiere, sondern wirklich notwendig. Ich habe daraufhin ganz viele Bücher über Finanzen gelesen und Seminare besucht. Dadurch habe ich einige Tricks gelernt und gemerkt, dass alles nicht so schwierig ist. Ich muss meinen Lebensstil nicht verändern und kann trotzdem sparen – das war die zweite Erkenntnis.
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Muss ich mir wirklich Sorgen um meine Zukunft machen, wenn ich mich mit 30 noch nicht um meine Altersvorsorge gekümmert habe?
Ich habe mir vor meinem 30. Geburtstag schon Sorgen gemacht, weil ich gar nichts auf der hohen Kante hatte. Letztendlich kann man nie früh genug anfangen. Je früher man anfängt, desto früher profitiert man vom Zinseszins-Effekt, wenn man Geld investiert. Andererseits muss man sagen, dass wir Frauen ja auch immer älter werden. Nach der Rente haben wir, wenn es gut läuft, immer noch 20 Jahre vor uns, die man schön verbringen kann. Daher ist es nie zu spät, damit anzufangen. Sobald man weiß, dass man selbst aktiv werden muss, sollte man das nicht auf die lange Bank schieben. Je länger man wartet, desto mehr Geld muss man später in die Hand nehmen. Es gibt aber auch viele Frauen um die 50, die meine Online-Kurse buchen, und auch da sieht man, dass es nie zu spät ist. Ein schönes Beispiel ist Beate Sander: Sie ist eine ehemalige Realschullehrerin, inzwischen über 80 Jahre alt und investiert seit 21 Jahren. Sie hatte damals 30.000 DM erspart und hat alles in Aktien investiert. Aus diesen 30.000 DM sind in 21 Jahren 2 Millionen Euro geworden! Daran sieht man, dass es nie zu spät ist anzufangen und man wirklich viel erreichen kann.
Lohnt es sich nicht erst ab einem bestimmten Einkommen, sich mit Altersvorsorge und Geld Anlegen zu beschäftigen?
Witzigerweise habe ich genau das auch immer geglaubt: Das ist alles total kompliziert, ich werde das niemals verstehen, es gibt schon einen Grund, warum das alte Männer mit grauen Haaren und Anzug machen und nie Frauen über solche Themen berichten. Ich dachte, dass ich gut in Mathe sein und BWL studiert haben, und vor allem, dass ich viel Geld haben muss, um das gut umsetzen zu können. Das ist ein totaler Irrglaube. Wenn ich zum Beispiel in Einzelaktien investieren möchte, brauche ich tatsächlich viel Geld, weil ich, um das Risiko zu minimieren, in verschiedene Aktien investieren muss. Seit ein paar Jahren gibt es aber ETFs (Anm. d. Red.: Exchange Traded Funds), die immer beliebter werden. Da kann man bei vielen Banken schon mit 25 Euro monatlich anfangen und so in Tausend verschiedene Unternehmen ohne hohes Risiko investieren. Wenn man das beispielsweise 30 Jahre lang macht, hat man bei 25 Euro im Monat 9.000 Euro zusammengespart. Am Ende hat man bei einer realistischen Verzinsung von 7 Prozent fast 30.000 Euro raus. Man kann also auch mit wenig Geld viel erreichen, wenn man die Zeit nutzt.
Hier gibt Margarethe einen kleinen Einblick in ihr Buch „Easy Money“:
Ist es aber nicht auch sehr riskant, sein Geld anzulegen?
Das höre ich von vielen Frauen. Viele fragen mich: Was ist, wenn dann mein ganzes Geld weg ist? Es kann aber nicht einfach weg sein! Es gibt zwar historisch betrachtet auch starke Einbrüche, aber wenn man in ETFs investiert, ist es fast unmöglich, dass am nächsten Tag alles weg ist. Es kommt natürlich darauf an, wo man sein Geld anlegt. Es gibt natürlich auch Hochrisiko-Produkte wie Zertifikate oder Optionshandel.
Wahrscheinlich sollte man nicht sofort mit Anlegen starten, sondern erst überlegen, wie man sein Geld ausgibt: Würdest du zum Beispiel beim Online-Shoppen immer davon abraten, auf Raten zu bezahlen oder seinen Dispo-Kredit auszureizen?
Ja, der erste Schritt ist immer Schuldenabbau. Zum einen lohnt sich das finanziell nicht, weil man auch Zinsen zahlt, zum anderen ist es auch eine psychische Belastung. Viele unterschätzen die Zinsen, die man zahlt. Die EC-Karte ist schnell gezückt, weil es ein einfacher Kredit ist. Ich muss nichts ausfüllen, sondern kann einfach jederzeit mein Konto überziehen. Die Zinsen, die man aber dafür zahlt, gehen oft in den zweistelligen Bereich. Damit gleichzeitig zu investieren, macht keinen Sinn. Es ist erst mal wichtig, schuldenfrei zu sein und Rücklagen zu bilden. Viele wollen sofort loslegen und in Aktien oder ETFs investieren, das ist aber problematisch ohne Rücklagen. Die Aktienkurse schwanken natürlich immer. Wenn dann ohne Rücklagen eine unvorhergesehene Rechnung kommt, muss ich das aus den Aktien herausziehen. Stehen die Aktien dann schlecht, was immer wieder passieren kann, mache ich Verluste. Das ist das Worst-Case-Szenario.
