Während der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 2017 wird Mode in all ihren Facetten beleuchtet. Dabei feiert sich die Modewelt auf den zahlreichen Shows und Messen nicht nur selbst, sondern es werden auch wichtige Themen rund um Nachhaltigkeit und faire Bezahlung der Textilarbeiter angesprochen. Ich habe mich auf der Messe Ethical Fashion Show und dem dazugehörigen Greenshowroom umgesehen, um zu erfahren, welche Trends in Sachen fairer und grüner Mode in Zukunft zu erwarten sind und, ob sich Fashion und Nachhaltigkeit überhaupt miteinander vereinbaren lassen.
Was muss Mode kosten, um fair zu sein?
Die Ethical Fashion Show dient zwar wie jede andere Messe auch dazu, dass Labels ihre neuen Kollektionen der Kundschaft und den Händlern schmackhaft machen, hier wird aber auch der Finger in die Wunde gelegt: Die Textilindustrie verursacht weltweit durch die Verwendung von Chemikalien beim Baumwollanbau oder durch die Verwendung von giftigem Chrom für Lederschuhe immense Umweltschäden. Außerdem wissen wir alle irgendwie, dass Textilarbeiter, die für herkömmliche Fashion-Labels arbeiten, mit einem Hungerlohn abgespeist werden. Einfach ignorieren lassen sich diese Probleme auf Dauer nicht. Stattdessen gibt es Vereinigungen wie die Fair Wear Foundation, die diese tatkräftig angehen wollen.
Wie dies aussehen kann, wurde in einem Vortrag mit dem Thema „Was hat ein Arbeiter am Ende des Monats noch übrig?“ am Rande der Messe auf anschauliche Weise diskutiert. Wir Messebesucher sollten uns in Teams überlegen, wie wir den durchschnittlichen Monatslohn einer indischen Textilarbeiterin sinnvoll aufteilen. Dabei wurde ganz schnell deutlich, dass dies ohne den Verzicht auf wichtige Ausgaben wie medizinische Versorgung oder Schulgebühren für die Kinder schier unmöglich ist. Das kleine Experiment sollte zeigen: Die aktuell vorherrschenden Löhne können auch noch so sparsamen Textilarbeitern unmöglich aus der Armut helfen. Die Fair Wear Foundation will daher sowohl große Modeketten als auch kleine Labels darin unterstützen, Textilarbeiter gerecht zu entlohnen. Wie das tatsächlich funktionieren kann, hat die Organisation in einem umfangreichen Infoheft vorgerechnet, das Du Dir hier herunterladen kannst.
Bezahlbare und faire Streetwear: So kann's gehen!
Noch nachdenklich vom Vortrag schaue ich mir anschließend die zahlreichen Stände der einzelnen Modelabels an. Klar ist: Wer faire Kleidung will, der muss dafür durchaus etwas tiefer in die Tasche greifen. Allerdings präsentieren sich auf der Ethical Fashion Show viele Anbieter nachhaltiger Mode, die man sich auch als Normalverdiener leisten kann. Da ich nach dem tragischen Konkurs des fairen Modelabels American Apparel unbedingt eine Alternative brauche, habe ich mir vor allem Labels angeschaut, die tragbare Alltagskleidung herstellen, aber doch irgendwie das gewisse Etwas haben.
Besonders sympathisch war mir dabei das deutsche Label Bleed, das sich seinen Kunden unter dem Motto „Still Not Loving Big Companies“ ganz als Familienunternehmen präsentiert. Das Hauptaugenmerk der Marke liegt auf sportlicher Streetwear und funktionalen Jacken mit modischen Schnitten. Außerdem wird hier mit Materialien wie Kork experimentiert: Aus dem pflanzlichen Rohstoff, der schonend in Portugal angebaut wird, stellt Bleed stabile Portemonnaies und sogar Bikerjacken her, die auf den ersten Blick aussehen wie Leder! Für die Korkprodukte müssen weder Kühe noch Bäume leiden, da diese bei der Korkernte nicht gefällt werden. Eine coole vegane Alternative also, wenn man nicht auf Materialien aus Kunststoff ausweichen will.
Soooo flauschig und doch ganz tierfrei!
Fast hätte ich als Veganerin die Pullover und Jacken von HoodLamb übersehen. Denn die Pullover, Jacken und Mäntel mit ihrem flauschigen Fellfutter wirken auf den ersten Blick wie Echtpelz. Auch der Name des Labels lässt mich zunächst an arme kleine Lämmchen denken, die für diese Teile ihr Fell lassen mussten. Aber all das stellte sich als Irrtum heraus: Die kuscheligen Jacken sind komplett vegan und werden mit einem eigens entwickelten Kunstpelz aus Hanf und recycelten PET-Flaschen ausgestattet. Und nicht nur das: Auch für Daunen hat HoodLamb eine Alternative aus recycelten Kunststofffasern entwickelt, die auch im tiefsten Winter ordentlich warm halten soll. Für die hochwertigen Parkas muss man wohl oder übel etwas sparen, sie scheinen aber wirklich eine Investition wert zu sein. Von einem Vertreter von HoodLamb erfahre ich übrigens, dass vor allem Frauen viel eher dazu bereit seien, sich von nachhaltiger Mode überzeugen zu lassen. Viele junge Männer hingegen seien stark markenaffin und legten mehr Wert darauf, das Logo einer gewohnten Marke auf der Brust zu tragen. Wer hätte gedacht, dass die Herren der Schöpfung viel festgefahrener sind, wenn es darum geht, sich auf alternative Kleidung einzulassen?
Die Grenzen fairer und nachhaltiger Mode
Wer wirklich faire Kleidung tragen will, muss nicht nur bereit sein, etwas mehr auszugeben als bei den großen Modeketten, sondern auch ein paar andere Aspekte in Kauf nehmen. Beim Denim-Label Feuervogl, erfahre ich, wo die Grenzen nachhaltiger Mode liegen. Der Jeanshersteller bietet zwar zahlreiche schicke Schnitte und Farbtöne an, jedoch keine Jeans in sehr heller oder gar weißer Waschung. Auch sehr stretchige Hosen mit hohem Elasthananteil sind leider nicht drin, da dies gegen die strengen Auflagen der GOTS-Zertifizierung verstoßen würde. Mit dem Global Organic Textile Standard werden nämlich nur solche Produkte ausgezeichnet, die den allgemein verbindlichen sozialen und ökologischen Richtlinien entsprechen. Mehr darüber kannst Du in unserem Ratgeber zu nachhaltiger Mode erfahren.
Wie Du siehst, kann man leider nicht alles haben: Faire und ökologische Kleidung zu Discounterpreisen aus schädlichen Kunststoffen sind nun mal ein Ding der Unmöglichkeit. Allerdings stimmt der Erfinderreichtum zahlreicher junger Labels hoffnungsvoll, dass in Zukunft immer mehr Menschen auf diese nachhaltigen Alternativen setzen. Unter unseren Messe-Fundstücken von der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin findest Du übrigens noch weitere coole Fair Fashion-Labels.
Bildquellen: desired