Das erste, das einem bei dem Wort Nirvana in den Sinn kommt, ist wahrscheinlich die Grunge-Band um den verstorbenen Sänger Kurt Cobain. Eigentlich ist mit Nirvana aber ein buddhistisches Konzept gemeint, das als höchste Daseinsform des Menschen gilt und mit dem Erlöschen aller Lebenstriebe einhergeht. Doch wie genau erreicht man das Nirvana? Welche Stufen muss ein Buddhist durchlaufen, bevor er diesen Zustand völliger Ruhe erreicht?
Der Begriff Nirvana kommt aus der indischen Sprache Sanskrit und bedeutet wörtlich übersetzt „Verwehen“. Gemeint ist das „Erlöschen“ aller an die Vorstellung vom Dasein bindenden Faktoren. Damit sind die drei Dinge gemeint, die dem Buddhismus zufolge alles menschliche Leid verursachen: Begierde, Hass und Unwissenheit. Für Buddhisten ist das Nirvana die höchste Daseinsform des Menschen, ein Heilziel, das den Austritt oder die Befreiung aus dem Kreislauf des Leidens (Samsara) und der Wiedergeburten (Reinkarnation) durch das Erwachen (Bodhi) bezeichnet. Nur die Gläubigen, die das Nirvana erreichen, können aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten ausbrechen. Als Endziel des Lebens wird mit dem Nirvana ein Zustand völliger Ruhe erreicht. Es entspricht in etwa dem christlichen Paradies.
Wie beschreibt der Buddhismus das Nirvana?
In der westlichen Welt hat der Begriff Nirvana zu Missverständnissen geführt, weil die Rezeptionsgeschichte des Buddhismus nicht klar definiert ist und infolgedessen als nihilistische Lehre bezeichnet wurde. Die Buddhisten sagen, das Nirvana könne nicht mit Worten beschrieben werden, es könne nur als Folge einer intensiven meditativen Schulung erlebt und erfahren werden. Für sie ist das Leben mit einer Münze vergleichbar, von der die eine Seite die Realität (Samsara) und die andere die Überwelt (Nirvana) darstellt. Beide Seiten sind untrennbar miteinander verbunden. Während man im christlichen Glauben davon spricht, dass die Toten „in den Himmel kommen“, ist das Nirvana für die Buddhisten kein Ort – es ist eine nicht greifbare Seligkeit im Jenseits und kann bereits zu Lebzeiten erreicht werden, wenn man die entsprechende mentale und spirituelle Entwicklung genossen hat. Als Zustand der Zustandslosigkeit – weder Abschluss noch Neubeginn einer anderen Sphäre – sind im Nirvana alle Vorstellungen und Wünsche überwunden und gestillt worden. Es wird auch als bildlos (animitta), richtungslos (apranihita) und unterscheidungslos (ekalakshana) beschrieben. Man geht davon aus, dass eine Freiheit von allen Gefühlen herrscht und somit ein Zustand des ewigen Friedens, der Ruhe und der Unveränderlichkeit erreicht wurde – das Aufhören der individuellen Existenz.
Wie erreicht man das Nirvana?
Buddha zufolge erreicht ein Mensch das Nirvana nur von innen heraus durch eigene Anstrengungen, durch rechtes Tun und rechtes Denken. Die Hilfe eines Gottes oder einer anderen äußeren Kraft führt hingegen nicht zur Erleuchtung. Askese oder Meditation sind wichtige Hilfsmittel zum Erreichen des Nirvana, welches von Buddha als „das höchste Glück“ bezeichnet wird. Eine kontinuierliche neutrale Beobachtung aller Daseinsphänomene, zu denen Gefühle, Sinnesobjekte und Gedanken gehören, führen zu einem allmählichen Loslassen von allen Anhaftungen an die Realität und gipfelt im sogenannten „Moment der Frucht“ (Maggaphala). Durch diesen Bruch mit der bisherigen Welt kann der Gläubige nun ins Nirvana eintreten. Die Figur des Buddha gibt es in verschiedenen Positionen. Der liegende Buddha, welcher für gewöhnlich auf der rechten Seite liegt, mit seiner rechten Hand den Kopf stützt und seine Füße symmetrisch und parallel aufeinander gelegt hat, symbolisiert seinen Übergang ins Nirvana.
Nirvana: Die vier Stufen der Erleuchtung
Im Pali-Kanon, der ältesten zusammenhängend überlieferten Sammlung von Buddhas Lehrreden, unterscheiden die Buddhisten vier Stufen der „Erleuchtung“ eines Menschen. Bei der Stufe des Stromeintritts (sotapatti) wird das Nirvana zum allerersten Mal „erfahren“. Nach dem Eintritt in diese erste Stufe, können „Stromeingetretene“ danach noch höchstens sieben Mal – und nicht unterhalb der menschlichen Existenz – wiedergeboren werden, da der Prozess der Weltablösung sich von nun an verselbständigt. Wer zum zweiten Mal das Nirvana erfährt, steht auf der Stufe der Einmalwiederkehr (ekadagami) und hat noch maximal eine einzige Wiedergeburt in der Götter- oder Menschenwelt vor sich, der Nichtwiederkehrer (anagami) wird zwar ebenfalls nur noch ein weiteres Mal wiedergeboren, allerdings im Bereich der „Brahmas“, einer bestimmten sehr fein gestalteten Welt. Als höchste Verwirklichung des Nirvanas gilt die Stufe der Arhatschaft (arahatta). Ein Arhat ist heilig und hat keine weitere Wiedergeburt vor sich. Obwohl er mit dem Körper noch im Leben steht, ist er innerlich befreit und steht gleichsam außerhalb der Welt. Da dieser Zustand schwer zu beschreiben ist, sind im Pali-Kanon unzählige Gleichnisse überliefert, die versuchen, ihn bildlich zu beschreiben. Der Vergleich mit einem Lotusblatt ist besonders berühmt: Wie ein Tropfen Wasser, der ein Lotusblatt berührt, dieses zwar trifft, aber nicht daran hängen bleibt, so wird der Heilige im Nirvana, solange sein Körper noch besteht, zwar von aller Wahrnehmung getroffen, diese erzeugt jedoch keine Anhaftungen, sondern gleitet an ihm vorbei.
Das Nirvana hat weder zwangsläufig etwas mit dem Tod zu tun, noch ist es für die Buddhisten in irgendeiner Weise negativ behaftet. Dies wird insbesondere deutlich, wenn man sich den Gesichtsausdruck der liegenden Buddha-Figuren anschaut, der den Eintritt ins Nirvana symbolisiert: Sie lächeln stets und sehen sehr glücklich aus. Das Nirvana und der Buddhismus im Allgemeinen sind wahnsinnig komplexe Themen, für die sich eine intensivere Beschäftigung mit Sicherheit lohnt.
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