„Frauen und Technik“ gehört noch immer zu den beliebtesten Aussagen vieler Männer. Christine C. Henschel hat als Geschäftsführerin der TAO Group jedoch bewiesen, dass auch Frauen ein Händchen für Technik haben können, wenn man sie nur lässt. Gemeinsam mit ihrem Team arbeitet sie an sogenannten Höhenplattformen für Telekommunikation und Datentransfer. Ihr Ziel ist es, eines Tages auch in den entlegensten Ecken dieser Welt Bildungsfernsehen für Kinder zu ermöglichen. Dabei steht sie im direkten Kampf mit großen Unternehmen wie Google und macht deutlich: Auch Frauen können Innovation und Technik. Doch wie ist es eigentlich für eine Frau in solch einer männerdominierten Branche zu arbeiten? Wir haben nachgefragt.
desired: Liebe Regine, ursprünglich haben Sie Geisteswissenschaften studiert und auch im Medienbereich gearbeitet. Wie kam für Sie der Wandel hin zu einem technischen Berufsfeld?
Regine: Ich habe mich schon immer sehr für wissenschaftlich-technische Zusammenhänge interessiert, die die Welt ausmachen und u.a. für die VDI-Nachrichten geschrieben oder für das Fernsehen Wissenschaftsdokumentationen mit eigenem Team produziert. Da war ein Wechsel zur wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktion der Universität Stuttgart eine willkommene Herausforderung. 2001 haben wir dann die TAO Group gegründet und zum Fliegen mit unserem SkyDragon kamen weitere spannende Projekte mit nachhaltigen Technologien dazu. Ich lerne ständig dazu: wir erfinden, planen und bauen jeden Tag – ich kann mir keine bessere Berufung für mich vorstellen.
Die Welt braucht Generalisten mit Tiefe, dabei hilft mir dann wieder die Geisteswissenschaft. Sie verhindert Scheuklappendenken und ermöglicht das, was wir jetzt neudeutsch einen „open mind“ nennen. Insbesondere für unsere Innovationen ist das eine gute Geisteshaltung und fördert unser interdisziplinäres Denken.
Fiel es Ihnen in der Vergangenheit schwer, sich als Frau in einer männerdominierten Branche ihren heutigen Platz zu erarbeiten?
Einfach ist etwas anderes – aber mit Geduld, Wissen, Engagement und Humor ist alles möglich.
Sie sagen, die Geisteswissenschaft hilft Ihnen, die Sachverhalte aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Würden Sie sagen, dass sie mit Ihrer weiblichen Intuition und Ihrem weiblichen Denken ebenfalls neue Blickwinkel auf Sachverhalte in Ihr berufliches Umfeld einbringen können?
Ja, die weibliche, oft intuitive Herangehensweise an verzwickte Problemstellungen ist sehr hilfreich und eröffnete stets neue Teilaspekte, die dynamisch oder ausgleichend auf den Lösungsprozess einwirken können. Auch in der Teamführung sind weiche Faktoren in bestimmten Situationen wesentlich ergebnisfördernder als reines Zieldenken.
Haben Sie denn das Gefühl, in Ihrem beruflichen Umfeld ihre feminine Seite beibehalten zu können oder merken Sie, dass Sie sich während der Arbeit an Ihr männliches Umfeld anpassen?
Eine schwierige Frage - Ich bin eine Frau, und das bin ich gerne. Berufliche Professionalität in Auftreten und Kleidungsstil kann durch feminine Softskills enorm gewinnen und den in Männerteams manchmal lauteren Umgangston etwas relativieren. Draußen auf dem Flugfeld bei den Probeflügen unseres großen Spezial-Luftschiffs hingegen bin ich wie meine männlichen Kollegen ganz „Flieger“ und trage auch lieber robustere Jeans und Windjacken.
[...] Die weibliche, oft intuitive Herangehensweise an verzwickte Problemstellungen ist sehr hilfreich und eröffnete stets neue Teilaspekte, die dynamisch oder ausgleichend auf den Lösungsprozess einwirken können.
Regine C. Henschel
Kommen wir noch einmal auf Ihren Werdegang zurück. Sie haben in den vergangenen Jahren eine steile Karriere hingelegt und sind dadurch sicherlich ein Vorbild für viele Frauen. Neben Ihrem technischen Beruf engagieren Sie sich für gemeinnützige Zwecke wie der Baumschutzaktion „1 Mio. Bäume pflanzen“. Wie bringen Sie Ihr Privatleben, Ihre Arbeit und diese zeitintensiven Projekte unter einen Hut?
Als „Karriere“ bezeichne ich meinen bisherigen Lebensweg selber überhaupt nicht. Das würde eine stringente Planung voraussetzen, und die hatte ich nie. Ich habe immer das gewählt und umgesetzt, was mich angezogen hat, wofür mein Herz schlägt und was ich liebe. Und das ist jetzt das Fliegen in der Stratosphäre für die Datenkommunikation der Zukunft. Das Leben öffnet für die Menschen, die keine Angst vor ihren Sehnsüchten und Abenteuern (mit ungewissem Ausgang) haben, immer wieder neue Türen. Es gehört Mut dazu, diese Türen auch zu durchschreiten. Das habe ich gewagt. Es war selten leicht, aber es war immer richtig.
Berufliches Leben wird bei mir nicht vom Privatleben getrennt, weil mir die Projekte wirklich wichtig sind und mich „beflügeln“. Deshalb engagiere ich mich auch in meiner „sogenannten Freizeit“ für unsere nachhaltigen Zukunftstechnologien, eine bewusste Lebensführung und unseren gemeinnützigen Verein Freundeskreis Natuviva, der engagierte Wissensträger und mutige Weltgestalter durch den „Staffellauf der Nachhaltigkeit“ miteinander vernetzt.
Das klingt, als hätten sie bei Ihrer derzeitigen Berufswahl wirklich alles richtig gemacht und würden sich damit sehr wohlfühlen. Noch immer gelten technische Berufe und die entsprechende Expertise allerdings häufig als „Männersache“. Was würden Sie sich zukünftig wünschen, um ihre Branche auch für junge Frauen attraktiver zu machen?
Luft- und Raumfahrt sowie Zukunftstechnologien sind meines Erachtens bereits sehr attraktiv für Frauen (lacht), darum bin ich ja dabei! Wo gibt es sonst echte Himmelsdrachen zum Anfassen?
Kommen wir zur letzten Frage. Welchen Tipp würden Sie Ihrem jüngeren Ich im Hinblick auf eine Zukunft als erfolgreiche Business-Frau heute geben?
Höre auf Dein Herz und Dein untrügliches Bauchgefühl, sei mutig, fest im Willen, gib' niemals auf, finde das beste Team und den besten Partner mit denen Du zusammen die Welt bewegen kannst!
Danke für das spannende Interview, Frau Henschel!
Regine C. Henschel ist in diesem Jahr übrigens Finalistin beim „Digital Female Leader Award"! Mit dem Award, der von Global Digital Women ins Leben gerufen wurde, werden jedes Jahr Frauen in der Digitalwirtschaft für ihre besonderen Projekte ausgezeichnet. Ziel ist es, Frauen mehr Sichtbarkeit in der Branche zu geben, ihre Geschichten zu erzählen und dadurch auch andere zu inspirieren und motivieren.
Weitere spannende Interviews mit inspirierenden Frauen findest du in unserer Themenreihe „empowHER":
Bildquelle: imago images/ThisisEngineeringRAEng, Regine C. Henschel , TAO Group