Wir können die Jury der „Sprachkritischen Aktionen“ nur zu gut verstehen. Wie soll man sich bei einem Jahr wie 2020 bitte für ein „Unwort des Jahres“ entscheiden? Wir könnten ein ganzes Buch damit füllen. Alleine die Corona-Pandemie (wäre definitiv im Buch enthalten) hat zu einer ganzen Reihe an Wortneuschöpfungen geführt, auf die wir gerne verzichtet hätten. Letztendlich setzten sich „Corona-Diktatur“ und „Rückführungspatenschaften“ als Unwörter durch. Damit wollte die Jury zeigen, dass auch neben Corona im Jahr 2020 viel passiert ist.
Das „Unwort des Jahres“ wird in Deutschland bereits seit 1991 gewählt. Bisher ist man dabei immer mit einem Begriff ausgekommen. Aber 2020 ist eben ein besonderes Jahr. Anders als viele denken, geht es der Jury bei der Wahl des Unworts nicht einfach darum, Begriffe zu wählen, die wir alle nicht mehr hören können. Sie möchte damit „auf Wörter und Formulierungen in allen Feldern der öffentlichen Kommunikation, die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen“, aufmerksam machen.
Deshalb entschied die Jury sich für diese beiden Begriffe
Weshalb die „Corona-Diktatur“ es zum Unwort des Jahres geschafft hat, dürfte uns wohl allen klar sein. Das Wort wird von selbsternannten „Querdenkern“ (auch ein guter Kandidat) gerne dazu genutzt, um die Corona-Maßnahmen zu kritisieren. Wahlweise wird auch von einer Merkel-Diktatur gesprochen. Dabei wird behauptet, dass uns die Meinungsfreiheit genommen wird und alle Medien gleichgeschaltet seien.
„Rückführungspatenschaften“ hatten viele 2020 hingegen wohl weniger auf dem Plan. Und genau deshalb hat die Jury sich entschieden, noch ein weiteres Unwort zu wählen, das nichts mit Corona zu tun hat. Damit wollte sie zeigen, dass 2020 auch abseits der Pandemie viel passiert ist, dass durch das vorherrschende Thema jedoch nicht genügend Aufmerksamkeit bekam. „Rückführungspatenschaften“ sind ein Begriff aus der Migrationspolitik. Die EU-Kommission bietet sie als Möglichkeit für EU-Länder die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten. Sie können stattdessen bei der Abschiebung dieser helfen. Der Begriff „Rückführung“ beschönige in diesem Kontext die Abschiebung und sei zynisch, kritisieren die „Sprachkritischen Aktionen“. Auch werde mit den „Patenschaften“ ein eigentlich positiv konnotierter Begriff missbraucht.
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