Man kann es mit einem Eisberg vergleichen: Über der Wasseroberfläche ist kaum etwas davon zu sehen, doch darunter verborgen nimmt der Eisklotz Ausmaße an, die man nicht erahnt hätte. Die Rede ist vom Unterbewusstsein des Menschen, jenem Bereich der menschlichen Psyche, der einen größeren Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln hat, als wir es uns überhaupt vorstellen können.
Man sagt, dass dem Menschen nur zehn Prozent seiner Psyche wirklich bewusst sind – die anderen 90 Prozent werden dem Unterbewusstsein, fachsprachlich auch das Unbewusste genannt, zugeschrieben und sind uns nicht direkt zugänglich. Auch wenn wir glauben, bestimmte Entscheidungen bewusst getroffen zu haben, hat in den meisten Fällen schon längst das Unterbewusstsein die Entscheidungen für uns gefällt, ehe wir uns dieser bewusst wurden. Deswegen steht fest: Unserer bewussten Entscheidung geht immer eine unbewusste Entscheidung voraus! Unser Unterbewusstsein steuert nicht nur unser Verhalten und unsere Gefühlswelt, sondern auch die körperlichen Reaktionen. Es ist ein inneres Navigationssystem, in dem alle Lebenserfahrungen – also auch traumatische Ereignisse – gespeichert sind.
Unser Gehirn muss so viele Eindrücke auf einmal speichern, dass es unmöglich ist, sie alle gleich zu behandeln. Man bedenke nur einmal, wie viele visuelle und akustische Reize wie Farben, Formen, Bilder, Töne, Geräusche und Stimmen allein in einem kurzen Moment auf uns einströmen. Dazu kommen dann eventuell noch sensitive Reize wie Berührungen, ein Luftzug oder Schmerzen sowie bestimmte Gefühle, Stimmungen usw. Und was nehmen wir bewusst davon wahr? Nur einen winzigen Bruchteil. Und warum? Weil wir sonst vor lauter Reizüberflutung nicht mehr wüssten, wo oben und unten ist.
Der Großteil der ganzen Eindrücke wird daher erst einmal ins Unterbewusstsein verschoben. Es ist sozusagen die Summe aller Vorstellungen, Erinnerungen, Eindrücke, Motive, Einstellungen und Handlungsbereitschaften, die wir irgendwann einmal aufgenommen haben, die jedoch zurzeit inaktiv und uns damit nicht bewusst sind. Dennoch spielen auch die unterbewussten Elemente unserer Psyche eine große Rolle in unserem täglichen Tun und Denken: Sie können uns in entscheidenden Momenten zum Beispiel den Weg weisen – was wir dann als Intuition bezeichnen. Etwas in uns sagt uns zum Beispiel, wie wir uns entscheiden sollen, ein komisches Gefühl im Bauch hindert uns daran, einen folgeschweren Fehler zu begehen, oder aber wir müssen ohne ersichtlichen Grund lachen oder weinen – all das sind Situationen, in denen unser Unterbewusstsein die Führung übernommen hat.
Unterbewusstsein: Verschiedene Ansätze
Der österreichische Neurologe und Begründer der Tiefenpsychologie, Sigmund Freud, hat sich intensiv mit der Thematik des Unbewussten bzw. dem Unterbewusstsein beschäftigt. Auf der Grundlage der Erfahrungen, die er mit seinen Patienten machte, kam Freud zunächst zu einer Art „räumlichen“ Trennung dreier psychischer Bereiche der menschlichen Seele:
1. Das Bewusste: Bestimmte Vorstellungen, Gedanken und Wahrnehmungen können nach Belieben in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, also ins Bewusstsein geholt, und wieder beiseite gelegt werden.
2. Das Vorbewusste: Relativ leicht zugängliche Gedächtnisinhalte, auf die das Bewusstsein nicht sofort zugreifen kann, die jedoch prinzipiell zugänglich sind und im Bedarfsfall durch Suchen nach Zusammenhängen wieder aktiviert werden können.
