Höher, schneller, weiter – wenn es um die Karriere geht, gibt es für viele Beschäftigte vor allem eine Richtung: nach oben. Eine „erfolgreiche“ Karriere, die meist auch mit einem hohen Gehalt verknüpft ist, ist per se natürlich nichts Schlechtes. Doch für immer mehr Menschen ist Arbeiten bis zum Umfallen nicht mehr der Schlüssel zum Glück. Kann ein strategischer Rückzug für mehr Zufriedenheit sorgen?
- 1.Was bedeutet Downshifting?
- 2.Wie sieht Downshifting in der Praxis aus?
- 3.Ist der Job der Sinn des Lebens?
- 4.Wer sind die Downshifter?
- 5.Downshifting im Beruf: Ein Trend mit unterschiedlichen Erfahrungen
- 6.Downshifting im Job: Tipps für die Umsetzung
- 7.Downshifting: Mehr Zeit für das Wesentliche
- 8.Downshifting: Nachteile eines Lebensstilwechsels
Die Arbeitswelt ist im Wandel. Starre Strukturen, feste Arbeitsorte oder 40-Stunden-Wochen werden mehr und mehr infrage gestellt und neu gedacht. Vor allem die Millennials und Gen Z setzen ihre individuellen Freiheiten als Priorität und nicht die „Prahlerei“ durch mehr Überstunden, mehr Dauer-Erreichbarkeit oder mehr Zeit im Büro als zu Hause zu verbringen. Weniger Arbeit, mehr Zeit für sich selbst ist die Devise. Dazu gesellt sich auch ein Begriff, dessen Inhalt vielleicht nicht neu ist, der aber einen schicken Namen trägt: Downshiftig.
Was bedeutet Downshifting?
Wörtlich übersetzt bedeutet Downshifting so viel wie „Herunterschalten“ – und genau darum geht es: Downshifter entscheiden sich freiwillig dazu, beruflich kürzerzutreten. Das kann bedeuten, dass man von einer höher bezahlten und anspruchsvolleren Arbeit auf eine niedriger bezahlte und weniger anspruchsvolle Arbeit wechselt oder Verantwortungen und Projekte abgibt. Für Downshifter steht nicht mehr der Erfolg im Beruf im Mittelpunkt ihres Lebens, sondern eine ausgeglichene Work-Life-Balance, weniger Stress und mehr Erholungsphasen – auch bei weniger Gehalt und dem möglichem Aus in ihrem Beruf.
Wie sieht Downshifting in der Praxis aus?
Der „Abschied vom Aufstieg“ kann facettenreichen aussehen und den typischen „Downshift-Werdegang“ gibt es nicht – viel zu individuell sind die Jobs und Laufbahnen.
Beispiele für Downshifting sind etwa, dass Vorgesetzte zurück in die Position als Mitarbeitende ins Team wechseln oder dass eine Führungskraft wieder als Fachkraft arbeitet.
Auch der Rückzug aus dem Büro ins Homeoffice, ein kleinerer Aufgabenbereich oder die Entscheidung gegen die Vollzeit-, für die Teilzeitbeschäftigung können ein Downshift sein. Ebenso wie der Wechsel oder eine Umschulung in einen komplett anderen Arbeitsbereich. Das Lösen aus einem Arbeitsverhältnis und seine eigene*r Chef*in werden kann ebenfalls Downshifting sein. Zwar verkürzen sich bei einer Selbstständigkeit die Arbeitszeiten nur selten, doch diese Selbstbestimmung bringt für viele Entlastung und mehr Zufriedenheit.
Am Ende des Spektrums gibt es dann noch die sogenannten Aussteiger, die sich komplett gegen ein Berufsleben entscheiden – doch beim Downshifting geht es vielmehr um eben das Herunterfahren der Arbeit und nicht darum, sie komplett aufzugeben.
Ist der Job der Sinn des Lebens?
Die Wahl, die Karriereleiter nicht bis nach oben zu klettern, wird meist negativ assoziiert. Auch vom Rückschritt, Karriereknick oder Downgrading ist die Rede. „Wer einen Schritt zurückmacht, kommt nicht vorwärts“ lautet ein Sprichwort. Doch das ist in Bezug auf Downshifting zu kurz gedacht. Viel mehr verteilen Downshifter ihre Prioritäten in Bezug auf Arbeit und Freizeit anders. Der Rückschritt im Job bedeutet außerdem nicht automatisch weniger zu arbeiten. Downshifter wollen sich eher intensiver mit den Dingen, die ihnen wichtig sind, beschäftigen. Oder in ihren Augen mehr Sinn haben oder gesellschaftlich relevanter sind.
Seit Jahrtausenden fragen sich Menschen, was der Sinn des Lebens ist. Ob es darum geht, materielle Ziele zu erreichen, spirituell zu wachsen oder einfach glücklich zu sein - die Suche nach dem Sinn des Lebens ist ein Universalthema. Interessante Einsichten schafft eine neue Studie, die 2000 Menschen gefragt hat, was für sie im Leben erstrebenswert sei. Die wichtigsten drei Themen sind: „Gute Freunde und enge Beziehungen zu anderen Menschen“ mit 84,5 Prozent. Danach folgt „Für die Familie da sein, sich für die Familien einsetzen (knapp 81 Prozent)“ und auf Platz drei „Eine glückliche Partnerschaft zu führen“ (74 Prozent). Nur knapp 51 Prozent gaben an, dass sie Erfolg im Beruf als besonders wichtig und erstrebenswert im Leben ansehen.
