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Interview mit Dr. Carola Lilienthal

„Vielen Frauen ist unklar, wie kooperativ die Arbeit von Informatikerinnen ist“

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Dr. Carola Lilienthal ist Geschäftsführerin einer Softwarefirma, die maßgeblich für die Entwicklung eines neuen Systems zuständig ist, mit dem sich die Planung von Baustellen digitalisieren und somit besser koordinieren lässt. Das klingt erst mal nach einer sehr männerdominierten Branche oder? Mit uns hat Carola darüber gesprochen, wieso wir mehr Frauen in Tech-Berufen und insbesondere in der Führungsebene brauchen.

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desired: Liebe Carola, du bist Geschäftsführerin einer Softwarefirma. Gerade die IT-Branche ist meist noch recht Männer-dominiert. Wie sieht das in deinem Unternehmen aus?

Carola: Das stimmt, in meiner Branche habe ich sehr sehr viel mit Männern zu tun. Als ich 1988 angefangen habe zu studieren, da waren wir 10% weibliche Informatikstudentinnen. Auch heute ist diese Prozentzahl leider nur marginal auf 12% gewachsen. In meiner Firma, der WPS, haben wir uns sehr angestrengt, Frauen zu finden, die gerne Software entwickeln. Wir beteiligen uns an Veranstaltungen für Schülerinnen, Studentinnen und Berufseinsteigerinnen, um sie für die Softwareentwicklung zu begeistern. Und wir stellen Absolventinnen aus anderen Fachrichtungen ein, die mit ihrem logischen Wissen und ihrer Liebe zum Knobeln sehr schnell Programmieren lernen können. Dadurch haben wir
inzwischen einen Frauenanteil in unseren Entwicklungsprojekten von 25%. Wir sind sehr stolz darauf und unsere männlichen Kollegen sind sehr glücklich darüber.

Was glaubst du: Wieso gibt es generell zu wenige Frauen in IT-Berufen und wie kann man
mehr Frauen für die Tech-Branche begeistern?

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Viele Frauen denken, dass Informatik genauso abstrakt, wie Physik oder Mathematik sei. Deshalb probieren sie, obwohl sie sehr gerne Probleme lösen, dieses Fach erst gar nicht aus. Informatik ist aber ganz anders als Physik und Mathematik. Man hat schon im Studium immer einen Praxisbezug – außer man geht in die theoretische Informatik.
Außerdem glaube ich, dass viele junge Frauen, auch die die Logik und Probleme lösen gerne mögen, sich nicht zutrauen in die Tech-Branche zu gehen. Frauen haben generell eine eher vorsichtige Meinung zu ihren Talenten und halten sich häufig nicht für gut genug. Noch dazu ist vielen Frauen unklar, wie kommunikativ und kooperativ die Arbeit von Informatikerinnen heute eigentlich ist. Es gibt immer noch die Vorstellung, dass Software von einzelnen Personen allein entwickelt wird. Da ist eine Disziplin wie die Informatik, die noch dazu mit einem Nerd-Image daherkommt, nicht interessant.

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Ich finde es grundsätzlich gut, wenn jede und jeder seine Talente entfalten kann. Durch das Image, was die Informatik hat, werden entsprechend talentierte Frauen aber abgeschreckt. Und das ist das Problem. Wenn Frau gerne knobelt und gleichzeitig mag, dass Frau sofort sieht, ob die Lösungsidee sinnvoll war, dann sollte Frau unbedingt darüber nachdenken, ob sie Informatik studieren will. Informatik ist in allen Branchen zu Hause. Man hat immer einen fachlichen Bezug, für den man Software schreibt, sodass man viele verschiedene Gebiete kennenlernen und auch dort seine eigene Spezialisierung finden kann.

Dr. Carola Lilienthal ist nominiert für den Digital Female Leader Award 2020.

Du bist für den Digital Female Leader Award nominiert. Was macht für dich eine gute
Führungskraft aus?

Eine gute Führungskraft macht für mich aus, dass sie eine Vision für die Zukunft hat und ihre Kolleg*innen mit ihrer Ansprache und ihrem eigenen Vorangehen motivieren kann, dieser Vision mit Enthusiasmus zu folgen. Dabei ist die Führungskraft in der Lage ihren Kolleg*innen mit Empathie zuzuhören, sie passend zu ihren Talenten einzusetzen und zu fördern, Fehler zu erlauben und Verantwortung zu delegieren. Im Endeffekt also eine echte Erwachsene oder ein echter Erwachsener, der/dem es um die Sache und die Menschen geht und nicht um die eigene Macht oder das eigene Geld.

Es gibt Studien, die bestätigen, dass Diversität Unternehmen erfolgreicher machen. Welche Vorteile siehst du persönlich in divers besetzten Unternehmen/Führungsebenen?

Divers besetzte Unternehmen und Führungsebene erlebe ich als offener und beweglicher als Unternehmen ohne Diversität. In diversen Unternehmen ist es normal, dass man verschieden ist, unterschiedliche Sichten und Meinung zu allen möglichen Themen hat und auch deutlich individueller auf Ansprache, Diskussionen und Themen reagiert. Das eröffnet mehr Möglichkeiten, schafft Inklusion für verschiedenste Individuen und verhindert, dass im Unternehmen gleichartige schematische Abläufe entstehen. Ich kann nur empfehlen auf diverse Führungsebenen zu achten – und dabei geht es nicht nur um Frauen, sondern um jede Art von Diversität.

Hast du zum Schluss noch einen Tipp an junge Frauen, die noch ganz am Anfang ihrer
beruflichen Laufbahn stehen?

Wichtig ist, regelmäßig mit den eigenen Vorgesetzten Kontakt aufzunehmen und mit ihnen zu sprechen – auch wenn man als Frau eigentlich eher nur wegen wichtigen Dingen, also selten, zu seinen Vorgesetzten geht. Vorgesetzte nehmen ihre Mitarbeiterinnen häufig weniger wahr, weil sie ihnen seltener erzählen, was sie gerade alles (gut) machen und welche Kämpfe sie gerade für den Vorgesetzten ausfechten. Der Anlass für so ein Gespräch könnte sein: „Ich würde gerne mit Ihnen über mein Vorgehen bei XY sprechen, ob das der richtige Weg ist aus Ihrer Sicht.“ Dann kann man in diesem Gespräch, das es alle vier Wochen mindestens geben sollte, über Erfolge berichten und nach Themen fragen, die man der/dem Vorgesetzte/n abnehmen kann.

Dr. Carola Lilienthal ist in diesem Jahr übrigens Finalistin beim „Digital Female Leader Award"! Mit dem Award, der von Global Digital Women ins Leben gerufen wurde, werden jedes Jahr Frauen in der Digitalwirtschaft für ihre besonderen Projekte ausgezeichnet. Ziel ist es, Frauen mehr Sichtbarkeit in der Branche zu geben, ihre Geschichten zu erzählen und dadurch auch andere zu inspirieren und motivieren. 

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Weitere spannende Interviews mit inspirierenden Frauen findest du in unserer Themenreihe „empowHER":

EmpowHER: Unsere Themenreihe zu inspirierenden Frauen

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Bildquelle: GettyImages/gorodenkoff

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