Was passiert eigentlich, wenn man „Sinn des Lebens“ googelt? Klar, ganz oben erscheint der entsprechende Wikipedia-Eintrag, kennt man ja, ein paar Bilder und Cartoons, ominöse Blogs, die mit missionarischem Eifer religiöses Gedankengut jedweder Form verbreiten und natürlich diverse Forendiskussionen. Schließlich bin ich nicht die erste, die wissen will, was das ist.
Das ist mir erst einmal zu viel, deshalb tue ich, was man heute tut, wenn man etwas wissen will, aber nicht die Meinung von jedem Deppen wissen will: Ich frage meine Facebook-Freunde. Nach dem Sinn des Lebens. Warum nicht? Die Antworten lassen nicht einmal lange auf sich warten: „Beruflicher Erfolg, Kinder kriegen, die Welt verbessern, bleibende Spuren hinterlassen, 42, Geld verdienen (viel Geld verdienen), Perfektion künstlerischer Fähigkeiten, nicht auffallen, berühmt werden, Zeit totschlagen“ wird vorgeschlagen, aber auch Sport und Fortpflanzung, sprich gut aussehen, um viel Sex zu haben. „Stars, Schminke, Schuhe und Jungs“ tauchen auch auf, schließlich soll der Sinn des Lebens auch ein bisschen Spaß machen. Ein früherer Kommilitone sieht diese nämlich als „ziemlich gut etablierte Endpunkte, bei denen die Wozu-Frage in der Regel nicht mehr gestellt wird. Berühmt zu sein, gut auszusehen und beim anderen Geschlecht gut anzukommen, sind da ziemlich zentral. Es liegt dann natürlich nahe, den Zug zu machen, alles auf Sex zu reduzieren.“
Der Sinn des Lebens: Geht es wirklich immer nur um Sex?
Tatsächlich entspricht das sehr weit meiner eigenen Einschätzung: Fortpflanzung und Arterhaltung als Sinn des Lebens, Menschen sind da, um neue Menschen zu machen, und am Ende beißt sich die Katze eben in den Schwanz. Das ist jedenfalls der biologische Sinn des Menschen.
Was den Menschen aber unter anderem auch zum Menschen macht, ist die Fähigkeit, sich nach einem (tieferen) Sinn zu fragen – also das Talent, dumme Fragen zu stellen. Herzlichen Glückwunsch, das tut nämlich kein anderes Tier! Zusammenfassen kann man das wohl so: Der Mensch an sich möchte jedenfalls nicht, dass es immer nur um Sex geht. Deshalb geht es bei der Frage nach dem Sinn des Lebens auch laut Wikipedia nicht zwangsläufig um biologische Evolution, sondern gerne auch mal „um die auf den Zweck gerichtete (teleologische) Bedeutung des Lebens im Universum an sich“. Hmm.
#sinndeslebens
Der Wikipedia-Eintrag zum Sinn des Lebens ist wirklich ziemlich lang und als im Prinzip professionelle Philosophin weiß ich, dass sich dazu wirklich verdammt viel sagen lässt. Erst einmal hätte ich es aber gerne weniger trocken und frage mich lieber: Was glauben wohl die meisten Leute für sich selbst, was der Sinn ihres Lebens ist? Also ganz ohne philosophischen Überbau und theoretisches Vorgeplänkel? Das Hashtag #sinndeslebens gibt Aufschluss: the_pixel_kingdom und vani_musi_dance_98 sind sich einig: „Versuche, nett zu sein, fettes Essen zu vermeiden, hin und wieder ein gutes Buch zu lesen, ab und zu mal ne Runde zu laufen und in Frieden und Harmonie mit Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationen zusammenzuleben.“ Hört sich eigentlich ganz brauchbar an und vermutlich würde sich sogar Epikur damit einverstanden zeigen, der schon in der Antike eine maßvolle Befriedigung der Grundbedürfnisse, Seelenruhe und die Freiheit von Angst und Schmerz zum Sinn des Lebens erklärte. Für viele Menschen scheint der Musiker Casper den Sinn des Lebens in seinem „Grizzly Lied“ gut auf den Punkt gebracht zu haben: „Der Sinn des Lebens ist leben. Das war’s“, heißt es da. Prinz Pi (ob nun der echte oder nicht, sei dahingestellt) hat es zwar nicht so mit Zeichensetzung und so, vertaggt den #sinndeslebens aber hier: „Erkenntnis: es lohnt sich ab dem Moment zu leben, an dem Man was gefunden hat, für das man sterben würde. Kitschig aber wahr“. Das kommt mir komisch vor, also überlege ich beklommen, wofür ich sterben würde, und komme zu dem Ergebnis, dass ich das gerne erst einmal bleiben ließe. Und außerdem lebt man doch schon vorher, also auch ich jetzt, oder? Also weiter: Viele posten Bilder von Babys, was für den Ansatz mit der Fortpflanzung spricht, Schokolade, Nutella und Hundebabys werden auch häufig vorgeschlagen. faktislam1 findet „Islam ist der Sinn des Lebens“ und bekommt dafür immerhin zwölf Likes. Also doch was Religiöses? Allmählich wird mir das hier zu bunt und ich lasse mich von absurden Vorschlägen begeistern. nive kosram postet unter #sinndeslebens: „Meine Freunde heiraten, bauen Häuser, kriegen Kinder und ich pule den Chiquita-Aufkleber von einer Banane und klebe ihn mir auf die Stirn.“ Ich muss lachen. Vielleicht ist Lachen ja der Sinn des Lebens? Humor kam irgendwie noch gar nicht vor…
Sinn des Lebens: Das sind die Antworten!
