Das Impftempo in Deutschland geht zurück. War es dank der hohen Nachfrage vor wenigen Wochen noch nahezu unmöglich einen Impftermin zu ergattern, wird jetzt schon geplant, mobile Impfstationen in Shoppingcentern oder Restaurants zu eröffnen. Denn obwohl Expert*innen sich einig sind, dass eine hohe Impfquote der einzige Weg ist, eine starke vierte Corona-Welle im Herbst zu umgehen, haben viele es mit den Impfungen scheinbar nicht so eilig oder wollen sich sogar gar nicht impfen lassen. Für Kanzleramtschef Helge Braun bedeutet das, dass diese Menschen bei steigenden Inzidenzen wieder mehr Einschränkungen erleben müssen. Viele Politiker*innen stimmen ihm zu, es gibt aber auch harte Kritik.
Gegenüber der „Bild am Sonntag“ sagte Braun: „Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte.“ Bisher waren Restaurant- oder Ladenbesuche bei höheren Inzidenzen entweder mit einem negativen Test, einer Impfbescheinigung oder einer Bescheinigung darüber, dass man in den letzten sechs Monaten eine Corona-Infektion überstanden hatte, möglich. In Zukunft könnte der negative Test als Eintrittskarte wegfallen. „Das kann auch bedeuten, dass gewisse Angebote wie Restaurant-, Kino- und Stadionbesuche selbst für getestete Ungeimpfte nicht mehr möglich wären, weil das Restrisiko zu hoch ist“, führte Braun weiter aus. Einen erneuten Lockdown hält er dann nicht für notwendig, solange die Impfstoffe tatsächlich zuverlässig gegen die Delta-Variante helfen.
Wird es einen indirekten Impfzwang geben?
Für viele hört sich das nach einem indirekten Impfzwang an. Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, wie sie beispielsweise in Frankreich kommen soll, lehnt die Bundesregierung ab. Sobald jedoch in Deutschland jeder ein Impfangebot erhalten hat, schließen Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn es nicht aus, Corona-Schnelltests beispielsweise wieder kostenpflichtig zu machen und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nur für Ungeimpfte gelten zu lassen.
Kritik gibt es hieran nicht nur von anderen Parteien wie den Linken und der FDP, sondern auch aus den eigenen Reihen. Kanzlerkandidat Armin Laschet etwa lehnt eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften ab. „Ich halte nichts von einer Impfpflicht und halte auch nichts davon, auf Menschen indirekt Druck zu machen, dass sie sich impfen lassen sollten“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. Schränkte aber auch ein: „Wenn wir dann im Herbst sehen, die Impfquote ist immer noch zu niedrig, muss man dann weiter nachdenken. Aber nicht jetzt.“
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Ohne hohe Impfquote ist eine vierte Infektionswelle unvermeidbar
Viele Wissenschaftler*innen wie der Virologe Christian Drosten gehen davon aus, dass ohne eine höhere Impfquote eine starke Corona-Welle im Herbst und Winter bevorsteht. Sollte dann auch die Zahl der Patient*innen auf den Intensivstationen wieder stark zunehmen, könnten auch erneute Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung unvermeidbar werden. „Jeder Erwachsene kann durch Impfung seinen Beitrag leisten, dass Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft im Winterhalbjahr nicht erneut eingeschränkt werden müssen“, sagte Drosten gegenüber der dpa. Dann ist zu überlegen, was unfairer wäre: Einschränkungen nur für Ungeimpfte, die dann das höchste Infektionsrisiko haben oder Einschränkungen für alle, nur weil eine Minderheit nicht bereit ist, sich impfen zu lassen.
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