Wer sind die Downshifter?
Doch wer sind die Downshifter eigentlich? Grundsätzlich gibt es keine bestimmte gesellschaftliche Gruppe, die zu ihnen gehören. Downshifting kann mit 50 Jahren erfolgen, ebenso in der viel jüngeren Gen Z, die einfach eine grundlegend andere Einstellung zum Thema Arbeit haben als noch Generationen zuvor. Es gibt keine Zahlen dazu, wie viele Menschen in Deutschland bewusst auf den beruflichen Aufstieg verzichten oder darüber nachdenken. Aber einige Menschen mit ehemals hohen Positionen haben es vorgemacht: Angie Sebrich, ehemalige Kommunikationschefin des Musiksenders MTV, kehrte dem Sender den Rücken zu und eröffnete und leitet bis heute eine Jugendherberge in Bayern. Und der Moderator Tobias Schlegl, der unter anderem Moderator bei VIVA war, legte sein Fernseh-Dasein auf Eis, um Notfallsanitäter zu werden.
Ein Beispiel für Downsizing liefern auch Promis, die in ihrer Karriere auf der Leinwand oder im Musikbusiness kürzertreten, um sich mehr für wohltätige Zwecke einsetzen zu können – Angelina Jolie ist ein prominentes Beispiel. Die Schauspielerin setzt sich seit mehr als 20 Jahren vor allem für die Rechte von Frauen und Kindern ein, ist dafür immer weniger im Kino zu sehen.
Eine Studie des österreichischen Marktforschungsunternehmen, makam Research, ergab, dass mittlerweile drei Viertel der Personalverantwortlichen in Unternehmen den Trend zum Downshifting festgestellt haben. Laut einer Studie des Job-Netzwerks Xing aus dem Jahr 2022 hat seit Beginn der Corona-Pandemie jeder Vierte seinen Job gekündigt, ohne etwas Neues in Aussicht zu haben. Von den mehr als 2500 Befragten war zudem fast jeder Zweite der 30- bis 39-Jährigen bereit, zu einem neuen Arbeitgeber abzuwandern.
Downshifting im Beruf: Ein Trend mit unterschiedlichen Erfahrungen
In der heutigen Gesellschaft geht es oft um den schnellen Karriereschritt, die Beförderung und das höhere Einkommen. Doch für immer mehr Menschen bedeutet dies ein Leben voller Stress und Überforderung. Eine Alternative bietet das Downshifting im Beruf allemal. Doch was sind die Erfahrungen der Menschen, die diesen Schritt gewagt haben? Viele Menschen berichten von einem höheren Maß an Lebensqualität und Zufriedenheit, nachdem sie sich für eine entschleunigte Arbeitsumgebung entschieden haben. Sie haben mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys und können sich selbst verwirklichen. Außerdem berichten sie von einem besseren körperlichen und seelischen Wohlbefinden.
Nicht alle Erfahrungen mit Downshifting sind jedoch positiv. Manche Menschen berichten, dass sie sich in ihrer neuen Stellung unterfordert fühlen oder dass sie das Gefühl haben, eine Karrierechance verpasst zu haben. Zudem gibt es die Herausforderung, mit einem geringeren Einkommen auszukommen.
Es ist wichtig zu beachten, dass jeder Weg beim Downshifting individuell ist und dass es unterschiedliche Erfahrungen gibt. Was für den einen die perfekte Lösung ist, kann für den anderen nicht die richtige Wahl sein. Es ist wichtig, sich über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse im Klaren zu sein und gut über die möglichen Konsequenzen nachzudenken, bevor man diesen Schritt wagt.
Downshifting im Job: Tipps für die Umsetzung
Downshifting kann ein großer Schritt sein, um eine besseres Work-Life-Balance zu erreichen. Aber wie sagt man dem Chef oder der Chefin, dass man sein Arbeitsleben langsamer angehen möchte? Hier sind einige Tipps, um das Gespräch so reibungslos wie möglich zu gestalten.
Zunächst ist die Vorbereitung das A und O. Bevor man das Gespräch mit dem Chef oder der Chefin führt, sollte man gut vorbereitet sein und wissen, was man sagen möchte. Dies kann dazu beitragen, dass das Gespräch produktiver und effektiver ist. Es ist wichtig, offen und ehrlich über die Gründe zu sprechen, warum man downshiften möchte. Dies kann den Vorgesetzten dabei helfen, ein besseres Verständnis für die Situation zu bekommen und wohlmöglich zusammen eine Lösung zu finden.
