Was vor vielen Jahren noch für einige ein Fremdwort war, steht mittlerweile gefühlt auf jedem zweiten Produkt im Supermarkt: „glutenfrei“. Immer mehr Menschen steigen auf eine glutenfreie Ernährung um, weil das besonders gesund sein soll. Aber ist das wirklich so?
Gluten: Was ist das eigentlich?
Gluten ist das Speicherprotein von Weizen, wobei man verallgemeinert auch bei anderen Getreide-Speicherproteinen von Gluten spricht. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Eiweißkleber. Gerade für die Verwendung von Getreide in Teig für Brot oder Kuchen ist dieser Eiweißkleber auch besonders wichtig, da er dabei hilft, die einzelnen Backzutaten zu einem Teig zu verkleben.
Wer an einer Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie leidet, muss zwangsläufig auf eine glutenfreie Ernährung achten. Bei den meisten Betroffenen löst Gluten eine Entzündung der Darmschleimhäute hervor, was schwere Verdauungsprobleme und Schmerzen zur Folge haben kann.
Wer auf eine glutenfreie Ernährung setzt, muss seinen Speiseplan in den meisten Fällen drastisch verändern. Denn folgende Lebensmittel dürfen in roher oder verarbeiteter Form nicht mehr gegessen werden:
- Weizen-, Dinkel-, und Roggenmehl
- Bulgur
- Couscous
- Seitan
Doch Gluten kommt nicht nur in den offensichtlichen Getreidesorten vor – auch in Lebensmitteln, die auf den ersten Blick nichts mit einem Getreide zu tun haben, kann der Hilfsstoff Gluten enthalten sein, zum Beispiel in Form von Weizenstärke. Wer also wirklich Gluten aus seinem Essen verbannen möchte, sollte auch bei Lebensmitteln wie Wurst, Bircher Müsli, Eis, Ketchup oder Bier einen genauen Blick auf die Zutatenliste werfen.
Laut EU-Verordnung dürfen Lebensmittel übrigens dann als „glutenfrei“ deklariert werden, wenn es einen Glutengehalt von maximal 20 mg pro Kilogramm aufweist.
Ist eine glutenfreie Ernährung gut für unser Herz?
Doch auch Menschen ohne offensichtliche Beschwerden setzen immer häufiger auf glutenfreie Kost, da sie sich davon eine gesündere Darmflora und dadurch ein stärkeres Immunsystem erhoffen. Außerdem ist der Glaube weit verbreitet, dass eine glutenfreie Ernährung eine besonders gute Herzgesundheit mit sich bringt. Diese Annahme konnte von einer US-Studie, die bereits 2017 im „British Medical Journal“ veröffentlich wurde, allerdings nicht bestätigt werden.
Wer also keine Darmerkrankung wie Zöliakie hat und nur aus vorbeugenden Gründen auf Gluten verzichten möchte, sollte sich das genausten überlegen. Denn selbst wenn Gluten eine reizende Wirkung auf die Darmflora hat, so haben viele andere enthaltene Stoffe in Getreide wiederum sehr gute Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Ballaststoffe beispielsweise sind gerade in Vollkornprodukten enthalten und lassen unseren Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen und können die Darmtätigkeit insgesamt regulieren.
Solltest du, beziehungsweise dein Arzt oder deine Ärztin, also keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Konsum von glutenhaltigen Lebensmitteln und gesundheitlichen Beschwerden feststellen können, gibt es keinen Grund, von dir aus auf eine glutenfreie Ernährung umzusteigen. Das sieht auch die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) so: „Glutenfreie Kost kann zu Nährstoffmangel führen“, sagt Prof. Dr. Kleine Tebbe von der DGAKI. Auch er kommt zu dem Schluss: „Wir raten dringend davon ab, vorschnell auf eine glutenfreie Ernährung umzustellen.“
Bedingter Verzicht kann die Lösung sein
Wie so oft, ist ein Mittelmaß ratsam: Denn viele glutenhaltige Speisen wie Pizza, Brot oder Nudeln sind natürlich auch reich an Kohlenhydraten und oft auch reich an Zucker.
Ab und zu mal auf solche Produkte zu verzichten, kann also durchaus eine Wohltat für dich und deine Darmflora sein. Solltest du dich aber eigentlich ohne Grund dazu gezwungen fühlen, dich besonders gesund zu ernähren, stimmt vielleicht etwas mit deinem Essverhalten nicht. Sollte das der Fall sein, könntest du deinen Arzt oder deine Ärztin um eine professionelle Beratung bitten.
Wie du siehst, glutenhaltige Lebensmittel sind also nicht zwangsläufig schädlich für unsere Gesundheit. Solange du keine Unverträglichkeit hast, gibt es demnach keinen Grund, voll und ganz auf eine glutenfreie Ernährung umzusteigen. Vielmehr solltest du auf eine ausgewogene Ernährung mit vielen frischen und unverarbeiteten Produkten setzen.
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