Miriam Wohlfarth ist Gründerin, CEO, Mutter einer Tochter und eine der erfolgreichsten Frauen in der deutschen Fintech-Branche. Aktuell ist sie zudem Gesicht der deutschlandweiten Diversitätskampagne #SuccessIsDiverse von BeyondGenderAgenda. Mit uns hat sie über Themen wie fehlende Diversität in der Wirtschaft, falsches Netzwerken und die Hürden beim Gründen gesprochen.
desired: Was bedeutet Diversität für dich persönlich und warum ist es dir wichtig, dich für das Thema zu engagieren?
Miriam Wohlfarth: Diversity bedeutet Vielfalt und gar nicht nur auf das Geschlecht bezogen, sondern die Vielfalt in einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Menschen und Ansichten, geprägt zum Beispiel durch Herkunft, Alter oder Religion. Mit ist es zum Beispiel wichtig, dass man auch in einem Unternehmen gemischte Teams hat, um genau diese Vielfalt zu ermöglichen. Diversity wurde lange Zeit sehr auf Frauen bezogen. Was wir durchaus noch lernen müssen, ist eine Art Inklusion in der Gesellschaft. Da geht es um viel mehr als nur die Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Diese Art von Vielfalt ist für mich Diversity. Wir haben im Unternehmen zum Beispiel immer geschaut, welche Stärken und Schwächen jeder einzelne von uns hat. Wir haben festgelegt, welche sechs Eigenschaften wir brauchen, um unser Unternehmen erfolgreich zu machen – von Kreativität, über Empathie bis Zahlenverständnis usw. Man hat im Team nie jemanden, bei dem man überall einen Haken dahinter machen kann. Aber als Team kannst du alle diese Kriterien abdecken.
Verstehe, darum ist Diversität eben auch ein Erfolgsfaktor. Viele Unternehmen beteuern immer wieder, dass ihnen Diversity wichtig ist. Und trotzdem findet man in den Führungsebenen meist keine Vielfalt. Wie stellst du Diversity in deinen eigenen Unternehmen sicher?
Für ein diverses Team muss auch die Führung erstmal divers besetzt sein. Bei meinem ersten Unternehmen, Ratepay, waren wir in der Führung lange zu zweit: Mann und Frau, und dann haben wir mit der Zeit viele Frauen eingestellt und irgendwann war die Führung komplett weiblich. Da gab es keine Quote, das hat sich so ergeben. Das Recruitment läuft heute meist so, dass man innerhalb seiner Netzwerke sucht. Da liegt der Hund begraben. Wenn diese zu einseitig sind, dann wird auch sehr einseitig rekrutiert. Daher muss man wahrscheinlich zunächst eine Quote haben, um diese bunte Mischung in die Führungsetagen zu bringen, die dann im Anschluss ganz natürlich zu einer anderen Zusammensetzung in Unternehmen führt. Mein aktuelles Unternehmen, Banxware, habe ich zusammen mit drei Männern gegründet. Wenn ich mir dort meinen Bereich anschaue, Vertrieb und Marketing, sind wir dort nun auch schon mehr Frauen als Männer. Ich achte da schon drauf.
Du arbeitest in der Fintech-Branche, das klingt für mich aber erstmal sehr männlich. Stimmt dieses Vorurteil?
Leider ist es nicht nur ein Vorurteil, sondern es ist wirklich sehr männlich dominiert. Das kommt wahrscheinlich daher, dass sowohl die Finanzbranche als auch die Tech-Branche sehr männlich geprägt sind und es dort nur wenige Frauen gibt. Um das zu ändern muss man ganz früh anfangen, in der Bildung, und andere Vorbilder und Rollenbilder zeigen. Jungen Leuten muss besser vermittelt werden, welche Möglichkeiten und Berufe es eigentlich gibt. Leider haben wir in den MINT-Studiengängen immer noch viel zu wenige Frauen. Aber auch das Potenzial der Quereinsteiger sollte man nutzen. Es gibt in einem Fintech ja unterschiedliche Bereiche – Vertrieb, Marketing, Mitarbeiterführung – da gibt es sehr breite Möglichkeiten, nicht nur für Informatiker und Bänker. Daher würde ich mir dort wünschen, dass sich noch mehr Frauen bewerben.
Es gibt inzwischen viele Frauennetzwerke. Aber bringen die überhaupt etwas? Ich habe oft das Gefühl, die Frauen machen da ihr Ding, aber von den Männern werden sie trotzdem nicht wahrgenommen. Und beim Recruiting werden die Frauen weiterhin übersehen.