Gibt es Apps oder andere Hilfsmittel, die Einsteigern helfen, die eigenen Finanzen zu verwalten?
Das ist von Typ zu Typ unterschiedlich. Manche arbeiten gerne mit Excel-Tabellen, andere schreiben lieber in ein Heft. Ich mag es lieber digital und verwende Apps. Am Anfang habe ich zum Beispiel immer meine Einnahmen und Ausgaben in einer App notiert. Das ist hilfreich, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die meisten wissen, was reinkommt, aber die wenigsten wissen, wohin das Geld monatlich geht. Die Miete hat man noch parat, aber wie viel gibt man für Lebensmittel, Restaurant-Besuche, Kleidung oder Kleinigkeiten aus? Ich nutze dafür am liebsten die App Money Control (erhältlich für Apple oder Android). Ich habe durch das Tracking gemerkt, dass sich viele kleine Ausgaben, wie einen Kaffee oder eine Flasche Wasser unterwegs, schon summieren. Diese Ausgaben hat man oft nicht präsent, am Monatsende hat man dann doch locker 50 Euro nebenbei ausgegeben. Wenn man dieses Geld stattdessen anlegt, kann man in einem Jahr schon viel erreichen.
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Du sprichst in deinem Blog vom „finanziellen Selbstbewusstsein“, das Frauen oft fehlt. Was genau meinst du damit?
Das ist mir auf vielen Events aufgefallen. Viele Frauen dort waren schon gut informiert. Nach einem halben Jahr habe ich dann dieselben Frauen getroffen und sie waren immer noch in dieser Informationsphase. Die waren schon fit, haben sich aber einfach nicht getraut, anzulegen. Mir begegnet das immer wieder, dass Frauen denken, sie wüssten noch nicht genug. Die meisten Frauen wissen aber gar nicht, wie wenig sie nur wissen müssen, um damit anfangen zu können. Ich muss nicht wissen, wie jedes Hebelprodukt funktioniert oder die Bilanzen von jedem Unternehmen lesen. Ich muss natürlich wissen, worin ich investiere, wie die Börse funktioniert und wie Aktienkurse entstehen. Die meisten haben noch zu viel Angst und Respekt davor, obwohl sie schon längst genug Wissen haben. Ich bin mir sicher, dass jede Person, die mein Buch* gelesen hat, anfangen kann zu investieren. Zum anderen haben viele Frauen Geld auf dem Sparbuch oder investieren in Anleihen, also Produkte, die als relativ sicher gelten. Es gibt aber Studien, die zeigen, dass wenn sich Frauen trauen, über das Sparbuch hinaus zu investieren, besser abschneiden als Männer.
Hast du schon mal Mansplaining erlebt, also nehmen dich Männer als manchmal Finanz-Bloggerin nicht ernst?
Ja, auf jeden Fall! Ich bin Mitte 30, werde aber oft jünger eingeschätzt. Ich habe das auf Messen oft erlebt: Ich komme als kleine blonde Frau dahin und interessiere mich für ein Produkt. Anstatt dass ich aber eine Beratung bekomme, werde ich gefragt, ob ich die kostenlosen Kugelschreiber haben möchte. Es ist aber auch eine Generationsfrage. Bei älteren Herren kommt es öfter vor, dass die einem das Einmaleins erklären wollen. Gerade in der Branche ist das weit verbreitet. Es gibt natürlich auch Frauen, die in der Finanzbranche tätig sind, ja höher man aber in die Führungsetagen schaut, desto weniger Frauen gibt es. Auch auf Vorträgen und Veranstaltungen zum Thema Finanzen sind weibliche Speakerinnen sehr rar. Auf der anderen Seite muss ich aber auch sagen, dass auf Messen und Events, die für jeden offen sind, nur wenige Frauen hingehen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass sie dort nicht ernst genommen werden. Daher sind wahrscheinlich auch Veranstaltungen ausschließlich für Frauen so erfolgreich. Ich hoffe aber, dass es irgendwann nicht mehr nötig ist, dass es Finanz-Blogs oder Veranstaltungen ausschließlich für Frauen geben muss, sondern diese Inhalte einfach an Frauen und Männer gleichermaßen vermittelt werden.
Vielen Dank für das Interview, Margarethe!
Bildquelle: Margarethe Honisch