Es kann hilfreich sein, alternative Lösungen oder Vorschläge zu unterbreiten, wie man das Downshifting umsetzen kann, ohne dass es negative Auswirkungen auf das Unternehmen hat. Dazu zählt auch, den Vorgesetzten zu zeigen, dass man trotzdem weiterhin ein*e engagierte*r und produktive*r Mitarbeitende*r sein möchte. Dies kann durch die Bereitschaft, flexible Arbeitszeiten oder andere Lösungen anzubieten, erreicht werden.
Generell gilt: Wenn man downshiften möchte, muss man bereit sein, die Verantwortung für die Entscheidung zu übernehmen und sicherzustellen, dass das Unternehmen nicht negativ beeinflusst wird.
Downshifting: Mehr Zeit für das Wesentliche
Einer der wichtigsten Vorteile des Downshifting ist, dass man mehr Zeit für Familie und Freunde hat. Der Fokus liegt weniger auf der Arbeit, sondern mehr auf den Menschen oder Projekten, die einem am Herzen liegen. Stress und Überforderung können zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen. Durch das Downshifting wird das Arbeitsleben entschleunigt und es bleibt mehr Zeit für Entspannung und Erholung. Dies kann zu einer Verbesserung der körperlichen und mentalen Gesundheit führen.
Downshifting bietet auch die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und andere Interessen und Hobbys zu verfolgen. Man hat mehr Zeit, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen und kann sich weiterbilden oder einfach nur die Schönheit der Natur genießen. Schlussendlich kann Downshifting zu mehr Zufriedenheit im Leben führen. Man hat mehr Zeit für die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, und kann die Arbeit in einem langsameren Tempo angehen. Dies kann zu einer besseren Einstellung gegenüber dem Arbeitsleben und zu mehr Freude bei der Arbeit führen.
Downshifting: Nachteile eines Lebensstilwechsels
In unserer schnelllebigen Gesellschaft wächst der Wunsch nach einem simpleren und bewussteren Leben. Downshifting, das Absenken des Leistungs- und Konsumniveaus, scheint eine Antwort auf diese Sehnsüchte zu sein. Doch mögliche Nachteile sind bei dem Thema, so verlockend es auch klingt, nicht zu unterschätzen.
Verlust des Einkommens: Einer der größten Nachteile von Downshifting ist der Verlust des bisherigen Einkommens. Denn oft geht damit auch eine Reduzierung der Arbeitszeit einher. Für viele Menschen, die ihren Lebensstandard gewohnt sind, kann dies eine große Herausforderung sein. Es kann auch dazu führen, dass man sich von gewissen Annehmlichkeiten verabschieden muss, was für manche ein unüberwindbares Hindernis darstellt.
Karriere-Einbußen: Downshifting kann auch negative Auswirkungen auf die Karriere haben. Da man seine Stellung innerhalb der Branche und sein berufliches Netzwerk verlieren könnte, kann es schwieriger werden, später wieder in den Beruf zurückzukehren. Außerdem kann man auch Kompetenzen verlieren, die für eine erfolgreiche Karriere wichtig sind.
Soziale Isolation: Ein weiteres mögliches Problem ist die soziale Isolation, die mit Downshifting einhergehen kann. Man entfernt sich von seinem bisherigen beruflichen Umfeld und verliert dadurch auch wichtige Kontakte. Für manche Menschen kann dies eine große Belastung darstellen.
Mangelnde Herausforderungen: Für einige Menschen kann Downshifting auch langweilig sein. Sie vermissen die Herausforderungen und Abwechslung im Job und können das Gefühl haben, dass ihr Leben nicht mehr so aufregend und erfüllend ist.
Schwierigkeiten bei der Rückkehr: Schließlich kann es auch schwierig sein, nach einer Pause wieder in den Beruf zurückzukehren. Man kann das Gefühl haben, dass man zu weit hinterherhinkt und dass es schwierig sein wird, wieder auf den aktuellen Stand zu kommen.
Das strategische Herunterfahren
Die Frage nach dem Sinn des Jobs oder gar des Lebens lässt sich natürlich nur schwer beantworten und ist so individuell wie der Mensch selbst. Manch einer sucht vielleicht sein Leben lang nach der Antwort oder sie ändert sich je nach Lebensphase und äußeren Umständen. Man sollte sich von der Frage nach dem Sinn des Jobs allerdings nicht zu sehr unter Druck setzen lassen. Nicht jeder Mensch hat DIE eine Leidenschaft, die er auch beruflich ausüben kann oder will und nicht jeder ist gewillt berufliche Strukturen und Sicherheit aufzugeben, um z.B. Bienenzüchterin zu werden – und das ist vollkommen okay! Auch Geringverdiener*innen werden über die Idee des Downshiftings nur müde lächeln können. Der Aspekt des geringeren Verdienstes bei weniger Arbeit überwiegt leider oft alle Vorteile, die die Entschleunigung mit sich bringen kann. Wenn dich dein Job allerdings zunehmend unzufrieden macht und du gerne aus dem Hamsterrad ausbrechen würdest, ist es gut, Alternativen wie Downshifting zu kennen. Gib‘ die Hoffnung nicht auf, auch für dich gibt es das richtige Karrieremodell!
Bildquelle: Statista, Unsplash/Hernan Sanchez