Mitarbeit: Miriam Bektasi
Fashiontech ist kein revolutionärer Begriff, den ElektroCouture-Gründerin Lisa Lang neu erschaffen hat, aber ihre Designs wie leuchtende Schals, Jacken oder auffällige LED-Ketten, sind immer etwas ganz Besonderes. Anschauen kann man sich ihre Kollektion zum Beispiel auf der #FASHIONTECH Conference & Exhibition während der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin am 5. Juli 2017. Wir haben mit der Designerin gesprochen und uns erzählen lassen, wie sich Fashion und Technik eigentlich kombinieren lassen und wie Fashiontech unser Leben in Zukunft noch verändern wird.
Hi Lisa, schön, dass Du bei Deinem vollen Terminkalender zur Mercedes-Benz Fashion Week Berlin doch noch etwas Zeit für uns gefunden hast. Beschreibe uns doch mal bitte Deinen Look heute, hat sich da auch etwas Fashiontech versteckt?
Ich schau mich gerade mal an. Also auf meinem linken Zeigefinger trage ich einen ziemlich großen Ring, der mit NFC-Technik ausgestattet ist. Ich kann alle möglichen Informationen, zum Beispiel auch Links auf dem Ring speichern, und wenn jemand den Ring mit seinem Handy scannt, dann kann man meine Visitenkarte herunterladen oder den Link zur Website von ElektroCouture speichern. Das ist ziemlich praktisch, wenn man mal keine Businesskarten dabei hat.
Dein Label ElectroCouture, das Du im Oktober 2014 gegründet hast, verbindet Fashion und Tech miteinander. Dein Weg zur Designerin ist ziemlich spannend und auch nicht gerade klassisch gewesen. Denn eigentlich hast Du ja ursprünglich mal eine Ausbildung zur Fotografin gemacht...
Ja, allerdings. Ich passe wohl kaum in ein Buch zur klassischen Unternehmensgründung (lacht). Ich komme nämlich eigentlich gar nicht aus der Fashionindustrie. Zwar habe ich mich schon immer für Mode interessiert, aber als ich mal einen Tag lang in der Bekleidungsfachhochschule war, fand ich das so langweilig und frustrierend, dass ich dann lieber eine andere Richtung eingeschlagen habe und erstmal eine Ausbildung zur Fotografin gemacht habe.
Dabei ist es aber nicht geblieben. Du warst als Grafikdesignerin tätig, warst fünf Jahre lang in Australien in der Tech-Szene unterwegs und hast bei einem Cloud-Kommunikationsdienst gearbeitet, als die Idee, ein Label zu gründen, so langsam Formen annahm...
Das war wirklich kein klassischer Weg. Ich hatte früher auch nicht viel mit Technologie am Hut, bin ohne Fernseher aufgewachsen, wir hatten auch kein Internet. Mein Problem mit Maschinen war auch, dass ich die immer kaputt gemacht habe und das ist dann irgendwie peinlich geworden. Irgendwann habe ich dann gelernt, die zu reparieren, schließlich bin ich auch in einer fränkischen Handwerksfamilie aufgewachsen. Als ich in der technischen Start-up-Szene gearbeitet habe, war ich immer mit Jungs unterwegs, das hat mir aber nichts ausgemacht. Was mich aber gestört hat, war, dass man Technik und Mode nicht miteinander verbinden konnte. Ich wollte nie Jeans und T-Shirt tragen, nur weil ich Technik geil finde. Ich wollte ja trotzdem hübsch aussehen. Und auf dem Markt gab es nichts, was das kombiniert hat. Mit Anfang 30 habe ich mich dann in die offene High-Tech-Werkstatt FabLab gesetzt, zwischen all die Männer, und habe dort angefangen, mein erstes Design für die Frozen-Kette mit blauen LED-Leuchten zu entwerfen. Damit habe ich auf Berliner Partys Aufmerksamkeit erregt. Viele Frauen waren begeistert davon und wollten auch so eine Kette haben.
Unser Vlog: Fashion Week Berlin Tag 1
Danach kamen immer neue Designideen dazu: Zum Beispiel leuchtende Schals und Jacken. Wann hast Du für Dich die Entscheidung gefällt, dass Du daraus wirklich ein eigenes Geschäft machen willst?
Ich habe lange recherchiert, mir den Fashiontech-Markt genau angeschaut, Geld gespart und habe dann gedacht, ich probiere das einfach mal aus. Ein Jahr später bin ich zu meinem damaligen Chef, meiner Familie und meinen Freunden gegangen, die haben meine Idee alle unterstützt. Aber wenn man eine eigene Firma gründet, ist das nicht gerade einfach. Auch die zehn Panikattacken, die man da so pro Tag bekommt, gehen nicht von einem auf den anderen Tag weg. Aber Nerven sind wie Muskeln, die können trainiert werden. Und irgendwann hat mich meine Faszination für Fashiontech so gepackt, dass das alles viel größer war, als die Angst, es zu versuchen.
