Ein Mann, der lieber eine Frau als Vorgesetzte hat? Ja, das gibt es! Ich selbst bin solch ein Mann. Während es meinen Freunden meist total egal ist, welches Geschlecht ihr Boss hat, hatte ich seit meinem 16. Lebensjahr nur einen männlichen Chef. Und dafür gibt es Gründe!
Als ich im Alter von 16 Jahren meine Ausbildung zum Friseur begann, machte ich mir keinerlei Gedanken darüber, dass ich von nun an in einem „Frauen-Metier“ arbeiten würde. Dabei war es nie von der Hand zu weisen. In der Berufsschule waren wir 28 Azubis, von denen gerade einmal drei Männer waren. Von knapp 40 Mitarbeitern im Salon waren es zu Höchstzeiten vier männliche Friseure. Und mein Boss? Der war eine Frau.
Damals machte ich mir keine Gedanken darüber, dass ich eine Chefin hatte, die oftmals einen sehr rauen Ton an den Tag legte und alle umher scheuchte, wie man es eigentlich nur in einer Großküche vermuten würde. Schließlich war es für mich jahrelang Normalität. Bis ich meinen Zivildienst antreten musste - und wirklich in einer Großküche landete.
Kein Mann für einen männlichen Führungsstil
Angekommen in jener besagten Großküche einer sozialen Einrichtung, um dort meinen Zivildienst zu absolvieren, hatte ich mit einem Mal keine Chefin mehr. Mein Vorgesetzter war ab sofort ein Mann.
Es kam, wie jegliches Klischee es verlangt: Von der ersten Minute an herrschte ein rauer Ton. Aber er war anders als zuvor! Wie sonst sollte Mann sich in seiner höheren Position beweisen? Hier denke ich gerade in stereotypischen Rollenbildern, aber um ehrlich zu sein, hat sich dieses Klischee voll und ganz in ihm bestätigt. Er konnte (laut und launisch) Aufgaben delegieren, aber gute Kommunikation oder Motivation waren trotzdem keine seiner Fähigkeiten. Viel Führungspotenzial steckte nicht in meinem Küchenchef – von den Kochkünsten will ich erst gar nicht anfangen.
Irgendwie war ich während meines Zivildienstes unglücklich in meinem Job. Lange fragte ich mich, ob es an der Einrichtung oder meiner Tätigkeit gelegen hat. Aber heute, fast 12 Jahre später, kenne ich die richtige Antwort: Es lag an meinem Chef, denn er war ein Mann.
„Ich verstand erst spät die Debatte um Frauen in Führungspositionen“
Lange Zeit habe ich die große Debatte um Frauen in Führungspositionen nicht verstanden. Umgeben von erfolgreichen Frauen, war es mir total fremd, dass sie schlechtere Aufstiegschancen haben und das, obwohl sie meist sogar den höheren Bildungsabschluss oder bessere Qualifikationen haben. Ich musste erst mein gewohntes Terrain verlassen, um zu sehen, wie die – andere und nicht meine – Wirklichkeit aussieht. Die Wirklichkeit so vieler Frauen. Ohne diesen Schritt, hätte ich vielleicht nie erkannt, wie viele Familien und Firmen nach wie vor das in unserer Gesellschaft stark verankerte Modell der traditionellen Unterscheidung von Geschlechterrollen leben. Wenngleich die Frauenquote zumindest ganz langsam ihre Wirkung zeigt, sind sie doch nach wie vor in Wirtschaft, Politik und Medien unterrepräsentiert. Keine Frage also, dass ich für die Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft bin. Egal ob in der Arbeitswelt oder anderen gesellschaftlichen Bereichen.
Nachdem ich Kamm und Schere abgelegt hatte, begann ich neben meinem Studium in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu arbeiten. Ihr dürft nun dreimal raten, ahnt es aber sicherlich schon: Ich hatte eine Chefin. Endlich.
Frauen auf der Karriereleiter - Das Umfeld immer im Blick
Frauen sind empathischer, wenn es um ihre Angestellten geht. Wie heißt es immer so schön: Wer ganz nach oben will, kann nicht von jedem geliebt werden! Einige Experten behaupten, dies sei einer der Gründe, warum der Anteil von Frauen in Führungspositionen noch immer geringer ist. Fragt man mich, sehe ich diese Eigenschaft eher positiv. Im Gegensatz zu vielen Männern vergessen Frauen nicht ihr Umfeld und achten noch auf andere, während sie gerade dabei sind die Karriereleiter hinauf zu steigen. Denn sie wissen, wer ihnen auf dem Weg dorthin geholfen hat. Sie wissen, dass es nur gemeinsam geht. Vielleicht, weil sie sich in den letzten Jahrzehnten bis an die Spitze boxen mussten und es der schlauere Weg war, sich mit den anderen wenigen Frauen zu verbünden.
Ja, ich weiß, es gibt auch andere Geschichten, von Frauen, die keine andere weibliche Konkurrenz vertragen oder sich gegenseitig im Weg stehen. Während die Bienenkönigin die Männer um sich herum unterstützt, werden die ihr untergebenen, weiblichen Bienen eher behindert als gefördert. Von diesem Typ Frau, die anderen nur das Leben schwer machen wollen, habe ich bisher aber nur eine kennengelernt. Und diese war nicht einmal meine Chefin.
Von Frauen gefordert und gefördert
Immer wieder liest man davon, dass Männer sich untergeben fühlen, wenn sie eine Frau als Chefin haben. Schuld daran sind die noch immer in unserer Gesellschaft existierenden Rollenbilder. Mir selbst erging es allerdings nie so. Ich habe für Chefinnen gearbeitet, die mich sowohl gefordert als auch gefördert haben. Ich traf während meiner beruflichen Laufbahn auf Frauen, die Potenziale in mir erkannten, bevor ich mir wirklich selbst über diese bewusst war. Auf jene, die mich motivieren konnten. Jene, die mich ermutigten, neue Wege zu gehen. Und jene, die zu meinen Mentorinnen wurden. Genau aus diesem Grund habe ich lieber eine Frau als Boss!
Meine Erfahrungen mit weiblichen Vorgesetzten sind sehr persönliche und emotionale. Ich bin mir sicher, dass es viele Männer da draußen gibt, die meine Meinung und Erfahrungen teilen. Doch sind es noch nicht genug. Denn nach wie vor sind Frauen in Führungspositionen keine Normalität und die Debatte darum eine immer noch stark diskutierte. Es ist an der Zeit, dass Männer sich für Frauen starkmachen.
Bildquelle: Stocksy/BONNINSTUDIO