Ich glaube Frauennetzwerke sind gut, um zum Beispiel auf Social Media auch für Awareness für das Thema zu sorgen. Das hat aber bisher noch nicht dazu geführt, dass wirklich mehr Frauen in Führungspositionen gekommen sind. Wichtig ist, sich auch mit den Männern zu vernetzen. Es bringt nichts, sich nur mit Frauen zu vernetzen, dann kommt man nur da hin, wo schon Frauen sitzen. In den letzten Jahren hat es sich nicht nur positiv entwickelt, denn oft heißt es nun „die Frauen" und „die Männer" und zu selten kommt die Frage „Was können wir gemeinsam machen?". Ich halte Netzwerke für sinnvoll, die konkret und themenspezifisch sind, zum Beispiel Mentoring-Netzwerke. Sich einfach nur in einer großen Gruppe zu treffen und sich darüber zu beschweren, was alles schlecht läuft, bringt uns nicht weiter. Es führt viel eher dazu, dass sich die Männer noch mehr abgrenzen und am Ende sowas sagen wie: „Die hat den Job nur gekriegt, weil sie 'ne Frau ist!" Und das soll ja nicht sein, es muss stattdessen ein Miteinander sein. Daran müssen wir arbeiten.
Du hast zwei mal gegründet, damit bist du aber als Frau in der Minderheit. Warum gründen immer noch weniger Frauen als Männer?
Das hat sicher mehrere Gründe. Viele Start-ups kommen eben aus der Tech-Branche. Und da liegt das Problem wieder in der Bildung, da es in den technischen Studiengängen einfach viel weniger Frauen gibt und es da oft eine Berührungsangst gibt. Viele Tech-Startups kommen auch aus der Gamingwelt, die eben auch eine Jungswelt ist, weil viel mehr Spiele auf Jungs ausgelegt sind. Das müsste man ändern und schon in der Kindheit ein anderes Bild im Kopf erzeugen, was potenzielle Berufe sein könnten. Bei den meisten ist der Beruf des „Gründers" oder der „Gründerin" gar nicht etabliert und es wird gar nicht als Möglichkeit gesehen. Das müssen wir in unserer Gesellschaft in den nächsten Jahren auf jeden Fall befeuern. Deutschland ist im Global Entrepreneur Monitor auf dem vorletzten Platz, das ist richtig bitter.
Zudem liegt das Gründungsalter oft bei Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig. Das ist bei vielen jungen Frauen eben auch das Alter, in dem die Familienplanung ansteht. Und leider sind wir auch heute noch so verankert, dass wir denken, es würde nicht zeitgleich gehen, weil wir als Frau für die Kinder zuständig sind. Dabei müsste man viel mehr als Paar darüber nachdenken. Und eben auch viel mehr Vorbilder in den Medien zeigen, die Mut machen und beweisen, dass es geht.
Du bist eines dieser Beispiele, aber auch bei dir lief ja sicher nicht immer alles rund oder?
Natürlich nicht. Man braucht eben auch Vorbilder, die sich realistisch anfühlen. So jemand wie Elon Musk, der ist ja vom normalen Menschen so weit weg und gar nicht greifbar. Man muss auch zeigen, dass es immer ein Auf und Ab ist. Auch bei mir war es manchmal richtig schwer. Meine Tochter ist heute 17, als ich damals gegründet habe, ist sie gerade eingeschult worden. Das war immer ein Spagat, den man machen musste, denn natürlich war immer zu wenig Zeit. Doch im Nachhinein würde ich es nicht anders machen wollen. Es ist alles machbar, man braucht nur den Mut.
Was ist der beste Tipp, den du jungen Menschen für ihre Karriere mitgeben kannst?
Es ist natürlich nicht leicht, wenn man noch jung ist. Aber sie sollten viel mehr auf das hören, was ihnen wirklich Spaß macht und sich nicht so sehr von den äußeren Einflüssen der Familie und Freunde leiten lassen. Es ist wichtig, für sich selbst das zu finden, was man gut kann und was einem Spaß macht. Wenn man das gefunden hat, dann kann man damit alles machen. Dann ist es einem auch egal, ob der Tag acht oder 15 Stunden hat. Manchmal dauert es aber eben auch länger, bis man dahin kommt. Ich habe auch einige Jahre gebraucht nach dem Abi, in denen ich mich manchmal wie gefangen gefühlt habe. Wie ein Rädchen im System, was sich drehen muss, immer nur aufs Wochenende zuarbeitend. Das ist schlimm. Daher kann ich nur raten: Wenn man spürt, dass einem etwas Spaß macht, dann sollte man den Mut haben, es zu tun und sich nicht von anderen zurückhalten lassen.
Female Empowerment wird in den letzten Jahren ein immer wichtigeres Thema, wir erklären, was sich hinter dem Begriff verbirgt:
Vielen Dank an Miriam für das spannende Interview. Noch mehr inspirierende Geschichten wie diese liest du übrigens in unserer Themenreihe EmpowHER:
Bildquelle: Miriam Wohlfarth, BeyondGenderAgenda