Außerhalb von Deiner Familie: Wie haben andere Deine Ambitionen aufgenommen?
Ich hatte damals das Gefühl, dass alle schlafen und ich die Einzige bin, die wach ist. Auch wenn es die anderen nicht gesehen haben, aber für mich hat es total viel Sinn gemacht, Fashion und Technik miteinander zu verbinden. Am Anfang bekam ich dann oft zu hören: „Ach ja, eine Frau gründet ein Fashionunternehmen und baut so kleine LEDs in ihre Designs ein, wie süß!“. Aber ich lasse mich ja gerne unterschätzen, das ist ein strategischer Vorteil. Und Berlin ist sowieso sehr durchgeknallt, aber wenn jemand hier etwas Verrücktes macht, dann bist Du hier normal. Das hat mich ermutigt!
Fashiontech ist ja kein neues Thema. Schon nach der Jahrtausendwende haben Designer wie Hussein Chalayan ihre Mode in Verbindung mit Technik gebracht. Was hat sich seitdem verändert?
Um 2008 herum gab es schon mal einen Push Tech in der Fashionszene zu etablieren, aber das ist ziemlich nach hinten losgegangen, man denke an die Solar-Jacke von Tommy Hilfiger. Das Thema war verpönt. Jetzt geht es aber um die Fragen: Wie setzen wir Fashiontech um? Inzwischen muss ich keine Grundsatzdiskussionen mehr darüber führen, warum ich an Fashiontech glaube. Auch weil es viele neue Designs gab, Google und Levis sollen im Herbst 2017 eine Commuter Trucker Jacke herausbringen, Karl Lagerfeld und Chanel haben sich für leuchtende Handtaschen zusammengeschlossen und IBM und Marchesa haben für die Met-Gala in New York ein Kleid mit 150 LED-Lichtern designt. Und mein Label ElectroCouture ist einfach tragbares Licht.
Wie passen Technik und Nachhaltigkeit zusammen?
Nachhaltigkeit und Technologie zusammen sind kein Widerspruch. Technologie kann sehr wohl dem Markt helfen, nachhaltig zu arbeiten, wenn es darum geht, Produktionsabläufe zu verbessern, zu überwachen, wo die Materialien herkamen, in welche Hände sie gelangt sind, wie sie weiterverkauft wurden oder wie man Transportwege besser gestalten kann. Es gibt ja auch diese Zukunftsprojekte, an denen wir gerade arbeiten, die besagen, dass wir zum Beispiel keine Waschmaschinen mehr brauchen, weil wir uns halt einfach jeden Morgen die Kleidung aus dem 3-D Drucker holen. Abends schmeißen wir die Kleidung auf den Kompost, um am Morgen etwas Neues zu haben. Ich müsste auch nie Gepäck mit mir herumschleppen, weil ich einfach den 3-D Drucker im Hotel nutzen kann. Solche Konzepte finde ich mega spannend.
Ihr habt in diesem Jahr ein ziemlich cooles Projekt umgesetzt, dass sich sehr stark mit der Modeikone Marlene Dietrich auseinandergesetzt hat. Kannst Du uns dazu etwas mehr erzählen?
Das war sehr spannend. Arte wollte zum Anlass des 25. Todestages von Marlene Dietrich eine neue Dokumentation über sie veröffentlichen und hat eine Recherchefirma beauftragt, da einen neuen Ansatz zu finden. Und die sind an die Deutsche Kinemathek herangetreten, weil die damals den Nachlass von Marlene Dietrich gekauft haben. In einem Bunker in Marienfelde, zu dem kaum jemand Zugang hat, schlummern also rund 3.500 Sachen von Marlene! Eine Wand voller Schuhe, große Schachteln mit ihren alten Kleidern, der Wahnsinn! Im Zuge der Recherche hat diese Firma dort bisher unentdeckte Briefe von 1958 gefunden. Sie wollte für ihre Show in Los Angeles mit ihrem Designer ein Kleid entwerfen, dass leuchten und interaktiv sein sollte. Und dieses Kleid haben wir dann schließlich jetzt entworfen. Das war ein großes Ding für mich, weil ich schon immer ein großer Fan von Marlene Dietrich war.
Lisa, wir danken Dir für das schöne Interview!
Bildquellen: ElektroCouture/Andreas Waldschütz