Etwa 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung leidet an psychisch verursachten Erkrankungen – mit steigender Tendenz. Denn das erhöhte Stresspotenzial in der heutigen Gesellschaft ist verantwortlich dafür, dass die Belastung nicht weniger wird. Die Psychosomatik kann dabei helfen, psychische Störungen wie Depressionen, Angstzustände oder Essstörungen mithilfe der Psychotherapie zu behandeln. Leider mangelt es aber bisher an Aufklärung über Psychosomatik.
Die Psychosomatik ist ein Grenzgebiet zwischen Medizin, Psychologie und Psychotherapie und geht davon aus, dass Körper (soma), Seele (psyche) und Geist immer miteinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Es wird angenommen, dass die Psyche nicht nur einen starken Einfluss auf den Verlauf von verschiedenen Krankheitsbildern hat, sondern manche gar erst hervorrufen kann. Die Wechselwirkung dieser drei Faktoren, auf denen die Psychosomatik beruht, wird als bio-psycho-soziales Modell bezeichnet. Bei der Behandlung von psychosomatischen Beschwerden, die im Folgenden noch erläutert werden, ist es von großer Bedeutung, dass neben der körperlichen Verfassung des Patienten auch psychische Vorgänge und seine sozialen Lebensbedingungen Berücksichtigung finden.
Wie ist die Psychosomatik entstanden?
Ihren Ursprung hat die Psychosomatik in der von Magie bestimmten Heilkunde der primitiven Medizinmänner, die sich bereits vor Jahrhunderten mit seelisch bedingten, körperlichen Erkrankungen befassten. Von der Psychoanalyse und der Tiefenpsychologie erhielt die Psychosomatik im letzten Jahrhundert ihre wichtigsten Anregungen. Ihre Erforschung und die Umsetzung in der Krankenbehandlung erfolgt in der Psychosomatischen Medizin.
Psychosomatik: Was sind typische Krankheiten?
Bei einem gesunden Menschen herrscht nach Annahme der Psychosomatik ein dynamisches Gleichgewicht zwischen körperlicher, psychischer und sozialer Situation. Leidet jemand an einer psychosomatischen Krankheit, so gerät dieses Gleichgewicht aus den Fugen. Der Betroffene ist im schlimmsten Falle nicht mehr dazu fähig, ein glückliches, selbstbestimmtes Leben zu führen. Zu den typischen Krankheiten in der Psychosomatik gehören Angst- und Zwangsstörungen, Depressionen, Essstörungen, Hypochondrie, posttraumatische Belastungsstörungen sowie Persönlichkeitsstörungen. Krisen und Belastungserfahrungen im häuslichen Umfeld oder am Arbeitsplatz, wie Burnout oder Mobbing, weisen ebenfalls auf eine psychosomatische Störung hin.
Psychosomatik: Welche körperlichen Beschwerden sind ein Hinweis auf eine Störung?
Gründe für psychosomatische Störungen sind zahlreich und können oft erst nach langjährigen Psychotherapien ans Licht gebracht werden. Verschiedenste körperliche Beschwerden können jedoch ein Anzeichen dafür sein, dass eine Störung der Psychosomatik vorliegt. Dazu gehören zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden, Magengeschwüre, Kopfschmerzen, Bronchialasthma oder Muskelrheuma. Auch Schlaflosigkeit, Fett- oder Magersucht, Menstruationsbeschwerden und sexuelle Funktionsstörungen können symptomatisch sein. Wer häufig Infektionen oder Kopfschmerzen hat, die weder durch gesunde Ernährung noch durch Medikamente verschwinden, könnte ebenfalls für eine psychosomatische Behandlung in Frage kommen.
Wie behandelt die Psychosomatik derlei Beschwerden?
Bei der Behandlung psychosomatischer Störungen sind Therapiekonzepte erforderlich, welche neben einer somatischen, d.h. körperlichen Behandlung auch eine Anwendung der Psychotherapie umfassen. Die verhaltenstherapeutische Psychosomatik hat praktische Behandlungsmodelle entwickelt und berücksichtigt sowohl die körperliche Seite, indem sie den Beschwerden mit Hypnose, Biofeedback oder Entspannungsübungen zu Leibe rückt, als auch die psychischen Elemente wie Gedanken, Gefühle und weitere seelische Vorgänge, die durch Gespräche in Therapiesitzungen aus der Welt geschafft werden sollen.
Psychosomatik – Die Aufklärung fehlt
Da die Medizin der vergangenen Jahrhunderte die Ursachen für Krankheiten nur auf der körperlichen Ebene gesucht hat, konnten Menschen mit psychischen Störungen selten geheilt werden. Bis heute hat sich das nur bedingt geändert. Das liegt zum einen daran, dass viele Ärzte vielleicht aufgrund eines fehlenden finanziellen Anreizes zu wenig Aufklärungsarbeit zur Psychosomatik leisten, zum anderen weil in der Gesellschaft seelische Probleme nach wie vor tabuisiert und stigmatisiert werden. Viele Patienten fordern die psychosomatische Behandlung auch nicht von selbst ein, weil sie nicht als „Psycho“ verschrien sein möchten, und hoffen stattdessen auf eine organische Erklärung für ihre Beschwerden. Leider hilft das den Patienten nicht, im Gegenteil: Die Symptome verschlimmern sich meist. Und selbst nach der Diagnose einer psychischen Störung ist dem Patienten noch lange nicht damit geholfen, ihn mit Psychopharmaka zu therapieren. Psychotherapeutische Maßnahmen im Sinne der Psychosomatik sind unumgänglich, um Rückfälle zu vermindern.
Psychosomatik: Wo finde ich Hilfe?
Menschen mit psychosomatischen Problemen werden ambulant und in schlimmeren Fällen auch stationär behandelt. Behandelnde Ärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, entsprechend weitergebildete Ärzte oder Psychologische Psychotherapeuten findest Du im Internet oder in den Gelben Seiten. Oftmals kann auch Dein Hausarzt dabei helfen, die für Dich passende Behandlung zu finden. In Deutschland gab es 2012 insgesamt 21 Universitätsabteilungen, die sich auf Psychosomatik spezialisiert haben. Die ambulante Behandlung wird ebenso wie der stationäre Aufenthalt in psychosomatischen Akutkrankenhäusern und Rehakliniken in den meisten Fällen von der Krankenkasse übernommen. Wichtig ist, dass alles im Vorfeld abgeklärt wird, damit Du am Ende nicht auf unnötigen Kosten sitzen bleibst.
Damit mehr Menschen sich ihren psychosomatischen Problemen stellen, bedarf es einer Zusammenarbeit von Therapeuten und Ärzten, die Aufklärungsarbeit leisten und die Psychosomatik vom Tabu- zum Gesprächsthema machen. Die Betroffenen müssen ein Verständnis dafür bekommen, dass es körperliche Beschwerden auch ohne körperliche Ursache geben kann – und dass es Lösungen für diese Probleme gibt.
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