Im alten Griechenland gab es noch keine Fernseher. Deshalb saßen die Leute oft zusammen herum und haben sich unterhalten – zum Beispiel über den Sinn des Lebens. Platon etwa fand „Ein Leben ohne Selbstprüfung verdient nicht, gelebt zu werden.“ Das ist okay und adelt den Selbstzweifel, aber kann der Sinn des Lebens darin bestehen, einfach häufiger auf die Waage zu steigen? Jedenfalls nicht nur, denn Aristoteles (der vorher viel mit Platon gequatscht hatte) war der Meinung, dass außerdem ein stetiges Tätigsein der Seele notwendig sei. Damit meinte er Herumphilosophieren und Forschen und es erklärt bis heute, warum sich so viele Akademiker um so wenige schlecht bezahlte Stellen streiten. Außerdem werde ich mich beim nächsten nachmittagelangen Kaffeeklatsch mit meiner Freundin Simone de Beauvoir* daran erinnern: Der Sinn des Lebens ist ja schon eine ganz gute Rechtfertigung dafür. Die Stoa, eine wichtige Schule der altgriechischen Philosophie, fand Tugend wichtig: Weisheit, frei von Affekten, Wünschen und Leidenschaften, sollte der Sinn des Lebens sein, Ausflippen und wilde Partys eher nicht – deshalb spricht man übrigens noch heute von der stoischen Ruhe. Im Mittelalter war es mit dem Spaß dann schließlich ganz vorbei: Gottgefälligkeit wurde zum Sinn des Lebens. Was das Ganze sollte, erschloss sich der armen Seele erst im Jenseits. Das fand Ludwig Feuerbach komisch: „Verliert nicht das Leben gerade durch das Jenseits, in dem es erst einen Sinn finden soll, allen Sinn, allen Zweck?“, fragte der Religionskritiker. Friedrich Nietzsche, ein etwas spezieller Zeitgenosse mit einem Hang zum Dramatischen, sah es als den Sinn des Lebens an, den Menschen weiterzuentwickeln und, naja, zu optimieren. Das wurde im Nationalsozialismus leider reichlich falsch verstanden, wie bekannt sein dürfte. Eine meiner Meinung nach auch heute noch nachvollziehbare Haltung zum Thema Sinn des Lebens vertritt der Existenzialismus: Typen wie Jean-Paul Sartre (der nicht rasend attraktiv war, aber mit seinem Frauenverschleiß bewies, dass Intelligenz sexy machen kann, und mit der echten Simone de Beauvoir die wohl berühmteste offene Beziehung aller Zeiten führte) waren der Meinung, dass das Leben a priori (also von sich aus) keinen Sinn habe. Alles umsonst? Nein, denn das Tolle ist, jeder darf sich seinen eigenen suchen.
Der Sinn des Lebens in der Religion
Wer es einfacher mag, kann sich aber auch eine Religion aussuchen, um den Sinn des Lebens zu klären: Im Islam ist dieser zum Beispiel, Allah zu dienen und ihm zu gefallen, im Christentum gilt das Gleiche für Gott. Das Judentum verlangt die Einhaltung der göttlichen Gesetze, das Prinzip ist aber vergleichbar. Die Buddhisten versuchen, dem so genannten Samsara, also dem ständigen Kreislauf der Reinkarnation, an den sie glauben, zu entkommen und am Ende ins Nirwana zu gehen und dabei völlig zu verlöschen. Dafür wird eine Menge meditiert, was ja zumindest ganz entspannend ist. Der Hinduismus ist erstaunlich lebensnah und postuliert vier Lebensziele Wohlstand („Artha“), Begierde („Kama), Pflicht beziehungsweise Moral („Dharma“, ohne Greg) und, als viertes und letztes Ziel, Erlösung („Moksha“) – womit wir irgendwie auch wieder bei Stars, Schminke, Schuhen und Jungs gelandet wären.
Was ist also nun der Sinn des Lebens? Vermutlich für jeden etwas anderes – und das ist auch gut so! Und wenn Stars, Schminke, Schuhe und Jungs dabei auch eine Rolle spielen dürfen, umso besser.
*Name von der Redaktion geändert
Bildquelle: © Thomas Northcut / iStock / Thinkstock