3. Das Unbewusste: Seelischer Inhalt, der vor allem aus verdrängten und abgewehrten Bewusstseinsinhalten besteht und trotz willentlicher Anstrengung nicht bewusst gemacht werden kann. Auch die menschlichen Triebe, der Selbsterhaltungs- und der Sexualtrieb, gehören zum Unbewussten. Da das Verdrängte dort weiter wirkt, kann es zu emotionalen Störungen und Neurosen führen. Um diese im Unterbewusstsein liegenden Inhalte an die „Oberfläche“ zu holen, bedarf es Freud zufolge bestimmter Methoden wie der Psychoanalyse oder der Hypnose.
Der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie, Carl Gustav Jung, der eng mit Sigmund Freud befreundet war, sprach außerdem von einem „kollektiven Unterbewusstsein“ und meint damit eine Speicherung von Erfahrungen aus der gesamten Menschheitsgeschichte in unserem Unbewussten, die immer wieder Einfluss auf unser Verhalten nehmen kann. Das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP), eine Sammlung von Kommunikationstechniken und Methoden zur Veränderung psychischer Abläufe im Menschen, sieht im Unterbewusstsein hingegen alles, was sich der augenblicklichen Aufmerksamkeit entzieht.
Das Unterbewusstsein formt unsere Träume
Auch wenn es keine wissenschaftlichen Beweise für die Existenz eines Unterbewusstseins gibt, gehen die meisten psychologischen Ansätze davon aus. Durch den Einsatz mentaler Techniken kannst Du die Kraft Deines Unterbewusstseins nutzen. Entspannung hilft meist schon dabei, dass einem Namen oder Begriffe einfallen, an die man sich vorher krampfhaft zu erinnern versucht hat. Auch unsere Träume sind ein Produkt des Unterbewusstseins, in ihnen verarbeiten wir das Erlebte und andere Dinge, die uns beschäftigen. Unser Unterbewusstsein ist nämlich immer aktiv – selbst wenn wir schlafen. Solltest Du einmal versuchen, Deine Träume zu deuten, wirst Du erkennen, welche Botschaften Dir Dein Unterbewusstsein geben will. Auf diese Weise kannst Du sehr viel über Dich selbst erfahren und gegebenenfalls Hinweise darauf erhalten, warum Du Dich in vielen Situationen auf eine bestimmt Art verhältst.
Das Unterbewusstsein hat einen großen Einfluss
Unser Unterbewusstsein hat sehr viel Macht und Einfluss auf uns und unser Leben. Wenn Du lernst, diesen Einfluss mehr und mehr für Deine Zielsetzungen zu nutzen, so wirst Du darin Hilfe und Unterstützung finden. Folgende Bereiche des Lebens werden vom Unterbewusstsein mit gesteuert: Deine Verhaltensweisen und Reaktionen, Deine Einstellungen und Überzeugungen, Deine Wahrnehmung, Deine Gesundheit und Dein Wohlbefinden, Deine Leistungsfähigkeit und Deine persönlichen Erfolge sowie die Bedeutung, die Du den Dingen gibst, die geschehen.
Das Unterbewusstsein kennt kein „Nein“
Viele Mentaltrainer gehen davon aus, dass das Unterbewusstsein keine Verneinungen versteht. Wenn Du Dir selbst z.B. immer wieder sagst, dass Du nicht mehr so dick sein willst, bleibt demnach für das Unterbewusstsein die Botschaft „dick sein“ übrig. Vermeide es deshalb in jedem Fall, uneindeutige Botschaften zu versenden, denn Dein Unterbewusstsein könnte sie falsch verstehen.
Wie Du siehst, hat das Unterbewusstsein eine überaus große Bedeutung, denn es ist immer im Stand-By-Modus und beeinflusst unser Denken und Handeln in großem Maße. Versuche doch einmal, in Zukunft aufmerksamer zu sein und auf Deine innere Stimme zu hören – Du wirst sehen, dass Du dabei viel über Dich selbst und Dein Verhalten lernen kannst. Dem Unterbewusstsein sei Dank!
Bildquelle: Thinkstock/iStock/Kladyk