Wer denkt, dass im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin Models nur die neusten Trends auf den Laufstegen präsentieren, der irrt sich. Während ich bereits zu Beginn der Woche einer Podiumsdiskussion über zirkuläre Mode lauschen konnte, wurde auf der gestrigen Konferenz des Zeitmagazins und Vogue Deutschland unter dem Motto „Free the Fashion“ über Mode und Politik gesprochen. Mit Angela Missoni und Stella McCartney waren sogar gleich zwei hochrangige internationale Designerinnen vertreten. Welcher Designer mich aber mit seinen prägnanten Aussagen viel mehr überzeugen konnte und warum am Ende doch viele Fragen offenblieben, erfährst du hier.
Angela Missoni spricht über die Pussyhats
Wer Anfang des Jahres die Fashion Week in Mailand verfolgt hat, dem wird nicht entgangen sein, dass einige Designer dort neben ihrer Mode auch politische Statements präsentierten. Empört von der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und seinen frauenfeindlichen Sprüchen fand kurz zuvor der Women's March in Washington statt. Dieser sorgte nicht nur aufgrund der hohen Beteiligung von prominenten Frauen, sondern auch durch die omnipräsenten gestrickten pinken Mützen für ein gewaltiges Medienecho. Genau diese sogenannten Pussyhats griff die italienische Designerin Angela Missoni für ihre Show auf: Den Mützen wurden zwar Missoni-typische Streifen verpasst, sie sprachen jedoch eine eindeutige Sprache: Missoni solidarisiert sich mit den Frauen des Women's March und ihren Forderungen nach Gleichberechtigung.
Somit schien Angela Missoni wie dafür gemacht zu sein, um gemeinsam mit Tillman Prüfer, Style Director des Zeitmagazins, über die Verstrickungen von Mode und Politik zu sprechen. Natürlich ging es auch gleich am Anfang des Gesprächs um Missonis Pussyhat-Aktion. Und für alle, denen diese entgangen war, wurde noch einmal ein Video von der Show vorgeführt, auf der die Gäste, Models und Angela Missoni selbst zum Schluss die pinken Mützen aufsetzten. Angela Missoni musste sich im Anschluss erst einmal ein paar Tränen wegwischen, obwohl sie laut eigener Aussage sonst eigentlich nicht so schnell emotional werde. Leider folgte im Anschluss keine sonderlich passionierte Erklärung für ihre Beweggründe. Vielleicht lag es auch ein bisschen an der Sprachbarriere – Missoni entschuldigte sich mehrfach für ihr Englisch – aber es wurde nicht wirklich klar, welche Gedanken genau hinter der Aktion steckten. Schließlich hatte ich mich im Vorfeld der Konferenz bereits gefragt, inwiefern das bloße Präsentieren solcher symbolhaften Kleidungsstücke überhaupt einen Nutzen hat. Aus dem Gespräch mit der italienischen Stardesignerin wurde allerdings nur deutlich, dass die Fashionshow in Mailand vor allem eines war: eine spontane und nicht geprobte Aktion, die irgendwie einen Bezug zum Women's March hatte.
Unser Vlog zur Mercedes-Benz Fashion Week: Tag 3
Rabih Kayrouz: Feminismus-Shirts sind nicht automatisch politisch
Direkt nach Missoni betrat der libanesische Designer Rabih Kayrouz die Bühne, der mit seinen präzisen Antworten für ein deutlich aufschlussreicheres Gespräch sorgte. Neben seinen interessanten Ausführungen über die Herausforderung im Angesicht von Krieg in seinem Heimatland luxuriöse Mode zu entwerfen, bezog er auch explizit Stellung. Anstatt nur an der Oberfläche zu kratzen, kritisierte Kayrouz das bloße Präsentieren politischer Statements auf T-Shirts, wie man sie in letzter Zeit zum Beispiel bei Dior gesehen hat. Eine bloße Bekenntnis der eigenen politischen Gesinnung reiche nicht aus und sowieso verstehe er diese Form des Aktionismus nicht ganz: Man würde schließlich als intelligenter Mensch auch kein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin intelligent“ tragen. Vielmehr müssten Designer, wenn sie politisch sein wollen, solchen Aktionen auch Taten folgen lassen. Es müsse viel mehr darauf ankommen, wie Designer arbeiten und unter welchen Bedingungen sie ihre Kleidung herstellen, als darauf, welche Symbole sie auf ihren Shows zeigen. Diese klaren Worte schienen auch dem Publikum der Zeitmagazin-Konferenz zu gefallen: Rabih Kayrouz Aussagen wurden mit bekennendem Klatschen quittiert.
Stargast Stella McCartney hält sich bedeckt
Der Stargast des Tages war natürlich Stella McCartney, deren Bühnenzeit allerdings aufgrund einer Verspätung und weiteren Terminen etwas knapp ausfiel. Im Gegensatz zu den etwas trockenen Gesprächen zuvor sorgte für McCartney durchaus für einige Lacher. Leider ging es dabei aber mehr um private Anekdoten aus ihrer Kindheit und Erlebnisse von Konzerten ihres berühmten Vaters als ihre politische Motivation. Das Label Stella McCartney ist vor allem für den Verzicht auf Leder und andere tierische Textilien sowie die faire Herstellungsweise bekannt. Über dieses Nachhaltigkeitskonzept sprach McCartney durchaus gerne und erzählte stolz, wie sie es geschafft habe, mit ihren idealistischen Ideen dennoch großen Erfolg zu haben. Als sie jedoch aufgrund ihrer britischen Staatsangehörigkeit auf den Brexit angesprochen wurde, blockte sie völlig ab: Es sei für sie in Ordnung über Nachhaltigkeitsthemen zu sprechen, aber ansonsten wolle sie sich öffentlich in einem Raum voller fremder Menschen nicht politisch äußern. Derartige Diskussionen hebe sie sich für private Gespräche am Esstisch auf. Nachdem Stella McCartney kurz darauf auch schon wieder die Bühne verließ, war ich doch reichlich enttäuscht: Von einem hochkarätigen Gast hatte ich mir auf einer Konferenz über Mode und Politik doch etwas explizitere Worte gewünscht.
Mit dem Motto „Free the Fashion“ hatten sich die Organisatoren durchaus ein aktuell relevantes und spannendes Thema ausgesucht. Dass Politik einen Einfluss auf die Modewelt hat, lässt sich wohl nicht bestreiten. Welche Auswirkungen politische Statements auf T-Shirts oder Pussyhats aber dann tatsächlich haben oder ob sie nur der Publicity dienen, wurde für meinen Geschmack zu wenig diskutiert. Aber wer weiß, vielleicht hat die politische Einmischung der Modewelt auch gerade erst begonnen. Warten wir mal ab, mit welchen Statements und Aktionen Modedesigner uns in Zukunft überraschen.
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